Bundesgesetz vom 7. September 1955, womit Bestimmungen über das Wehrwesen erlassen werden (Wehrgesetz).

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. Allgemeines.

    § 1. Wehrsystem.

    (1) Jeder männliche österreichische Staatsbürger ist nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes wehrpflichtig.

    (2) Das Bundesheer als die bewaffnete Macht der Republik Österreich wird auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht gebildet und ergänzt.

    (3) Das Bundesheer (Präsenzstand) setzt sich zusammen a) aus den Wehrpflichtigen, die zum Präsenzdienst einberufen sind,

    1. aus den Wehrpflichtigen, die sich freiwillig zu einer längeren als der gesetzlich festgelegten Präsenzdienstzeit verpflichten, und c) aus Berufsoffizieren.

      (4) Die Angehörigen des Bundesheeres (Soldaten)

      sind Offiziere, Unteroffiziere, Chargen und Soldaten ohne Chargengrad (Wehrmänner).

      Die Offiziere sind Berufs- oder Reserveoffiziere,

      Unteroffiziere sind zeitverpflichtete oder Reserve-

      Unteroffiziere, Chargen sind Wehrpflichtige,

      die sich im Präsenzstand befinden, zeitverpflichtete oder Reserve-Chargen, Wehrmänner sind Wehrmänner des Präsenzstandes, zeitverpflichtete und Wehrmänner des Reservestandes.

      (5) Der Stand an Chargen wird aus dem Stand entsprechend ausgebildeter Soldaten ohne Chargengrad,

      der Stand an Unteroffizieren aus entsprechend ausgebildeten Chargen und der Stand an Offizieren aus entsprechend ausgebildeten Unteroffizieren gebildet und ergänzt.

      (6) Den Zwecken des Bundesheeres dient die Heeresverwaltung. Die Angehörigen der Heeresverwaltung sind Beamte und Vertragsbedienstete.

      § 2. Zweck des Bundesheeres.

      (1) Das Bundesheer ist bestimmt:

    2. zum Schutz der Grenzen der Republik,

    3. zum Schutz der verfassungsmäßigen Einrichtungen sowie zur Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren überhaupt und c) zur Hilfeleistung bei Elementarereignissen und Unglücksfällen außergewöhnlichen Umfanges;

      in den Fällen der lit. b und c insoweit, als die gesetzmäßige bürgerliche Gewalt die Mitwirkung des Bundesheeres in Anspruch nimmt.

      (2) Die Behörden und Organe des Bundes, der Länder und Gemeinden sind innerhalb ihres Wirkungsbereiches berechtigt, die Mitwirkung des Bundesheeres zu den im Abs. 1 lit. b und c genannten Zwecken unmittelbar in Anspruch zu nehmen.

      (3) Selbständiges militärisches Einschreiten zu den im Abs. 1 lit. b und c genannten Zwecken ist nur zulässig, wenn entweder die zuständigen Behörden durch höhere Gewalt außerstande gesetzt sind, das militärische Einschreiten herbeizuführen,

      und bei weiterem Zuwarten eine Gefährdung der verfassungsmäßigen Einrichtungen oder ein nicht wieder gutzumachender Schaden für die Allgemeinheit eintreten würde oder wenn es sich um die Zurückweisung eines tätlichen Angriffes oder um die Beseitigung eines gewalttätigen Widerstandes handelt, die gegen eine Abteilung des Bundesheeres gerichtet sind.

      § 3. Oberbefehl und Verfügungsrecht

      über das Bundesheer.

      (1) Den Oberbefehl über das Bundesheer führt der Bundespräsident.

      (2) Soweit nicht nach den folgenden Bestimmungen der Bundespräsident über das Bundesheer verfügt, steht die Verfügung dem zuständigen Bundesminister innerhalb der ihm von der Bundesregierung erteilten Ermächtigung zu.

      § 4. Ausübung der Befehlsgewalt und Verantwortlichkeit.

      (1) Der zuständige Bundesminister übt die Befehlsgewalt

      über die Kommandos, Truppen, Behörden,

      militärischen Dienststellen und Heeresanstalten grundsätzlich durch deren Kommandanten oder Vorstände aus, die ihm für ihre Tätigkeit im Wege ihrer Vorgesetzten verantwortlich sind.

      (2) Die militärische Führung und die Leitung der Ausbildung obliegen nach den Weisungen des zuständigen Bundesministers den Kommandanten.

      § 5. Landesverteidigungsrat.

      (1) Beim Bundeskanzleramt wird ein Landesverteidigungsrat errichtet. Dem Landesverteidigungsrat gehören der Bundeskanzler, der Vizekanzler,

      der zuständige Bundesminister, die jeweils zur Beratung des sachlich beteiligten Bundesministeriums heranzuziehenden Bundesminister

      (Staatssekretäre), der Leiter des Amtes für Landesverteidigung im Bundeskanzleramt, der Generaltruppeninspektor und zwei Vertreter der im Hauptausschuß des Nationalrates vertretenen politischen Parteien, die von diesen Parteien im Verhältnis ihrer Vertretung im Hauptausschuß

      des Nationalrates zu entsenden sind, an. Der Vorsitz und die Einberufung des Landesverteidigungsrates obliegt dem Bundeskanzler.

      (2) Der Landesverteidigungsrat kann nach Bedarf Sachverständige zur Beratung besonderer Fragen heranziehen.

      (3) Der Landesverteidigungsrat ist in Fragen militärischer Angelegenheiten zu hören, die nach Ansicht des Bundeskanzlers (des Vizekanzlers,

      des zuständigen Bundesministers) von grundsätzlicher Bedeutung sind, sowie in solchen Angelegenheiten,

      die über die Zuständigkeit des Bundeskanzleramtes

      (zuständigen Bundesministeriums)

      hinausgehen.

      (4) Dem Landesverteidigungsrat- obliegt ferner die Ausarbeitung von Empfehlungen für Maßnahmen in militärischen Angelegenheiten.

      (5) Dem Landesverteidigungsrat als ganzem steht das Besuchsrecht bei allen Truppen, Stäben,

      Schulen, Anstalten und sonstigen Einrichtungen des Bundesheeres zu.

      (6) Die Geschäftsordnung des Landesverteidigungsrates erläßt die Bundesregierung durch Verordnung,

      die der Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates bedarf.

      § 6. Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten.

      (1) Beim zuständigen Bundesministerium wird eine Beschwerdekommission in militärischen Angelegenheiten eingerichtet. Der Beschwerdekommission gehören der zuständige Bundesminister als Vorsitzender und vier Vertreter der im Hauptausschuß des Nationalrates vertretenen politischen Parteien an. Die Vertreter der politischen Parteien sind von diesen nach dem Verhältnis ihrer Vertretung im Hauptausschuß des Nationalrates zu entsenden.

      (2) Die Beschwerdekommission hat allfällige unmittelbar oder mittelbar eingebrachte Beschwerden der Wehrpflichtigen entgegenzunehmen,

      zu prüfen und über ihre Erledigung Empfehlungen zu beschließen.

      (3) Die Beschwerdekommission hat sich eine Geschäftsordnung zu geben.

      § 7. Ernennung der Offiziere.

      (1) Gemäß Art. 65 Abs. 2 lit. a des Bundes-

      Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 ernennt der Bundespräsident die Berufsoffiziere.

      Gemäß Art. 66 Abs. 1 des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 kann der Bundespräsident das Recht der Ernennung von Berufsoffizieren bestimmter Dienstgrade übertragen.

      (2) Dem Bundespräsidenten steht ferner die Befugnis zu, Wehrpflichtige zu Reserveoffizieren zu ernennen. Er kann dieses Recht der Ernennung für bestimmte Kategorien von Reserveoffizieren dem zuständigen Bundesminister übertragen.

      § 8. Beförderung von Chargen und Unteroffizieren.

      Die Beförderung zu Chargen obliegt dem Truppenkommandanten; die Beförderung zu Unteroffizieren dem zuständigen Bundesminister.

      Dies gilt auch für Chargen und Unteroffiziere der Reserve.

      § 9. Verleihung von Kommandostellen.

      Die höheren Kommandanten bis zum Abteilungskommandanten einschließlich werden vom zuständigen Bundesminister, die Unterabteilungskommandanten von den Truppenkommandanten bestellt.

      § 10. Zeitverpflichtete Soldaten.

      Soldaten, die über die im § 28 Abs. 4 genannte Zeit hinaus Präsenzdienst leisten (§ 28 Abs. 5),

      können auf Grund freiwilliger Meldung auf Zeit verpflichtet werden (zeitverpflichtete Soldaten).

      Die Höchstdauer der Zeitverpflichtung beträgt neun Jahre.

      § 11. Reserve.

      Die Reserve umfaßt alle Wehrpflichtigen, sofern sie nicht dem Präsenzstand angehören, auf die Dauer der gesetzlichen Wehrpflicht. Wehrpflichtige der Reserve werden Angehörige des Präsenzstandes vom Tage, für den sie einberufen sind, bis zum Tage ihrer Entlassung aus dem Präsenzdienst (Rückversetzung in die Reserve).

      § 12. Dienstvorschriften.

      Die allgemeinen Dienstvorschriften werden von der Bundesregierung mit Zustimmung des Hauptausschusses des Nationalrates erlassen.

      § 13. Heeresorganisation, Bewaffnung,

      Garnisonierung, Benennung und Adjustierung der Truppen.

      (1) Grundsätzliche Fragen der Heeresorganisation,

      der Bewaffnung, der Garnisonierung und der Benennung der Truppen bestimmt die Bundesregierung.

      Im übrigen ist hiefür und für die Adjustierung der Truppen das zuständige Bundesministerium berufen.

      (2) Die Garnisonierung richtet sich nach den Erfordernissen der Landesverteidigung.

  2. Wehrpflicht.

    A. Allgemeine Bestimmungen, Organisation des Ergänzungswesens.

    § 14. Aufnahmebedingungen.

    (1) In das Bundesheer dürfen nur österreichische Staatsbürger männlichen Geschlechtes mit voller geistiger und körperlicher Eignung aufgenommen werden.

    (2) Bei vorzeitiger freiwilliger Ableistung des Präsenzdienstes sind Vollendung des 17. Lebensjahres und lediger Stand Voraussetzung für die Einberufung.

    § 15. Dauer und Art der Wehrpflicht.

    (1) Alle österreichischen Staatsbürger männlichen Geschlechtes, die das 18. Lebensjahr vollendet und das 51. Lebensjahr noch nicht erreicht haben, sind wehrpflichtig. Offiziere und technische Spezialkräfte können in Fällen des

    § 2 auch über dieses Alter hinaus zur Dienstleistung herangezogen werden. Die Altersgrenze der Berufsoffiziere als öffentlich-rechtlicher Bediensteter wird dadurch nicht berührt.

    (2) Die Wehrpflicht umfaßt die Stellungspflicht,

    die Pflicht zur Dienstleistung im Präsenzstand und die Pflicht zu Meldungen zu Zwecken der Standesevidenzkontrolle.

    § 16. Pflichten aller Wehrpflichtigen.

    (1) Wehrpflichtige Personen haben bei jeder Anmeldung für eine Unterkunftsdauer von mehr als zwei Monaten im Sinne des Meldegesetzes 1954, BGBl. Nr. 175, einen zusätzlichen Meldezettel auszufüllen.

    (2) Wenn militärische Rücksichten es erfordern,

    kann durch Verordnung bestimmt werden,

    daß Angehörige wehrpflichtiger Jahrgänge zum Verlassen des Bundesgebietes einer Bewilligung des zuständigen Ergänzungskommandos bedürfen.

    § 17. Ergänzungsbereiche, Stellungsbezirke,

    Stellungsorte.

    (1) Für die Erfassung und Einberufung der Wehrpflichtigen wird das Bundesgebiet in Ergänzungsbereiche eingeteilt. Die...

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