Rechtssätze nº UA16/2024. VfGH. 16-05-2024

ECLIECLI:AT:VFGH:2024:UA16.2024
Date16 Mayo 2024
16.05.2024
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 3
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
16.05.2024
Geschäftszahl
UA16/2024
Leitsatz
Verpflichtung des Bundesministers für Finanzen zur Vor lage von konkret bez eichneten Akten und
Unterlagen betreffend eine noch nicht abgeschlossene Steuerprüfung eines Unternehmers an den
COFAG-Untersuchungsausschuss; Vorlageverpflichtung auch für Akten und Unterlagen noch a nhängiger
Verfahren, wenn sie von (potentieller) abstrakter Relevanz für den Untersuchungsgegenstand sind;
Bestehen einer Ausnahme von der Vorlageverpflichtung bei Beeinträchtigung der Willensbildung der
Bundesregierung oder einzelner Mitglieder und bei Verletzung des Gewaltenteilungsgrundsatzes; keine
hinreichende Begründung einer möglichen Beeinträchtigung der Verfahrensführung und des
Verantwortungsbereiches durch das vorlagepflichtige Organ
Rechtssatz
Vorlageverpflichtung trotz bestehenden Ermittlungsverfahrens:
Nach Art53 Abs3 B-VG müssen ua alle Organe des Bundes einem Untersuchungsaussc huss auf
Verlangen im Umfang des Gegenstandes der Untersuchung ihre Akten und Unterlagen vorlegen. Bei der
Beurteilung des Umfanges der Verpflichtung zur Vorlage von Akten und Unterlagen ist zunächst auf die
jeweilige Umschreibung des Gegenstandes der Untersuchung abzustellen. Weder der grundsätzliche
Beweisbeschluss noch ergänzende Be weisanforderungen dürfen den Untersuchungsgegenstand erweitern,
der sich nur auf einen bestimmten abgeschlossenen Vorgang beziehen darf. Ei ne systematische
Interpretation des Art53 B-VG zeigt, dass sic h Vorlageverpflichtungen unter bestimmten
Voraussetzungen auch auf - wie hier - Aktenbestandteile von anhängigen Verfahren bezie hen können:
Wollte man den Umfang der Vorlageverpflichtung dahingehend einschränkend interpretieren, dass nur
Akten und Unterla gen davon erfasst sind, die ihrerseits Bes tandteil von ab geschlossenen Verfahren sind,
könnte dies zu einer Beeinträchtigung des parlamentarischen Kontrollrechts führen.
Zur Beurteilung d er Vorlageverpflichtung gemäß Art53 Abs3 B -VG ist zunächst der konkrete
Untersuchungsgegenstand zugrunde zu legen. Bei Vorhandensein von Akten und Unterlagen, die eine
(potentielle) abstrakte Relevanz für den Untersuchungsgegenstand aufweisen, weil sie als Teil des
abgeschlossenen Vorgangs des Untersuchungsgegenstandes gewertet werden können, sich ihrerseits aber
im Rahmen ei nes laufenden Ermittlungsverfahrens befinden, fällt nicht von vornherein und ausnahmslos
die Vorlageverpflichtung weg.
Akten und Unterlagen, die Informationen enthalten, die von (potentieller) abstrakter Relevanz für den
Untersuchungsgegenstand sind, können vielmehr ihrerseits auch Bestandteile von Verfahren sein, die
nicht abgeschlossen sind. Davon ging ersichtlich auch der Gesetzgeber der VO -UA aus, wenn er in deren
§58 ein Konsultationsverfahren zwischen dem Untersuchungsausschuss und dem Bundesminister für
Justiz vorsieht, das in vielen Fällen gerade laufende, parallel stattfindende Ermittlungstätigkeiten der
Strafverfolgungsbehörden voraussetzt. Vor dem Hinterg rund der Einbringung der Anträge auf
Neufassung des Art53 B-VG einerseits sowie auf Änderung des GOG-NR bzw der VO-UA andererseits
am selben Tag und der Beschlussfassung im Nationalrat an zwei aufeinanderfolgenden Tagen verbietet
sich die Annahme, der Nationalrat habe ein fachgesetzliche Regelungen ohne Bedachtnahme auf die am
Tag davor beschlossene Verfassungsbestimmung erlassen.

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