Bundesgesetz vom 6. März 1974, mit dem Bestimmungen über den Zivildienst erlassen werden (Zivildienstgesetz)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Abschnitt I Allgemeine Grundsätze

§ 1. (Verfassungsbestimmung) Die Erlassung und Aufhebung von Vorschriften, wie sie in diesem Bundesgesetz enthalten sind, sowie die Vollziehung dieser Vorschriften sind auch in den Belangen Bundessache, hinsichtlich derer das Bundes-Verfassungsgesetz in der Fassung von 1929 etwas anderes besagt.

§ 2. (1) (Verfassungsbestimmung) Wehrpflichtige im Sinne des Wehrgesetzes, BGBl. Nr. 181/

1955, sind auf ihren Antrag von der Wehrpflicht zu befreien, wenn sie es — von den Fällen der persönlichen Notwehr oder Nothilfe abgesehen

— aus schwerwiegenden, glaubhaften Gewissensgründen ablehnen, Waffengewalt gegen andere Menschen anzuwenden und daher bei Leistung des Wehrdienstes in schwere Gewissensnot geraten würden; sie sind zivildienstpflichtig.

(2) Der Zivildienst gliedert sich in den ordentlichen Zivildienst (Abschnitt III) und in den außerordentlichen Zivildienst (Abschnitt IV); er ist außerhalb des Bundesheeres zu leisten.

§ 3. (1) Der Zivildienstpflichtige ist zu Dienstleistungen heranzuziehen, die dem allgemeinen Besten dienen und den Zivildienstpflichtigen ähnlich wie der Wehrdienst den Wehrpflichtigen belasten;

sie dürfen nicht in der Anwendung von Gewalt gegen andere Menschen bestehen.

(2) Diese Dienstleistungen sollen insbesondere auf folgenden Gebieten erbracht werden:

Dienst in Krankenanstalten Rettungswesen Einsätze bei Epidemien Sozialhilfe Katastrophenhilfe und Zivilschutz Regulierung und Instandhaltung von Gewässern Wildbachverbauung Lawinenverbauung Bau, Erhaltung und Reinigung von Straßen Meliorationen Pflege und Schutz des Waldes Abfallbeseitigung Vermarkung der Bundesgrenze.

§ 4. (1) Der Zivildienst ist in Einrichtungen zu leisten, die auf Antrag ihres Rechtsträgers vom Landeshauptmann durch Bescheid als geeignete Träger des Zivildienstes anerkannt sind.

(2) In Betracht kommen Einrichtungen 1. des Bundes, der Länder, der Gemeinden und Gemeindeverbände,

2. sonstiger öffentlich-rechtlicher Körperschaften oder 3. sonstiger juristischer Personen, die nicht auf Gewinn berechnet sind und ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz im Inland haben.

(3) Geeignet ist eine Einrichtung, wenn 1. sie überwiegend einer Tätigkeit im Sinne des § 3 dient und 2. die Einrichtung eine dem Wesen des Zivildienstes entsprechende Einschulung, Beschäftigung,

Leitung und Betreuung der Zivildienstpflichtigen gewährleistet.

(4) Die Anerkennung nach. Abs. 1 ist vom Landeshauptmann zu widerrufen, wenn 1. dies der Rechtsträger der Einrichtung beantragt,

2. die Einrichtung den in den Abs. 2 und 3

festgelegten Voraussetzungen nicht mehr entspricht oder 3. der Rechtsträger der Einrichtung die ihm nach Abschnitt VI obliegenden Pflichten nicht erfüllt.

(5) Die örtliche Zuständigkeit des Landeshauptmannes richtet sich nach dem Sitz der Einrichtung. Der Landeshauptmann hat vor Erlassung der Bescheide nach Abs. 1 und 4 ein Gutachten der Zivildienstkommission (Abschnitt VII) einzuholen. Langt dieses Gutachten nicht binnen sechs Wochen ab dem Zeitpunkt seiner Anforderung beim Landeshauptmann ein,

so ist dieser berechtigt, seine Entscheidung zu treffen, ohne das Gutachten abzuwarten.

(6) Der Bundesminister für Inneres hat innerhalb der ersten drei Monate jeden Jahres im

„Amtsblatt zur Wiener Zeitung" ein Verzeichnis aller als geeignete Träger des Zivildienstes anerkannten Einrichtungen zu veröffentlichen.

Abschnitt II Befreiung von der Wehrpflicht

§ 5. (1) Der Wehrpflichtige, der „tauglich"

zum Wehrdienst im Sinne des Wehrgesetzes befunden wurde, kann aus den im § 2 genannten Gründen seine Befreiung von der Wehrpflicht beantragen. Der Antrag ist beim zuständigen Militärkommando oder im Stellungsverfahren bei der Stellungskommission schriftlich einzubringen oder mündlich zu Protokoll zu geben.

Das Antragsrecht erlischt jedenfalls nach Ablauf von zehn Tagen nach Zustellung des Einberufungsbefehls oder nach allgemeiner Bekanntmachung der Einberufung zum Grundwehrdienst.

(2) Die örtliche Zuständigkeit des Militärkommandos richtet sich nach dem Wohnsitz des Antragstellers im Inland. In Ermangelung eines solchen Wohnsitzes ist das Militärkommando Wien zuständig.

(3) Der Wehrpflichtige hat in seinem Antrag die nach § 2 maßgebenden Gründe darzulegen und sich ausdrücklich bereit zu erklären, für den Fall, daß seinem Antrag stattgegeben wird,

Zivildienst zu leisten und die Zivildienstpflichten gewissenhaft zu erfüllen.

(4) Das Militärkommando oder im Stellungsverfahren die Stellungskommission hat innerhalb einer Woche den Antrag an die Zivildienstkommission unter Bekanntgabe des Beschlusses

über die Eignung zum Wehrdienst weiterzuleiten.

§ 6. (1) Über den Antrag nach § 5 Abs. 1 hat die Zivildienstkommission zu entscheiden. Ihre Entscheidungen sind vom Bundesministerium für Inneres unverzüglich dem zuständigen Militärkommando (§ 5 Abs. 2) bekanntzugeben.

(2) Der Antragsteller hat die vorgebrachten Gewissensgründe glaubhaft zu machen. Die Zivildienstkommission hat bei der Würdigung dieser Gründe insbesondere auch auf das bisherige Verhalten des Antragstellers Bedacht zu nehmen.

(3) Der Antragsteller kann dem Verfahren eine Person seines Vertrauens beiziehen; sie darf diese Tätigkeit nicht gewerbsmäßig ausüben.

(4) Wird der Antrag vor der Zustellung des Einberufungsbefehles oder vor der allgemeinen Bekanntmachung der Einberufung zum Grundwehrdienst eingebracht, so hat die Zivildienstkommission binnen dreier Monate nach Einbringung des Antrages zu entscheiden. Wird der Antragsteller jedoch innerhalb dieser Frist durch Einberufungsbefehl oder durch allgemeine Bekanntmachung zum Grundwehrdienst einberufen,

so hat er davon der Zivildienstkommission schriftlich oder mündlich innerhalb von zehn Tagen ab Zustellung des Einberufungsbefehles oder ab der allgemeinen Bekanntmachung der Einberufung Mitteilung zu machen. Vom Zeitpunkt dieser Benachrichtigung an finden die Bestimmungen des Abs. 5 Anwendung.

(5) Wird der Antrag erst nach Zustellung des Einberufungsbefehles bzw. nach der allgemeinen Bekanntmachung der Einberufung eingebracht oder wird die Zivildienstkommission gemäß

Abs. 4 von der erfolgten Einberufung benachrichtigt,

so hat die Zivildienstkommission spätestens innerhalb von vierzehn Tagen ab jenem Zeitpunkt zu entscheiden, an dem das Recht auf Antragstellung (§ 5 Abs. 1) oder auf Benachrichtigung

(§ 6 Abs. 4) erlischt. Ist die Entscheidung der Zivildienstkommission dem Antragsteller nicht längstens bis zum dritten Tag vor dem Beginn des Grundwehrdienstes zugestellt worden, so ist die Leistung des Grundwehrdienstes bis zur nächstfolgenden Einberufung aufgeschoben.

(6) Die Bezirksverwaltungsbehörden haben

über Ersuchen der Zivildienstkommission mittelbare Beweisaufnahmen und Erhebungen (§ 55

Abs. 1 AVG 1950) durchzuführen, soweit dies für die Entscheidung nach Abs. 1 erforderlich ist.

(7) Alle Behörden und Ämter haben der Zivildienstkommission die von ihr verlangten, für die Entscheidung nach Abs. 1 erforderlichen Auskünfte zu erteilen, soweit nicht andere Rechtsvorschriften des Bundes eine Beschränkung der Auskunftspflicht vorsehen.

Abschnitt III Ordentlicher Zivildienst

§ 7. (1) Zum ordentlichen Zivildienst sind alle Zivildienstpflichtigen verpflichtet, die das 35. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(2) Der ordentliche Zivildienst dauert acht Monate und ist, von den im § 12 Abs. 2, § 13

Abs. 1 bis 3, § 16 und § 19 Abs. 2 geregelten Ausnahmefällen abgesehen, ohne Unterbrechung zu leisten.

§ 8. (1) Der Zivildienstpflichtige ist vom Bundesminister für Inneres einer gemäß § 4 anerkannten Einrichtung zur Leistung des ordentlichen Zivildienstes durch Bescheid zuzuweisen.

(2) Der Zuweisungsbescheid ist spätestens vier Wochen vor dem Tag des vorgesehenen Dienstantrittes zuzustellen, sofern dies mit dem Zweck des Einsatzes vereinbar ist.

(3) Zivildienstpflichtige dürfen der Einrichtung in keiner größeren Anzahl zugewiesen werden,

als der Rechtsträger beantragt. Handelt es sich bei dem Rechtsträger um eine Gemeinde, so fällt die Antragstellung in deren eigenen Wirkungsbereich.

(4) Einrichtungen, die von einem Streik oder einer Aussperrung betroffen sind, dürfen keine Zivildienstpflichtigen zugewiesen werden.

(5) Bei der Zuweisung ist darauf Bedacht zu nehmen, daß dadurch nicht bestehende Arbeitsplätze gefährdet werden oder Arbeitssuchenden das Finden geeigneter Arbeitsplätze erschwert wird.

§ 9. (1) Die Verpflichtung ist zu einer Dienstleistung auszusprechen, die den Fähigkeiten des Zivildienstpflichtigen soweit wie möglich entspricht.

Über die körperliche Eignung ist im Zweifelsfall ein Gutachten des Amtsarztes derjenigen Bezirksverwaltungsbehörde einzuholen,

in deren Sprengel der Zivildienstpflichtige seinen Wohnsitz, in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthalt hat; ist auch ein Aufenthalt im Inland nicht gegeben, so ist ein Gutachten eines Amtsarztes der Stadt Wien einzuholen.

(2) Der Zivildienstpflichtige darf keiner Einrichtung zugewiesen werden, bei der er im Zeitpunkt der Zuweisung tätig ist oder bei der er die Tätigkeit vor weniger als einem Jahr vor der Zuweisung beendet hat.

(3) Vor der Zuweisung ist dem Zivildienstpflichtigen Gelegenheit zu geben, Wünsche hinsichtlich der Einrichtung vorzubringen. Diese Wünsche sind — soweit Erfordernisse des Zivildienstes nicht entgegenstehen — zu berücksichtigen.

Wenn diesen Wünschen nicht entsprochen werden kann, sind dem Zivildienstpflichtigen zur Dienstleistung — soweit möglich — drei andere Einrichtungen zur Auswahl vorzuschlagen.

(4) Der Landeshauptmann und die Bezirksverwaltungsbehörden haben bei der Vollziehung der Abs. 1 bis 3 mitzuwirken.

§ 10. (1) Beantragt ein Zivildienstpflichtiger vor Erhalt des Zuweisungsbescheides selbst seine Zuweisung zu einer Einrichtung (§ 4) zwecks sofortiger Leistung des ordentlichen Zivildienstes,

so hat der Bundesminister für Inneres ehestmöglich die...

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