Entscheidungstexte nº G269/01 ua. VfGH. 12-12-2001

Date12 Diciembre 2001
12.12.2001
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 28
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
12.12.2001
Geschäftszahl
G269/01 ua
Sammlungsnummer
16400
Leitsatz
Präjudizialität auch der eine Behörde in ihrer Or ganisation konstituierenden Vorschriften bei Überprüfung eines
Bescheides; Verfassungswidrigkeit der Einrichtung der Bundes-Wertpapieraufsicht als selbständige Anstalt des
öffentlichen Rechts; Unzulässigkeit der Betrauung von außerhalb der Staats organisation stehenden Rechtsträgern
mit Kernaufgaben des Staates, zB mit Strafkompetenzen im hier vorgesehenen Ausmaß; Leitungs- und
Organisationsverantwortung des dem Parlament gegenüber verantwortlichen Bundesministers nicht ausreic hend
gesichert; Zurückweisung von Anträgen bzw Einstellung des Verfahrens hinsichtlich der z u weit gefaßten
Prüfungsanträge und de s Prüfungsbeschlusses; keine Verfassungswidrigkeit weiterer B estimmungen über die
Bundes-Wertpapieraufsicht auf grund der bereinigten Rechtslage; keine Bedenken gegen die Besorgung der der
Bundes-Wertpapieraufsicht übertragenen Aufgaben durch eine unselbständige Einric htung des Bundes
Spruch
I. 1. a) Folgende Bestimmungen des Bundesgesetze s über die Beaufsichtigung von
Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz - WAG), ArtI des Bundes gesetzes über die
Beaufsichtigung von Wert papierdienstleistungen (Wertpapi eraufsichtsgesetz - WAG) und über die Änderung
mehrerer anderer Bundesgesetze, BGBl. Nr. 753/1996 werden als verfassungswidrig auf gehoben:
- die Worte "mit eigener Rechtspersönlichkeit" in §1 Abs1, die Worte "betreffend die Besorgung der
Aufgaben gemäß §2" in §3 Abs3 erster Satz, §3 Abs5, die Wortfolge "; die Kündigung des gemäß §3
bestellten Stellvertreters bedarf jedoch der Zustimmung des Bundesministers für Finanzen" in §5 Abs1,
§6 samt Überschrift, §8 und die Worte "an Stelle des im BWG genannten Bundesministers für
Finanzen" in §21 Abs1 (alle in der Stammfassung)
- die Worte "den Bundesminister für Finanzen und" in Abs1 und die Worte "des Bundesministers für
Finanzen," in Abs2 des §24a idF BGBl. I Nr. 126/1998
- die Worte "BWA, die" im letzten Satz des §7 Abs2 idF BGBl. I Nr. 63/1999 und
- die Worte "der Bundesminister für Finanzen im Rahmen seiner Aufgaben gemäß dem BWG und dem
VAG," im dritten Satz des §29 Abs1 idF BGBl. I Nr. 2/2001.
b) Die Aufhebung tritt mit Beginn des 1. April 2002 in Kraft.
c) Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.
2. Die Worte "der Bundesminister für Finanzen i m Rahmen seiner Aufgaben gemäß dem BWG
und dem VAG," im zweiten Satz des §29 Abs1 idF BGBl. I Nr. 11/1998 war verfassungswidrig.
3. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kund machung dieser Aussprüche im
Bundesgesetzblatt verpflichtet.
Verfassungsgerichtshof 12.12.2001
www.ris.bka.gv.at Seite 2 von 28
II. §28 Abs1 WAG idF BGBl. Nr. 753/1996 wird nicht als verfassungswidrig aufge hoben.
III. Im übrigen werden das von Amts wegen eingeleitete Verfahren e ingestellt und die vom
Verwaltungsgerichtshof gestellten Anträge zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. a) Beim Verfassungs gerichtshof ist - zu B1695/99 - ei n Verfahren anhängig, dessen Gegenstand ein
Bescheid der "Bundes-Wertpapieraufsicht" (im folgenden: BWA) vom 2. September 1999 ist, mit dem der
nunmehr beschwerdeführenden Gesell schaft die Erteilung einer (eingeschrä nkten) Konzession als
Wertpapierdienstleistungsunternehmen versagt wurde.
b) Bei Behandlung der Beschwerde sind beim Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der
Verfassungsmäßigkeit der Ausgliederung der hoheitli ch zu besorgenden Verwaltungsaufgaben der
Wertpapieraufsicht an eine "Anstalt des öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspersönlichkeit" entstanden. Der
Gerichtshof hat daher beschlosse n, folgende, die Ausgliederung anscheinend konstituierende Bestimmungen des
Bundesgesetzes über die Beaufsichtigung von Wertpapierdienstleistungen (Wertpapieraufsichtsgesetz - WAG),
ArtI des Bundesgesetzes BGBl. 753/1996, in der jeweils zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides geltenden
Fassung auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen:
- §1, §§3 bis 6 samt den Überschriften, §8, die Wortfolge ", w obei die Vollziehung der BWA an Stelle
des im BWG genannten Bundesministers für Finanzen obliegt" i n §21 Abs1, §28 Abs1 und die Z1 und 2
des §32, alle in der Stammfassung
- den zweiten Satz des §29 Abs1 idF BGBl. I 11/1998
- die Worte "den Bundesminister für Finanzen und" im Abs1 und die Worte "des Bundesministers für
Finanzen," im Abs2 des §24a idF BGBl. I 126/1998 und
- die Worte "BWA, die" im letzten Satz des §7 Abs2 idF BGBl. I 63/1999.
Dieses Verfahren ist zu G269/01 protokolliert.
2. Beim Verwaltungsgerichtshof ist ein Verfahren zur Prüfung eines Bescheides des
Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 13. Oktober 2000 anhängig, mit dem über die Berufung
gegen den erstinstanzlichen über den Beschwerdef ührer eine Verwaltungsstrafe verhängenden Bescheid
der BWA vom 9. August 1999 weitgehend abweislich entschieden wurde.
Da beim Verwaltungs gerichtshof bei Behandlung dieser Besc hwerde Bedenken ob de r
Verfassungsmäßigkeit der Übertragung von Verwaltungsstrafbefugnissen an die BWA als einer Anstalt des
öffentlichen Rechts mit eigener Rechtspers önlichkeit entsta nden w aren, stellte dieser Gerichtshof mit
ausführlicher ( unter Pkt. VIII. 2. a)aa) wiedergegebener) Begründung beim Verfassungsgerichtshof am 4. Juli
2001 den Antrag, §28 Abs1 des WAG in der Stammfassung als verfassungswidrig aufzu heben.
Mit einem weiteren Antrag vom 8. Oktober 2001 begehrte der Verwaltu ngsgerichtshof (primär) die
Aufhebung auch jener Bestimmungen des WAG, die der Verfassungsgerichtshof in seinem (unter P kt. I. 1.
referierten) das Verfahren G269/01 einleitenden Beschluß in Prüfung genommen hatte, sowie (eventualiter) die
Aufhebung dieser Bestim mungen sowie der Wortfolge "der BWA" in §19 Abs2 WAG idF BGBl. I 63/1999. Er
schloß sich dabei den Bedenken des Verfassungsgerichtshofes an und bezog in den E ventualantrag auch jene
Bestimmung ein, die der BWA die Kompetenz zur Konzessionserteilung vermittelt.
Diese Anträge sind beim Verfassungsgerichtshof zu G287/01 protokolliert.
3. a) Weiters ist beim Verwaltungsgerichtshof - nach Able hnung der Behandlung einer zunächst an den
Verfassungsgerichtshof gerichteten Be schwerde und deren Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof - ein
Verfahren zur Prüfung eines Bescheides der BWA vom 19. Oktober 1999 anhängig, mit dem dem nunmehrigen
Beschwerdeführer die Konzessi on zur Erbringung bestimmter Dienstleistungen nach dem WAG versagt worden
war.

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