ÜBEREINKOMMEN ÜBER DIE GRENZÜBERSCHREITENDEN AUSWIRKUNGEN VON INDUSTRIEUNFÄLLEN

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. Der Abschluss des nachstehenden Staatsvertrages samt Anhängen und Erklärung, welcher verfassungsändernd ist, wird bei Anwesenheit der verfassungsmäßig vorgesehenen Anzahl der Abgeordneten mit Zweidrittelmehrheit genehmigt.

  2. Dieser Staatsvertrag ist im Sinne des Art. 50 Abs. 2 B-VG durch Erlassung von Gesetzen zu erfüllen.

  3. Gemäß Art. 49 Abs. 2 B-VG sind die authentischen Texte des Übereinkommens in französischer und russischer Sprache dadurch kundzumachen, dass sie zur öffentlichen Einsichtnahme im Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft aufgelegt werden.

    (Ãœbersetzung)

    BESCHLOSSEN zu Helsinki am 17. März 1992

    Präambel DIE VERTRAGSPARTEIEN DIESES ÜBEREINKOMMENS –

    IN ANBETRACHT der besonderen Bedeutung, die im Interesse heutiger und künftiger Generationen dem Schutz des Menschen und der Umwelt vor den Auswirkungen von Industrieunfällen zukommt,

    IN DER ERKENNTNIS, daß es wichtig und dringend ist, schwerwiegende nachteilige Auswirkungen von Industrieunfällen auf den Menschen und die Umwelt zu verhüten und alle Maßnahmen zu fördern, die eine sinnvolle, wirtschaftliche und wirksame Anwendung von Verhütungs-, Bereitschafts-

    und Bekämpfungsmaßnahmen ermutigen, um eine umweltverträgliche und nachhaltige Wirtschaftsentwicklung zu ermöglichen,

    UNTER BERÜCKSICHTIGUNG der Tatsache, daß die Auswirkungen von Industrieunfällen über Grenzen hinweg spürbar sein können und zwischen den Staaten Zusammenarbeit erfordern,

    IN BEKRÄFTIGUNG der Notwendigkeit, zwischen den beteiligten Staaten aktive internationale Zusammenarbeit vor, während und nach einem Unfall zu fördern, sachdienliche Leitlinien zu verbessern und auf allen geeigneten Ebenen Maßnahmen zu verstärken und zu koordinieren, um grenzüberschreitende Auswirkungen von Industrieunfällen leichter verhüten, sich darauf vorbereiten und sie leichter bekämpfen zu können,

    EINGEDENK der Bedeutung und Zweckmäßigkeit zweiseitiger und mehrseitiger Regelungen, die dazu dienen, Auswirkungen von Industrieunfällen zu verhüten, sich darauf vorzubereiten und sie zu bekämpfen,

    IM BEWUSSTSEIN der Rolle, welche die Wirtschaftskommission der Vereinten Nationen für Europa (ECE) in dieser Hinsicht spielt, und eingedenk unter anderem des ECE-Verhaltenskodex bei unfallbedingter Verschmutzung grenzüberschreitender Binnengewässer und des Übereinkommens über die Umweltverträglichkeitsprüfung im grenzüberschreitenden Rahmen,

    IM HINBLICK auf die einschlägigen Bestimmungen der Schlußakte der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), das Abschließende Dokument des Wiener Treffens der Vertreter der KSZE-Teilnehmerstaaten, das Ergebnis des Treffens in Sofia zum Thema Umweltschutz der KSZE und die sachbezogenen Tätigkeiten und Mechanismen beim Umweltprogramm der Vereinten Nationen

    (UNEP), insbesondere das APELL-Programm, bei der Internationalen Arbeitsorganisation (IAO), vor allem der Verfahrenskodex zur Verhütung industrieller Großschadensfälle, und bei anderen fachkundigen internationalen Organisationen,

    IN ANBETRACHT der einschlägigen Bestimmungen der Erklärung der Konferenz der Vereinten Nationen über die Umwelt des Menschen, insbesondere des Grundsatzes 21, auf Grund dessen die Staaten nach der Charta der Vereinten Nationen und den Grundsätzen des Völkerrechts das souveräne Recht haben, ihre eigenen Naturschätze gemäß ihrer eigenen Umweltpolitik zu nutzen, sowie die Pflicht, dafür zu sorgen, daß durch Tätigkeiten, die innerhalb ihres Hoheitsbereichs oder unter ihrer Kontrolle ausgeübt werden, der Umwelt in anderen Staaten oder in Gebieten außerhalb der nationalen Hoheitsbereiche kein Schaden zugefügt wird,

    UNTER BERÃœCKSICHTIGUNG des Verursacherprinzips als ein allgemeiner Grundsatz des internationalen Umweltrechts,

    IN BEKRÄFTIGUNG der Grundsätze des Völkerrechts und der internationalen Gepflogenheiten,

    insbesondere der Grundsätze der guten Nachbarschaft, der Gegenseitigkeit, der Nichtdiskriminierung und des guten Glaubens –

    SIND wie folgt ÃœBEREINGEKOMMEN:

    Artikel 1

    Begriffsbestimmungen Im Sinne dieses Übereinkommens a) bedeutet „Industrieunfall“ ein Ereignis, das die Folge einer unkontrollierten Entwicklung im Verlauf einer mit gefährlichen Stoffen verbundenen Tätigkeit ist, und zwar i) entweder in einer Anlage, zum Beispiel bei der Herstellung, Verwendung, Lagerung, dem Umgang oder der Entsorgung, oder ii) während der Beförderung, soweit sie unter Artikel 2 Absatz 2 lit. d fällt;

    1. bedeutet „gefährliche Tätigkeit“ jede Tätigkeit, bei der einzelne oder mehrere gefährliche Stoffe in Mengen vorhanden sind oder sein können, welche mindestens die in Anhang I angegebenen Mengenschwellen erreichen, und die grenzüberschreitende Auswirkungen verursachen kann;

      c)bedeutet „Auswirkungen“ jede durch einen Industrieunfall verursachte unmittelbare oder mittelbare, sofortige oder spätere nachteilige Folge, insbesondere i) für den Menschen, die Tier- und Pflanzenwelt;

    2. für den Boden, das Wasser, die Luft und die Landschaft;

    3. für die Wechselwirkung zwischen den unter den Ziffern i und ii genannten Faktoren iv) für die Sachwerte und das kulturelle Erbe einschließlich historischer Denkmäler;

    4. bedeutet „grenzüberschreitende Auswirkungen“ schwerwiegende Auswirkungen im Hoheitsbereich einer Vertragspartei infolge eines Industrieunfalls im Hoheitsbereich einer anderen Vertragspartei;

    5. bedeutet „Inhaber“ jede natürliche oder juristische Person einschließlich staatlicher Behörden, die für eine Tätigkeit verantwortlich ist, zum Beispiel durch Überwachung, Planung oder Durchführung der Tätigkeit;

    6. bedeutet „Vertragspartei“, soweit sich aus dem Wortlaut nichts anderes ergibt, eine Vertragspartei dieses Übereinkommens;

    7. bedeutet „Ursprungspartei“ die Vertragspartei oder Vertragsparteien, in deren Hoheitsbereich sich ein Industrieunfall ereignet oder ereignen könnte;

    8. bedeutet „betroffene Vertragspartei“ die Vertragspartei oder Vertragsparteien, die von grenzüberschreitenden Auswirkungen eines Industrieunfalls betroffen ist oder sind beziehungsweise betroffen sein kann oder können;

    9. bedeutet „beteiligte Vertragsparteien“ jede Ursprungspartei und jede betroffene Vertragspartei;

    10. bedeutet „Öffentlichkeit“ eine oder mehrere natürliche oder juristische Personen.

      Artikel 2

      Geltungsbereich

      (1) Dieses Übereinkommen findet Anwendung auf die Verhütung von Industrieunfällen, die grenzüberschreitende Auswirkungen haben können, sowie auf die entsprechenden Bereitschafts- und Bekämpfungsmaßnahmen; es gilt auch für Auswirkungen solcher Unfälle, die durch Naturkatastrophen verursacht wurden, sowie auf die internationale Zusammenarbeit bei gegenseitiger Hilfe, bei Forschung und Entwicklung, beim Austausch von Informationen sowie beim Austausch von Technologie im Bereich der Verhütung von Industrieunfällen und der entsprechenden Bereitschafts- und Bekämpfungsmaßnahmen.

      (2) Dieses Übereinkommen findet keine Anwendung auf a) nukleare Unfälle oder strahlungsbedingte Notfälle;

    11. Unfälle in militärischen Einrichtungen;

    12. Dammbrüche, mit Ausnahme der Auswirkungen von Industrieunfällen, die durch  solche Dammbrüche verursacht werden;

    13. Beförderungsunfälle im Landverkehr, mit Ausnahme i) der Bekämpfungsmaßnahmen bei solchen Unfällen;

    14. der Beförderung an dem Standort, an dem die gefährliche Tätigkeit erfolgt;

    15. unfallbedingte Freisetzung genetisch veränderter Organismen;

    16. Unfälle, die durch Tätigkeiten in der Meeresumwelt verursacht werden, einschließlich der Erforschung oder Ausbeutung des Meeresbodens;

    17. das Austreten von Öl oder anderen Schadstoffen auf See.

      Artikel 3

      Allgemeine Bestimmungen

      (1) Die Vertragsparteien ergreifen unter Berücksichtigung der auf nationaler und internationaler Ebene bereits unternommenen Anstrengungen geeignete Maßnahmen zum Schutz des Menschen und der Umwelt vor Industrieunfällen und arbeiten hierzu im Rahmen dieses Übereinkommens zusammen, indem sie solche Unfälle soweit wie möglich verhüten, ihre Häufigkeit und Schwere verringern und ihre Auswirkungen vermindern. Zu diesem Zweck werden Verhütungs-, Bereitschafts- und Bekämpfungsmaßnahmen einschließlich Wiederherstellungsmaßnahmen ergriffen.

      (2) Die Vertragsparteien entwickeln mittels Informationsaustausches, gegenseitiger Beratung und sonstiger Maßnahmen der Zusammenarbeit politische Leitlinien und Strategien und setzen sie unverzüglich um, damit die Gefahren von Industrieunfällen verringert und die Verhütungs-, Bereitschafts-

      und Bekämpfungsmaßnahmen einschließlich Wiederherstellungsmaßnahmen verbessert werden, wobei sie zur Vermeidung unnötiger Doppelarbeit die auf nationaler und internationaler Ebene bereits eingeleiteten Maßnahmen berücksichtigen.

      (3) Die Vertragsparteien sorgen dafür, daß der Inhaber dazu verpflichtet wird, alle zur sicheren Durchführung der gefährlichen Tätigkeit und zur Verhütung von Industrieunfällen notwendigen Maßnahmen zu ergreifen.

      (4) Zur Anwendung dieses Ãœbereinkommens ergreifen die Vertragsparteien geeignete Gesetzgebungs-,

      sonstige Regelungs-, Verwaltungs- und Finanzmaßnahmen, um Industrieunfälle zu verhüten,

      sich darauf vorzubereiten und sie zu bekämpfen.

      (5) Dieses Übereinkommen läßt völkerrechtliche Verpflichtungen der Vertragsparteien in bezug auf Industrieunfälle und gefährliche Tätigkeiten unberührt.

      Artikel 4

      Feststellung gefährlicher Tätigkeiten, Konsultation und Gutachten

      (1) Zu dem Zweck, Verhütungs- und Bereitschaftsmaßnahmen treffen zu können, ergreift die Ursprungspartei geeignete Maßnahmen, um gefährliche Tätigkeiten innerhalb ihres Hoheitsbereichs festzustellen und dadurch zu gewährleisten, daß betroffene Vertragsparteien von jeder derartigen geplanten oder bereits laufenden Tätigkeit benachrichtigt werden.

      (2) Die...

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