Entscheidungstexte nº G259/09 ua. VfGH. 16-12-2010

Date16 Diciembre 2010
16.12.2010
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 22
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
16.12.2010
Geschäftszahl
G259/09 ua
Sammlungsnummer
19281
Leitsatz
Aufhebung einer Regelung der Strafprozessordnung betreffend ein (generelles) Einspruchsrecht an das Gericht
gegen kriminalpolizeiliche (Zwangs-)Maßnahmen ohne gerichtliche Bewilligung bzw staatsanwaltschaftliche
Anordnung; Verstoß gegen d en Grundsatz der Gewaltentrennung durch einfachgesetzliche Anordnung d er
gerichtlichen Überprüfung eines Verwaltungsakts
Spruch
I. Die Wortfolge "oder Kriminalpolizei" im ersten Satz des §106 Abs1 der Strafpro zessordnung 1975,
BGBl. Nr. 631 idF des Strafprozessreformgesetzes BGBl. I Nr. 19/2004, wird a ls verfassungswidrig
aufgehoben.
Die aufgehobene Wortfolge ist nicht mehr anzuwenden.
Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt I
verpflichtet.
II. Im Übrigen werden die Anträge zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Zur Rechtslage:
1.1. Relevante Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes (B-VG) lauten auszugsweise (Art90a B-
VG, eingefügt mit BGBl. I 2/2008; Art129a Abs1 B-VG, eingefügt mit BGBl. 685/1988):
"Drittes Hauptstück
Vollziehung des Bundes
...
B. Gerichtsbarkeit
...
Verfassungsgerichtshof 16.12.2010
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Artikel 90a. Staatsanwälte sind Organe der Gerichtsbarkeit. In Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe
bedrohter Handlungen nehmen sie Er mittlungs- und Anklagefunktionen wahr. Durch Bundesgesetz werden die
näheren Regelungen über ihre Bindung an die Weisungen der ihnen vorgesetzte n Organe getroffen.
...
Siebentes Hauptstück
Garantien der Verfassung und Verwaltung
...
A. Unabhängige Verwaltungssenate in den Ländern
Artikel 129a. (1) Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern erkennen nach Ersc höpfung des
administrativen Instanzenzuges, sofern ein solcher in Betracht kommt,
1. ...
2. über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer
verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwan gsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, a usgenommen in
Finanzstrafsachen des Bundes,
3. - 4. ..."
1.2. §67a Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) lautet:
"§67a. Die unabhängigen Verwaltungssenate in den Ländern entscheiden:
1. ...
2. über Beschwerden von Personen, die behaupten, durch die Ausübung unmittelbarer
verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwan gsgewalt in ihren Rechten verletzt zu sein, ausgeno mmen in
Finanzstrafsachen des Bundes.
..."
1.3. Vorschriften der Strafprozessordnung 1975 (StPO), BGBl. 631, in der maßgeblichen Fassung BGBl. I
109/2007 (die - hervorgehobenen - angefochtenen Teile der §§106 Abs1 und 107 Abs1 haben durch BGBl. I
19/2004 ihre hier relevante Fassung erhalten):
"1. Teil
Allgemeines und Grundsätze des Verfahrens
1. Hauptstück
Das Strafverfahren und seine Grundsätze
Das Strafverfahren
§1. (1) Die Strafprozessordnung regelt das Verfahren zur Aufklärung von Straftaten, über die Verfolgung
verdächtiger Personen und über damit zusammenhängende Entscheidungen. ...
(2) Das Strafver fahren beginnt, sobald Kr iminalpolizei oder Staatsanwaltschaft zur Aufklärung des
Verdachts einer Straftat gegen eine bekannte oder unbekannte Person er mitteln oder Zwang gegen eine
verdächtige Person ausüben. Das Strafverfahren endet durch Einstellung oder Rücktritt von der Verfolgung
durch die Staatsanwaltschaft oder durch gerichtliche Entscheidung.
...
2. Hauptstück

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