Entscheidungstexte nº UA1/2020. VfGH. 03-03-2020

ECLIECLI:AT:VFGH:2020:UA1.2020
Date03 Marzo 2020
VERFASSUNGSGERICHTSHOF
Verfassungsgerichtshof
Freyung 8, A-1010 Wien
www.verfassungsgerichtshof.at
UA 1/2020-15
3. März 2020
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Vorsitz des Präsidenten
DDr. Christoph GRABENWARTER,
in Anwesenheit der Mitglieder
Dr. Markus ACHATZ,
Dr. Sieglinde GAHLEITNER,
Dr. Andreas HAUER,
Dr. Christoph HERBST,
Dr. Michael HOLOUBEK,
Dr. Helmut HÖRTENHUBER,
Dr. Claudia KAHR,
Dr. Georg LIENBACHER,
Dr. Michael RAMI,
Dr. Johannes SCHNIZER und
Dr. Ingrid SIESS-SCHERZ
sowie des Ersatzmitgliedes
MMag. Dr. Barbara LEITL-STAUDINGER
als Stimmführer, im Beisein der verfassungsrechtlichen Mitarbeiterin
Dr. Josefa BREITENLECHNER
als Schriftführerin,
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über die Anfechtung eines Beschlusses des Geschäftsordnungsausschusses des
Nationalrates vom 22. Jänner 2020 durch 53 das Verlangen eines Viertels der
Mitglieder des Nationalrates auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses
"betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-
Untersuchungsausschuss)" unterstützende Mitglieder des Nationalrates, alle pA
Parlament, Dr. Karl Renner-Ring 3, 1017 Wien, in seiner heutigen nichtöffentli-
chen Sitzung gemäß Art. 138b Abs. 1 Z 1 B-VG zu Recht erkannt:
Der Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates vom
22. Jänner 2020, mit dem das Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Natio-
nalrates auf Einsetzung eines Untersuchungsausschusses "betreffend mutmaßli-
che Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsaus-
schuss)" für teilweise unzulässig erklärt wird, ist rechtswidrig.
Entscheidungsgründe
I. Anfechtung
Mit ihrer auf Art. 138b Abs. 1 Z 1 B-VG gestützten Anfechtung begehren 53 das
Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Nationalrates auf Einsetzung eines
Untersuchungsausschusses "betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-
blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss)" unterstützende Mit-
glieder des Nationalrates,
"der Verfassungsgerichtshof möge
1. den Beschluss des Geschäftsordnungsausschusses des Nationalrates gemäß
§ 3 Abs. 2 VO-UA vom 22.1.2020, mit dem das Verlangen (1/US XXVII.GP) eines
Viertels der Mitglieder des Nationalrates auf Einsetzung eines Untersuchungs-
ausschusses gemäß § 33 GOG-NR betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der
türkis-blauen Bundesregierung (Ibiza-Untersuchungsausschuss) für teilweise
unzulässig erklärt wird (in Anlage 2 zu AB 33 BIgNR XXVII.GP), zur Gänze für
rechtswidrig erklären; sowie
2. da die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss prozessu-
al nicht handlungsfähig ist, ihre Zusammensetzung nicht namentlich feststeht
und sie sich daher nicht selbst vertreten und auch keinen Vertreter bevollmäch-
tigen kann, für die beschlussfassende Mehrheit im Geschäftsordnungsausschuss
gemäß § 8 Abs. 1 ZPO iVm § 35 VfGG einen Kurator bestellen."
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II. Rechtslage
1. Art. 52b, Art. 53 und Art. 138b Abs. 1 Z 1 B-VG, BGBl. 1/1930 idF
BGBl. I 101/2014, lauten:
"Artikel 52b. (1) Zur Überprüfung eines bestimmten Vorganges in einer der
Kontrolle des Rechnungshofes unterliegenden Angelegenheit der Bundesgeba-
rung wählt der Ausschuss gemäß Art. 126d Abs. 2 einen ständigen Unteraus-
schuss. Diesem Unterausschuss muss mindestens ein Mitglied jeder im Haupt-
ausschuss des Nationalrates vertretenen Partei angehören.
(2) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung
des Nationalrates.
Artikel 53. (1) Der Nationalrat kann durch Beschluss Untersuchungsausschüsse
einsetzen. Darüber hinaus ist auf Verlangen eines Viertels seiner Mitglieder ein
Untersuchungsausschuss einzusetzen.
(2) Gegenstand der Untersuchung ist ein bestimmter abgeschlossener Vorgang
im Bereich der Vollziehung des Bundes. Das schließt alle Tätigkeiten von Organen
des Bundes, durch die der Bund, unabhängig von der Höhe der Beteiligung,
wirtschaftliche Beteiligungs- und Aufsichtsrechte wahrnimmt, ein. Eine Überprü-
fung der Rechtsprechung ist ausgeschlossen.
(3) Alle Organe des Bundes, der Länder, der Gemeinden und der Gemeindever-
bände sowie der sonstigen Selbstverwaltungskörper haben einem Untersu-
chungsausschuss auf Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung
ihre Akten und Unterlagen vorzulegen und dem Ersuchen eines Untersuchungs-
ausschusses um Beweiserhebungen im Zusammenhang mit dem Gegenstand der
Untersuchung Folge zu leisten. Dies gilt nicht für die Vorlage von Akten und
Unterlagen, deren Bekanntwerden Quellen im Sinne des Art. 52a Abs. 2 gefähr-
den würde.
(4) Die Verpflichtung gemäß Abs. 3 besteht nicht, soweit die rechtmäßige Wil-
lensbildung der Bundesregierung oder von einzelnen ihrer Mitglieder oder ihre
unmittelbare Vorbereitung beeinträchtigt wird.
(5) Nähere Bestimmungen trifft das Bundesgesetz über die Geschäftsordnung
des Nationalrates. In diesem können eine Mitwirkung der Mitglieder der Volks-
anwaltschaft sowie besondere Bestimmungen über die Vertretung des Vorsit-
zenden und die Vorsitzführung vorgesehen werden. Es hat auch vorzusehen, in
welchem Umfang der Untersuchungsausschuss Zwangsmaßnahmen beschließen
und um deren Anordnung oder Durchführung ersuchen kann.
Artikel 138b. (1) Der Verfassungsgerichtshof erkennt über
1. die Anfechtung von Beschlüssen des Geschäftsordnungsausschusses des
Nationalrates, mit denen ein Verlangen eines Viertels der Mitglieder des Natio-
nalrates, einen Untersuchungsausschuss einzusetzen, für ganz oder teilweise
unzulässig erklärt wird, durch ein dieses Verlangen unterstützendes Viertel
seiner Mitglieder wegen Rechtswidrigkeit;
[…]"
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