Bundesgesetz über die Zusammenarbeit mit den internationalen Gerichten

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. TEIL Allgemeine Bestimmungen Internationales Gericht

    § 1. Der Begriff „Internationales Gericht“ im Sinne dieses Bundesgesetzes bezeichnet 1. das durch die Resolution 827 (1993) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 25. Mai 1993, BGBl. Nr. 37/1995, errichtete Internationale Gericht für das ehemalige Jugoslawien und 2. das durch die Resolution 955 (1994) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen vom 8. November 1994 errichtete Internationale Gericht für Ruanda,

    einschließlich der jeweils nach dem Statut eingerichteten Kammern und Anklagebehörden und der Mitglieder dieser Kammern und Anklagebehörden.

    Allgemeiner Grundsatz

    § 2. (1) Die österreichischen Behörden, insbesondere die Gerichte, Staatsanwaltschaften, Strafvollstreckungsbehörden und Sicherheitsbehörden, sind verpflichtet, mit dem Internationalen Gericht nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes und nach Maßgabe der Resolutionen des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen sowie des Statuts und der Verfahrensordnung des Internationalen Gerichtes umfassend zusammenzuarbeiten. Diese Verpflichtung zur Zusammenarbeit besteht insbesondere darin, dem Internationalen Gericht in Österreich vorhandene Informationen und Unterlagen über den Verdacht von Verstößen, die in seine Zuständigkeit fallen, zugänglich zu machen, ihm Rechtshilfe zu leisten sowie Beschuldigte zu überstellen und Verurteilte zum Strafvollzug zu übernehmen.

    (2) Soweit sich aus diesem Bundesgesetz nichts anderes ergibt, finden das Auslieferungs- und Rechtshilfegesetz (ARHG) und die Strafprozeßordnung 1975 (StPO) sinngemäß Anwendung.

    Zuständigkeit des Internationalen Gerichtes

    § 3. (1) Das Internationale Gericht nach § 1 Z 1 ist für die Verfolgung und Bestrafung von Personen zuständig, denen schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zur Last liegen, die seit dem 1. Jänner 1991 im Hoheitsgebiet der ehemaligen Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien, einschließlich ihres Luftraums und ihres Küstenmeers, begangen wurden.

    (2) Das Internationale Gericht nach § 1 Z 2 ist für die Verfolgung und Bestrafung von Personen zuständig,

    denen im Hoheitsgebiet von Ruanda einschließlich des Luftraums begangene Akte des Völkermords und andere schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht zur Last liegen, sowie für die Verfolgung und Bestrafung von ruandischen Staatsangehörigen, denen solche im Hoheitsgebiet der Nachbarstaaten Ruandas begangene Akte und Verstöße zur Last liegen. Die Zuständigkeit besteht für Handlungen, die zwischen dem 1. Jänner 1994 und dem 31. Dezember 1994 begangen wurden.

    (3) Als schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die vom Internationalen Gericht nach

    § 1 Z 1 zu verfolgen sind, gelten die in den Artikeln 2 bis 5 des Statuts dieses Gerichtes umschriebenen schweren Verletzungen der Genfer Abkommen vom 12. August 1949, BGBl. Nr. 155/1953, Verstöße gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit.

    (4) Als schwere Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, die vom Internationalen Gericht nach

    § 1 Z 2 zu verfolgen sind, gelten die in den Artikeln 3 und 4 des Statuts dieses Gerichtes umschriebenen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Verletzungen nach Artikel 3 des Genfer Abkommens vom 12. August 1949 über den Schutz der Opfer des Krieges, BGBl. Nr. 155/1953, in der Fassung des Zusatzprotokolls II vom 8. Juni 1977, BGBl. Nr. 527/1982.

    Österreichische Gerichtsbarkeit

    § 4. (1) Die Zuständigkeit der österreichischen Gerichte wird durch die Zuständigkeit des Internationalen Gerichtes nicht ausgeschlossen.

    (2) Die österreichische Gerichtsbarkeit entfällt jedoch für Handlungen, derentwegen der Verdächtige vom Internationalen Gericht rechtskräftig verurteilt oder freigesprochen wurde.

    (3) Liegt ein förmliches Ersuchen des Internationalen Gerichtes um Überlassung der Strafverfolgung wegen strafbarer Handlungen vor, die in seine Zuständigkeit fallen, so hat das österreichische Gericht alle zur Sicherung der Person und der Beweise erforderlichen Veranlassungen zu treffen und sodann das Verfahren vorläufig einzustellen und dem Bundesministerium für Justiz eine vollständige Aktenablichtung zum Zweck der Weiterleitung an das Internationale Gericht vorzulegen. Werden Beweisgegenstände angeschlossen, so ist anzuführen, ob auf deren Rückgabe verzichtet wird.

    (4) Das österreichische Strafverfahren ist nach endgültiger Entscheidung durch das Internationale Gericht einzustellen. Das Verfahren ist jedoch auf Antrag der Staatsanwaltschaft mit Beschluß fortzusetzen,

    wenn 1. der Ankläger beim Internationalen Gericht beschließt, keine Anklage zu erheben, oder von der Anklage zurücktritt,

  2. das Internationale Gericht die Anklage nach Prüfung zurückweist oder 3. das Internationale Gericht seine Unzuständigkeit feststellt.

    Überstellung österreichischer Staatsbürger

    § 5. (Verfassungsbestimmung) Die österreichische Staatsbürgerschaft steht einer Überstellung an das Internationale Gericht nach § 16 oder einer Durchbeförderung nach § 18 nicht entgegen. Dies gilt auch für die Überstellung an einen anderen Staat zur Vollstreckung einer vom Internationalen Gericht verhängten Strafe.

    Verkehr mit dem Internationalen Gericht

    § 6. (1) Der Verkehr mit dem Internationalen Gericht findet grundsätzlich unter Vermittlung des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten statt. Erledigungsakte sind auch dann unter Vermittlung des Bundesministeriums für auswärtige Angelegenheiten dem Internationalen Gericht zu übermitteln,

    wenn die Ersuchschreiben des Internationalen Gerichtes den österreichischen Gerichts- oder Verwaltungsbehörden auf anderem Weg zugekommen sind.

    (2) Die Gerichte und Staatsanwaltschaften haben an das Internationale Gericht gerichtete Ersuchschreiben und Mitteilungen sowie die Erledigungsakten dem Bundesministerium für Justiz zur Weiterleitung zu übermitteln.

    (3) In dringenden Fällen und im Rahmen kriminalpolizeilicher Amtshilfe ist der unmittelbare Verkehr der österreichischen Behörden mit dem Internationalen Gericht oder der Verkehr im Weg der Internationalen...

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