Bundesgesetz vom 4. Juli 1947 über die Fürsorge für die Opfer des Kampfes um ein freies, demokratisches Österreich und die Opfer politischer Verfolgung (Opferfürsorgegesetz).

Der Nationalrat hat beschlossen:

Personenkreis.

§ 1. (1) Als Opfer des Kampfes um ein freies,

demokratisches Österreich im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen anzusehen, die um ein unabhängiges, demokratisches und seiner geschichtlichen Aufgabe bewußtes Österreich, insbesondere gegen Ideen und Ziele des Nationalsozialismus,

mit der Waffe in der Hand gekämpft oder sich rückhaltlos in Wort oder Tat eingesetzt haben und hiefür in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945

  1. im Kampfe gefallen sind,

  2. hingerichtet worden sind,

  3. an den Folgen einer im Kampfe erlittenen Verwundung oder erworbenen Krankheit oder an den Folgen einer Haft oder erlittenen Mißhandlung verstorben sind,

  4. an schweren Gesundheitsschädigungen infolge einer der unter lit. c angeführten Ursachen leiden oder gelitten haben, oder e) nachweisbar aus politischen Gründen mindestens ein Jahr, sofern die Haft mit besonders schweren körperlichen oder seelischen Leiden verbunden war, mindestens sechs Monate, in Haft waren.

    (2) Als Opfer der politischen Verfolgung im Sinne dieses Bundesgesetzes sind Personen anzu-

    sehen, die in der Zeit vom 6. März 1933 bis zum 9. Mai 1945 aus politischen Gründen oder aus Gründen der Abstammung, Religion oder Nationalität durch Maßnahmen eines Gerichtes,

    einer Verwaltungs- (im besonderen einer Staatspolizei-)Behörde oder durch Eingriffe der NSDAP einschließlich ihrer Gliederungen in erheblichem Ausmaße zu Schaden gekommen sind. Als solche Schädigungen in erheblichem Ausmaße sind anzusehen:

  5. der Verlust des Lebens,

  6. der Verlust der Freiheit durch mindestens drei Monate,

  7. ein Schaden an der Gesundheit, der nach den für Kriegsbeschädigte geltenden Bestimmungen die Zuerkennung der Versehrtenstufe III zur Folge hat,

  8. der Verlust oder die Minderung des Einkommens um mindestens die Hälfte gegenüber dem Zeitpunkte vor der gesetzten Maßnahme,

    wenn diese in ihrer Auswirkung mindestens dreieinhalb Jahre gedauert hat,

  9. der Abbruch oder eine mindestens dreieinhalbjährige Unterbrechung des Studiums oder Lehrausbildungslehrganges.

    (3) Die Fürsorge nach diesem Bundesgesetz erstreckt sich auch auf die Hinterbliebenen der im Abs. (1), lit. a bis c, und im Abs. (2), lit. a,

    genannten Opfer. Als Hinterbliebene im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die Ehegatten, beziehungsweise Lebensgefährten, Kinder, Eltern,

    Pflegeeltern, elternlose Geschwister, Enkel, Großeltern,

    Stiefeltern und Stiefkinder anzusehen, deren Lebensunterhalt ganz oder zum überwiegenden Teile von dem Opfer bestritten wurde oder auf Grund gesetzlicher Verpflichtungen, oder wenn Personen, die gesetzlich zur Alimentation verpflichtet wären, nicht vorhanden sind, oder zwar vorhanden, jedoch nicht fähig sind, auf Grund sittlicher Verpflichtungen, wenn das Opfer noch am Leben wäre, von ihm bestritten werden müßte.

    (4) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die in den Abs. (1) bis (3) genannten Personen dann anspruchsberechtigt, wenn sie am 13. März 1938

    die österreichische Bundesbürgerschaft besessen haben und a) im Zeitpunkte der Anspruchsmeldung österreichische Staatsbürger sind, oder b) zwar erst nach dem 27. April 1945 die

    österreichische Staatsbürgerschaft erworben haben, jedoch ihren ordentlichen Wohnsitz im Gelbiet der Republik Österreich schon vor dem 13. März 1938 durch mehr als zehn Jahre hatten, oder c) ihre Ansprüche von unter a und b genannten Personen ableiten.

    (5) Bei Vorliegen besonderer Umstände kann die Bundesregierung auf Antrag der in § 17

    dieses Bundesgesetzes vorgesehenen Kommission

    (Opferfürsorgekommission) die Nachsicht von der Nachweisung einer der in den Abs. (1), (3)

    und (4) vorgesehenen Voraussetzungen erteilen.

    Begünstigungen und Fürsorgemaßnahmen.

    § 2. Bis zu dem Zeitpunkte, in dem die staatsfinanziellen Bedingungen eine endgültige, dem Verdienste, beziehungsweise den Leiden der in

    § 1 genannten Opfer angemessene Regelung zulassen,

    werden Begünstigungen und Fürsorgemaßnahmen gewährt, und zwar:

  10. Begünstigungen:

    1. auf dem Gebiete der Renten- und Unfallversicherung

      (§ 5);

    2. bei Gründung, Wiederaufrichtung oder Stützung der wirtschaftlichen Existenz

      (§ 6);

    3. bei Vergebung von Geschäftsstellen der Klassenlotterie, Lottokollekturen und Tabakverschleißgeschäften (§ 7);

    4. bei Vergebung und Zuweisung von Wohnungen, Siedlerstellen und Kleingärten

      (§ 8);

    5. Begünstigungen auf den Gebieten der Steuer- und Gebührenpflicht (§ 9);

    6. durch Nachlaß und Ermäßigung von Studien- und Prüfungsgeldern (§ 10).

  11. Fürsorgemaßnahmen an Inhaber der Amtsbescheinigung nach § 4, Abs. (1):

    1. Rentenfürsorge (§ 11);

    2. Heilfürsorge (§ 12);

    3. Kinderfürsorge {§ 13).

      Anmeldung und Verfahren.

      § 3. (1) Der Antrag auf Anerkennung der Anspruchsberechtigung nach § 1 ist vom Anspruchswerber schriftlich bei der nach dem Wohnsitz des Antragstellers örtlich zuständigen Bezirksverwaltungsbehörde einzubringen. Der Antrag hat die Voraussetzungen nach § 1 nachzuweisen und kann auch die Art der erstrebten Begünstigungen oder Fürsorgemaßnahmen beinhalten.

      (2) Die Anspruchsberechtigung erlischt, wenn der Anspruchswerber nicht bis 31. Dezember 1949 den Antrag gemäß Abs. (1) gestellt hat.

      Diese Frist kann durch Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung bis längstens 31. März 1950 verlängert werden. Eine verspätete Anmeldung kann nur berücksichtigt werden, wenn der Anspruchswerber glaubhaft macht, daß er an der Einhaltung der Frist durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war. In diesem Falle hat er den Antrag auf Zuerkennung der Anspruchsberechtigung innerhalb von sechs Monaten nach Wegfall des Hindernisses bei der nach Abs. (1) zuständigen Behörde zu stellen.

      (3) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat zu ermitteln,

      ob die Voraussetzungen des § 1 zutreffen und hierüber dem Landeshauptmann zu berichten, der mit Bescheid über den Antrag erkennt.

      (4) Gegen einen ablehnenden Bescheid des Landeshauptmannes steht die Berufung an das...

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