Rechtssätze nº G259/09 ua. VfGH. 16-12-2010

Date16 Diciembre 2010
16.12.2010
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 2
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
16.12.2010
Geschäftszahl
G259/09 ua
Sammlungsnummer
19281
Leitsatz
Aufhebung einer Regelung der Strafprozessordnung betreffend ein (generelles) Einspruchsrecht an das Gericht
gegen kriminalpolizeiliche (Zwangs-)Maßnahmen ohne gerichtliche Bewilligung bzw staatsanwaltschaftliche
Anordnung; Verstoß gegen den Grundsatz der Gewaltentrennung durch einfachgesetzliche Anordnung der
gerichtlichen Überprüfung eines Verwaltungsakts
Rechtssatz
Zulässigkeit d er Anträge der UVS Wien und Salzburg sowie des VwGH auf Aufhebung der Wortfolge "oder
Kriminalpolizei" im er sten Satz des §106 Abs1 StPO id F BGBl I 19/2004; Zurückwei sung darüber
hinausgehender Anträge (betr §106 Abs1 Z2) als überschießend.
In allen hier maßgeblichen Anlassverfahren handelt es sich nach dem Antragsvorbringen um ohne Anordnung
der Staatsanwaltschaft und/oder Bewilligung des Gerichts seitens der Kriminalpolizei (zumindest auch) im
Dienste der Strafjustiz durchgeführte (Zwangs-)Maßnahmen.
Der Wortlaut des Art129a Abs1 Z2 B-VG (bzw jener des §67a AVG) hat zwar keine Änderung erfahren;
dennoch ist davon auszugehen, dass das mit dem StrafprozessreformG eingeführte (einheitliche)
Rechtsschutzsystem Auswirkungen auf die - subsidiäre - Zuständigkeit der U nabhängigen Verwaltungssenate im
Fall der Vornahme amts wegiger polizeilicher Zwangsmaßnahmen im Dienste der Strafjustiz entfalten kann.
Daher denkmögliche Anwendung der angefochtenen Bestimmungen durch den UVS Wien.
Aufhebung der Wortfolge "oder Kriminalpolizei" im ersten Satz des §106 Abs1 StPO idF des
StrafprozessreformG BGBl I 19/2004.
Schaffung eines einheitlichen, ausschließlich den Regeln der StPO unterworfenen justiziellen
Ermittlungsverfahrens vorrangiges Ziel des Strafprozessreformgesetzes.
Einfachgesetzlich normierte Überprüfung verwaltungsbehördlicher Akte durch Gerichte ohne
verfassungsrechtliche Grundlage dennoch unzulässig.
Die Vorschrift des §106 Abs1 StPO über das geric htliche Einspruchsrecht hinsichtlich kriminalpolizeilicher
Zwangsakte, die z war im Dienste der Strafjustiz, aber ohne gerichtliche bzw staatsanwaltschaftliche Anordnung
vorgenommen werden, führt zu einer Verletzung des bereits durch den Trennungsgrundsatz des Art94 B-VG
grundgelegten und in den Vorschriften des Siebenten Hauptstückes des B-VG ausgestalte ten
Rechtsschutzsystems der Bundesverfassung, wonach für Akte unmittelbarer Befehls- und Zwangsgewalt der
Verwaltung eine Zuständigkeit der Unabhängigen Verwaltungssenate und der Gerichtshöfe des öffentlichen
Rechts besteht.
Verfassungskonformität der Regelung auch nicht aus dem Anklageprinzip iVm dem historischen Konzept der
Strafprozessordnung ableitbar. Hier relevantes Zusammen wirken von Gericht und Kriminalpolizei kein

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