Bundesgesetz vom 25. Juli 1962 über die Schulorganisation (Schulorganisationsgesetz).

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. HAUPTSTÃœCK.

    Allgemeine Bestimmungen über die Schulorganisation.

    § 1. Geltungsbereich.

    Dieses Bundesgesetz gilt für die allgemeinbildenden und berufsbildenden Pflichtschulen,

    mittleren Schulen und höheren Schulen sowie für die Anstalten der Lehrerbildung und der Erzieherbildung.

    Ausgenommen vom Geltungsbereich dieses Bundesgesetzes sind die land- und forstwirtschaftlichen Schulen.

    § 2. Aufgabe der österreichischen Schule.

    (1) Die österreichische Schule hat die Aufgabe,

    an der Entwicklung der Anlagen der Jugend nach den sittlichen, religiösen und sozialen Werten sowie nach den Werten des Wahren, Guten und Schönen durch einen ihrer Entwicklungsstufe und ihrem Bildungsweg entsprechenden Unterricht mitzuwirken. Sie hat die Jugend mit dem für das Leben und den künftigen Beruf erforderlichen Wissen und Können auszustatten und zum selbsttätigen Bildungserwerb zu erziehen.

    Die jungen Menschen sollen zu gesunden,

    arbeitstüchtigen, pflichttreuen und verantwortungsbewußten Gliedern der Gesellschaft und Bürgern der demokratischen und bundesstaatlichen Republik Österreich herangebildet werden.

    Sie sollen zu selbständigem Urteil und sozialem Verständnis geführt, dem politischen und weltanschaulichen Denken anderer aufgeschlossen sowie befähigt werden, am Wirtschafts- und Kulturleben Österreichs, Europas und der Welt Anteil zu nehmen und in Freiheits- und Friedensliebe an den gemeinsamen Aufgaben der Menschheit mitzuwirken.

    (2) Die besonderen Aufgaben der einzelnen Schularten ergeben sich aus den Bestimmungen des II. Hauptstückes.

    § 3. Gliederung der österreichischen Schulen.

    (1) Das österreichische Schulwesen stellt in seinem Aufbau eine Einheit dar. Seine Gliederung wird durch die Alters- und Reifestufen, die verschiedenen Begabungen und durch die Lebensaufgaben und Berufsziele bestimmt. Der Erwerb höherer Bildung und der Übertritt von einer Schulart in eine andere ist allen hiefür geeigneten Schülern zu ermöglichen.

    (2) Die Schulen gliedern sich a) nach ihrem Bildungsinhalt in:

    1. allgemeinbildende Schulen,

    2. berufsbildende Schulen,

    3. Anstalten der Lehrerbildung und der Erzieherbildung;

    4. nach ihrer Bildungshöhe in:

    5. Pflichtschulen,

    6. mittlere Schulen,

    7. höhere Schulen,

    8. Akademien und verwandte Lehranstalten.

      § 4. Allgemeine Zugänglichkeit der Schulen.

      (1) Die öffentlichen Schulen sind allgemein ohne Unterschied der Geburt, des Geschlechtes,

      der Rasse, des Standes, der Klasse, der Sprache und des Bekenntnisses mit der Maßgabe zugänglich,

      daß Schulen und Klassen eingerichtet werden können, die nur für Knaben oder nur für Mädchen bestimmt sind.

      (2) Die Aufnahme eines Schülers in eine öffentliche Schule darf nur abgelehnt werden,

    9. wenn der Schüler die schulrechtlichen Aufnahmsbedingungen nicht erfüllt;

    10. wenn der Schüler dem für die Schule vorgesehenen Schulsprengel nicht angehört;

    11. wenn für die Schule kein Schulsprengel vorgesehen ist, wegen Überfüllung der Schule.

      (3) Für Privatschulen gelten die Bestimmungen des Abs. 1 mit der Maßgabe, daß an Schulen,

      deren Schulerhalter eine gesetzlich anerkannte Kirche oder Religionsgesellschaft, eine nach deren Recht bestehende Einrichtung oder ein anderer Rechtsträger ist, sofern er nicht öffentlich-

      rechtlichen Charakter hat, die Auswahl der Schüler nach dem Bekenntnis oder nach der Sprache zulässig ist.

      § 5. Schulgeldfreiheit.

      (1) Außer der durch andere gesetzliche Vorschriften vorgesehenen Schulgeldfreiheit an

      öffentlichen Pflichtschulen ist auch der Besuch der sonstigen unter dieses Bundesgesetz fallenden

      öffentlichen Schulen unentgeltlich.

      (2) Die durch gesonderte Vorschriften geregelte oder zu regelnde Einhebung von Prüfungstaxen,

      Lern- und Arbeitsmittelbeiträgen, Unfallversicherungsprämien und eines höchstens kostendeckenden Beitrages für die Unterbringung, Verpflegung und Betreuung in öffentlichen Schülerheimen wird hiedurch nicht berührt. Sonstige Schulgebühren dürfen nicht eingehoben werden.

      § 6. Lehrpläne.

      (1) Das Bundesministerium für Unterricht hat für jede der in diesem Bundesgesetz geregelten Schularten Lehrpläne durch Verordnung festzusetzen.

      Die Landesschulräte sind vor Erlassung solcher Verordnungen zu hören; außerdem kann in diesen Verordnungen vorgesehen werden,

      daß die Landesschulräte im Rahmen der vom Bundesministerium für Unterricht erlassenen Verordnungen zusätzliche Lehrplanbestimmungen nach den örtlichen Erfordernissen auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassen können.

      (2) Die Lehrpläne haben zu enthalten:

    12. Die allgemeinen Bildungsziele, die Bildungs-

      und Lehraufgaben der einzelnen Unterrichtsgegenstände und didaktische Grundsätze;

    13. die Aufteilung des Lehrstoffes auf die einzelnen Schulstufen;

    14. Gesamtstundenzahl und Stundenausmaß

      der einzelnen Unterrichtsgegenstände

      (Stundentafel).

      (3) Welche Unterrichtsgegenstände (Pflichtgegenstände,

      alternative Pflichtgegenstände, relative Pflichtgegenstände, Freigegenstände) in den Lehrplänen vorzusehen sind, wird in den Bestimmungen des II. Hauptstückes für die einzelnen Schularten festgesetzt. Im Lehrplan kann bestimmt werden, daß einzelne der im II. Hauptstück angeführten Pflichtgegenstände als alternative Pflichtgegenstände zu führen sind. Darüber hinaus können in den Lehrplänen auch sonstige Unterrichtsgegenstände als relative Pflichtgegenstände oder als Freigegenstände und unverbindliche Übungen vorgesehen werden.

      (4) Bei der Erlassung der Lehrpläne für den Religionsunterricht ist auf die Bestimmungen des Religionsunterrichtsgesetzes, BGBl. Nr. 190/1949,

      in der Fassung der Novellen BGBl. Nr. 185/

      1957 und BGBl. Nr. 243/1962, Bedacht zu nehmen.

      § 7. Schulversuche.

      (1) Soweit dem Bund die Vollziehung auf dem Gebiete des Schulwesens zukommt, kann das Bundesministerium für Unterricht oder mit dessen Zustimmung der Landesschulrat (Kollegium) zur Erprobung besonderer pädagogischer oder schulorganisatorischer Maßnahmen abweichend von den Bestimmungen des II. .Hauptstückes Schulversuche an öffentlichen Schulen durchführen.

      (2) Soweit bei der Durchführung von Schulversuchen an öffentlichen Pflichtschulen deren

      äußere Organisation berührt wird, bedarf es einer vorherigen Vereinbarung zwischen dem Bund und dem betreffenden Bundesland.

      (3) An Privatschulen mit Öffentlichkeitsrecht bedarf ein vom Schulerhalter beabsichtigter Schulversuch der Bewilligung des Bundesministeriums für Unterricht, um die im Wege des Landesschulrates anzusuchen ist. Die Bewilligung ist zu erteilen,

      wenn die Bestimmungen des Abs. 1 erfüllt werden und der im Abs. 4 angeführte Hundertsatz nicht überschritten wird.

      (4) Die Anzahl der Klassen an öffentlichen Schulen,

      an denen Schulversuche durchgeführt werden,

      darf 5 v. H. der Anzahl der Klassen an öffentlichen Schulen im Bundesgebiet, soweit es sich aber um Pflichtschulklassen handelt, 5 v. H. der Anzahl der Klassen an öffentlichen Pflichtschulen im jeweiligen Bundesland nicht übersteigen. Das gleiche gilt sinngemäß für Privatschulen mit

      Öffentlichkeitsrecht.

      § 8. Begriffsbestimmungen.

      (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes sind zu verstehen:

    15. Unter öffentlichen Schulen jene Schulen, die von gesetzlichen Schulerhaltern (Artikel 14

      1. 6 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 und in der Fassung des Bundesverfassungsgesetzes vom 18. Juli 1962, BGBl. Nr. 215) errichtet und erhalten werden;

    16. unter Privatschulen jene Schulen, die von anderen als den gesetzlichen Schulerhaltern errichtet und erhalten werden und gemäß

      den Bestimmungen des Privatschulgesetzes,

      BGBl. Nr. 244/1962, zur Führung einer gesetzlich geregelten Schulartbezeichnung berechtigt sind;

    17. unter Pflichtgegenständen jene Unterrichtsgegenstände,

      deren Besuch für alle in die betreffende Schule aufgenommenen Schüler verpflichtend ist, sofern sie nicht vom Besuch befreit oder im Falle des Religionsunterrichtes auf Grund der Bestimmungen des Religionsunterrichtsgesetzes vom Besuch abgemeldet worden sind;

    18. unter alternativen Pflichtgegenständen jene Unterrichtsgegenstände, deren Besuch zur Wahl gestellt wird, wobei einer von mehreren Unterrichtsgegenständen gewählt werden kann und der gewählte Unterrichtsgegenstand wie ein Pflichtgegenstand gewertet wird;

    19. unter relativen Pflichtgegenständen jene Unterrichtsgegenstände, deren Besuch zwar frei gewählt werden kann, die jedoch im

      übrigen wie Pflichtgegenstände gewertet werden;

    20. unter Freigegenständen jene Unterrichtsgegenstände und unter unverbindlichen

      Ãœbungen jene Unterrichtsveranstaltungen,

      zu deren Besuch eine Anmeldung zu Beginn des Schuljahres erforderlich ist und die nicht wie Pflichtgegenstände gewertet werden.

      (2) In den Fällen des Abs. 1 lit. d, e und f hat die Wahl oder Anmeldung durch die Erziehungsberechtigten des Schülers, wenn dieser aber voll handlungsfähig ist, durch ihn selbst zu erfolgen.

  2. HAUPTSTÃœCK.

    Besondere Bestimmungen über die Schulorganisation.

    TEIL A.

    Allgemeinbildende Schulen.

    Abschnitt I.

    Allgemeinbildende Pflichtschulen.

    1. Volksschulen.

      1. Unmittelbar anzuwendendes Bundesrecht.

        § 9. Aufgabe der Volksschule.

        Die Volksschule hat den Schülern eine grundlegende Allgemeinbildung zu vermitteln und sie für das praktische Leben und für den Übertritt in weiterführende Schulen vorzubereiten. Sie hat in den ersten vier Schulstufen (Grundschule) eine für alle Schüler gemeinsame Elementarbildung, in der 5. bis 8. Schulstufe (Oberstufe) eine erweiterte Bildung und in der Ausbauform der Volksschuloberstufe

        (Ausbauvolksschule) eine den örtlichen Gegebenheiten entsprechende ergänzende Bildung zu vermitteln.

        § 10. Lehrplan der Volksschule.

        (1) Im Lehrplan (§ 6) der Volksschule sind als Pflichtgegenstände vorzusehen: Religion, Lesen,

        Schreiben, Deutsch, Sachunterricht (Heimat- und Naturkunde, in der Oberstufe Geschichte und Sozialkunde, Geographie und Wirtschaftskunde,

        Naturgeschichte und Naturlehre), Rechnen und Raumlehre, Musikerziehung...

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