Rechtssätze nº G287/2022 ua (G287/2022-1.... VfGH. 14-12-2022

ECLIECLI:AT:VFGH:2022:G287.2022
Date14 Diciembre 2022
14.12.2022
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 3
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
14.12.2022
Geschäftszahl
G287/2022 ua (G287/2022-16, G288/2022-14)
Leitsatz
Aufhebung einer Bestimmung des DSG betreffend die Verarbeitung personenbezogener Daten durch
Medienunternehmen oder Mediendienste zu journalistischen Zwecken wegen Verstoßes gegen das
Grundrecht auf Datenschutz; Widerspruch des ab soluten, gänzlichen und undifferenziert en Ausschlusses
der Anwendung einfachgesetzlicher Bestimmungen des DSG sowie näher bez eichneter Kapitel der DS-
GVO mit dem Erfordernis einer gesetzlichen, sachgerechten Abwägung des Interesses am Schutz
personenbezogener Daten; Verhältnis von Datenschutz und Medienfreiheit ist Rechtssetzu ngsaufgabe der
Mitgliedstaaten; Erforderlichkeit von nationalen gesetzlichen Abweichungen oder Ausnahmen für
Datenverarbeitungen zu j ournalistischen Zwecken zum Schutz personenbezogener Daten; Unzulässigkeit
des kategorischen Vorrangs des Medienprivileges sowie der Meinungsäußerungs- und
Informationsfreiheit gegenüber dem Schutz personenbezogener Daten
Rechtssatz
Aufhebung des §9 Abs1 DSG idF BGBl I 24/2018; Fristsetzung: Die Aufhebung tritt mit Abla uf des
30.06.2024 in Kraft. Steht eine Vorschrift in offenkundigem Widerspruch mit unmittelbar anwendbarem
Unionsrecht, ist der Vorrang des Unionsrechts auch im Normenprüfungsverfahren gemä ß Art140 Abs1
Z1 lita B-VG zu beachten und ein Antrag gemäß dieser Verfassungsbestimmung wegen mangelnder
Präjudizialität zurückzuweisen. Ein Verstoß ge gen Unionsrecht ist dann als offenku ndig anzusehen, wenn
er derart offen zutage liegt, dass für vernünftige Zweifel keinerlei Raum b leibt ("acte-clair-Doktrin"). Im
Schrifttum werden erhebliche Zweifel an der Unionsrechtskonformität des §9 Abs1 DSG geäußert. Der
Widerspruch des §9 Abs1 DSG mit Unionsrecht wird dabei im Hinblick auf Art85 Abs2 DSGVO
begründet. Das antragstellende Bundesverwaltungsgericht (BVwG) geht nach Auffassung des VfGH
denkmöglich d avon aus, dass Art85 Abs2 DSGVO jedenfalls nicht der Anwendung des §9 Abs1 DSG
entgegensteht. Das BVwG hat zudem - auf Grund des untrennbaren Zusammenhanges aller
Bestimmungen in §9 Abs1 DSG (vgl B v 26.09.2022, G200/2022 ua) - d ie angefochtene Regelung in den
Anlassverfahren zur Gänze denkmöglich anzuwenden.
Verstoß des §9 Abs1 DSG gegen das Grundrecht auf Datenschutz gemäß §1 Abs1 DSG:
§9 Abs1 DSG ordnet zunächst undifferenziert an, dass "die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes" nicht
anwendbar sind. Dies wird in Teilen der Literatur so verstanden, dass dadurch auch die
Verfassungsbestimmung des §1 DSG (d urch den einfachen Gesetzgeber) als nicht anwendbar erklärt
wird. Eine solche Auslegung verbietet sich, weil der einfache Gesetzgeber die Verfassungsbestimmung
als Maßstab für die Verfassungskonformität des angefochtene n §9 Abs1 DSG nicht auszuschließen
vermag; der VfGH hat vielmehr zu prüfen, ob die angefochtene Bestimmung im Einklang mit der
Verfassung, so auch mit §1 Abs1 DSG, steht.
Das Grundrecht auf Datenschutz gemäß §1 Abs1 DSG gewährleistet jedermann Anspruch auf
Geheimhaltung der ihn betreffenden personenbezo genen Daten, soweit er daran ein schutzwürdiges
Interesse, insbesondere im Hinblick auf die Achtung des Privatlebens, hat. §1 Abs2 DSG enthält hiezu
einen materiellen Gesetzesvorbehalt. Abgesehen von der Verwendung personenbezogener Daten im
lebenswichtigen Interesse des Betroffenen oder mit seiner Zustimmung sind Beschränkungen des
Anspruchs auf Geheimhaltung demnach nur zur Wahrung überwiegender berechtigter Interessen eines
anderen zulässig. Aus §1 Abs1 iVm Abs2 DSG ergibt sich, dass grundsätzlich - sofern n icht die
Zustimmung oder lebenswichtige Interesse n des Betroffenen vorliegen - ei n Eingriff in das Grundrecht

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