Rechtssätze nº B413/2013. VfGH. 29-11-2014

ECLIECLI:AT:VFGH:2014:B413.2013
Date29 Noviembre 2014
29.11.2014
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 2
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
29.11.2014
Geschäftszahl
B413/2013
Sammlungsnummer
19916
Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abschöpfung von Einnahmen des
ORF aus dem Progra mmentgelt wegen Über schreitung der Grenzen des öffentlich-rechtlichen Auftrags
auf Grund von Live-Übertragungen im Sport-Sparte nprogramm; Abschöpfungsverfahren nicht als
Strafverfahren zu qualifizieren; kein Vorliegen einer strafrechtlichen Anklage im Sinne der EMRK;
Regelung im E inklang mit den europarechtlichen Vorgaben des Beihilfenrechts; keine Verletzung im
Recht auf eine mündliche Verhandlung im Hi nblick auf die nachprüfende Kontrolle des le tztinstanzlichen
Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof
Rechtssatz
Das Vorliegen einer "strafrechtlichen Anklage" nach Art6 Abs1 EMRK ist nach der im Fall Engel
beginnenden Rechtsprechung des EGMR nach der Einordnung im i nnerstaatlichen Recht, nach der Natur
des Vergehens und nach der Art und Schwere der Strafe zu beurteilen (EGMR 23.11.1976, Fall Engel ua,
Appl 5100/71 ua).
Das Abschöpfungsver fahren ge m §38a ORF-G ist nach österreichischem Recht nicht als Strafverfahren
zu qualifizieren. Die Anordnung der Abschöpf ung von Einnahmen nach §38a ORF-G wird "unbeschadet"
der Verhängung von Verwaltungsstrafen nach §38 getroffen, auf das Verfahren ist das AVG bzw das
VwGVG, nicht aber das VStG anzuwenden.
Auch die Natur des Vergehens ist nicht strafrechtlich iSv Art6 EMRK. Die Bestimmung richtet sich nur
an einen einzigen Rundfunkveranstalter, den ORF. Die Erläuterungen führen ausdrücklich aus, dass das
im ORF -G vorgesehene Sanktionssystem dadurch zu ergänzen sei, dass nicht-pönale Konsequenzen an
eine untersagte Quersubventionierung dadurch geknüpft werden, dass eine r echtswidrige
Mittelverwendung rückgängig gemacht werde. Es handle sich nicht um eine Sanktion, sondern bloß um
einen "actus contrarius", um eine beihilfenrechtskonforme Situation herzustellen, und es komme nicht
darauf an, ob den ORF ein Verschulden treffe (Erläut zu §38a zur RV 611 BlgNR, 24. GP).
Das Instrument der Abschöpfung dient dazu, eine Verwendung von Mitteln aus Programmentgelt für
kommerzielle Zwecke hintanzuhalten. Auch die Höhe des Abschöpfungsbetrags vermag die
Anwendbarkeit von Art6 EMRK in strafrechtlicher Hinsicht nicht zu begründen.
Angesichts des Umstandes, dass das Abschöpfungsverfahren keine strafrechtliche Anklage iSv Art6
EMRK zum Gegenstand hat, kommt auch die Anwendbarkeit des Art91 B-VG nicht in Betracht. Ein
Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Gebot, den Kernbereich der Strafgerichtsbarkeit den Gerichten
vorzubehalten, liegt nicht vor.
Die gesetzliche Regelung des §38a ORF-G wurde mit der ORF-G-Novelle BGBl I50/2010 eingefügt und
sollte den Vorgaben aus der Kommissionsentscheidung im Beihilfeverfahren E2/2008 Rechnung tragen.
§38a Abs1 ORF-G sieht ua vor, dass bei Heranziehung von Mitteln aus dem Programmentgelt, die für
Tätigkeiten j enseits des öffentlich-rechtlichen Auftrags herangezogen wurden, eine Abschöpfung in der

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT