Entscheidungs 10Ob50/15y. OGH, 30-07-2015

ECLIECLI:AT:OGH0002:2015:0100OB00050.15Y.0730.000
Date30 Julio 2015
Record NumberJJT_20150730_OGH0002_0100OB00050_15Y0000_000
Judgement Number10Ob50/15y
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm sowie die Hofrätinnen Dr. Fichtenau und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei W***** AG, *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Univ.-Prof. Dr. D***** G*****, vertreten durch Dr. Gernot Murko, Mag. Christian Bauer und Mag. Gerlinde Murko, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 91.631,43 EUR sA, über die Revision (Revisionsinteresse 8.430,05 EUR sA) und den Rekurs (Rekursinteresse 83.201,38 EUR sA) der beklagten Partei gegen das Teilurteil und den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 27. Februar 2015, GZ 2 R 172/14b-31, womit das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 7. August 2014, GZ 20 Cg 84/13z-27, teilweise abgeändert und teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung

1) den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben und der angefochtene Beschluss aufgehoben und

2) zu Recht erkannt:

Der Revision wird Folge gegeben und das angefochtene Teilurteil dahin abgeändert, dass insgesamt die Entscheidung des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.931,36 EUR (darin 488,56 EUR USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens sowie die mit 9.642,45 EUR (darin 471,74 EUR USt und 6.812 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisions- und Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

H***** R***** begehrte mit ihrer am 8. 8. 1996 beim Landesgericht Klagenfurt eingelangten Klage (GZ 23 Cg 179/96i) von der Stadtgemeinde F***** als dortige Beklagte die Zahlung von 101.000 ATS sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für zukünftige Schäden. Sie brachte vor, ihre gesundheitlichen Beeinträchtigungen seien auf eine Bleivergiftung zurückzuführen, deren Ursache mit Blei kontaminiertes Trinkwasser sei, das von der Stadtgemeinde F***** als Trinkwasserversorgungsunternehmen zur Verfügung gestellt worden sei. Direkter Auslöser sei ein in der Hauszuleitung befindliches Bleirohr gewesen, das erst 1994 ausgetauscht worden sei. Das in dem Rohr über Nacht stehende Wasser hätte sich mit Blei gesättigt, sodass sie jeden Tag in der Früh mit Blei kontaminiertes Trinkwasser aufgenommen habe. Es werde Schmerzengeld für bisher erlittene Schmerzen geltend gemacht. Überdies lägen noch nicht abschätzbare Dauerfolgen vor.

In diesem Verfahren wurde der nunmehrige Beklagte als medizinischer Sachverständiger aus dem Fachgebiet der Inneren Medizin bestellt. Er erstattete ein schriftliches Gutachten sowie eine schriftliche Gutachtensergänzung. Nachdem er im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung zusammenfassend zu der gutachterlichen Schlussfolgerung gekommen war, die bei H***** R***** gegebene Kombination der klinischen Symptomatik im Zusammenhalt mit der langjährigen Bleiexposition und der anfänglichen Erhöhung der Bleiausscheidung führe dazu, dass eine Wahrscheinlichkeit von 80 % für eine bis 1997 vorhanden gewesene chronische Bleiintoxikation angegeben werde könne, kündigte der Richter an, dass er der Klage stattgeben werde. Daraufhin erklärte sich die beklagte Stadtgemeinde F***** im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs bereit, den Kapitalbetrag von 101.000 ATS samt Zinsen und Kosten zu überweisen und auf den Einwand der Verjährung bezüglich weiterer Forderungen zu verzichten.

Mit Schriftsatz vom 24. 4. 2001 beantragte H***** R***** die Fortsetzung des Verfahrens, machte weitere Schmerzengeldansprüche sowie weitere Schäden geltend, die sie aus dem Konsum von mit Blei kontaminiertem Wasser herleitete und deren Höhe sie zuletzt mit 144.414,38 EUR sA bezifferte.

Dieses Klagebegehren wies das Landesgericht Klagenfurt - nach mehreren Rechtsgängen - mit Urteil vom 24. 9. 2012 im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass nicht festgestellt werden habe können, dass H***** R***** nach 1997 an auf eine Bleibelastung zurückzuführenden Gesundheitsbeeinträchtigungen gelitten habe. Das Oberlandesgericht Graz als Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Oberste Gerichtshof wies die dagegen gerichtete außerordentliche Revision zurück.

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Haftpflichtversicherer der Stadtgemeinde F***** als Klägerin vom Beklagten die Zahlung von 91.631,43 EUR sA im Wesentlichen mit dem Vorbringen, dieser habe im Vorverfahren als Sachverständiger ein unrichtiges Gutachten erstattet. Bei sorgfältiger Gutachtenserstattung hätte er zu dem Ergebnis kommen müssen, dass bei H***** R***** keine Bleivergiftung vorgelegen habe. Der Beklagte habe sich von der angeblichen Bleiexposition leiten lassen, statt anhand der vorliegenden medizinischen Daten und der eigenen Untersuchung eine Einschätzung vorzunehmen. Bei rechtmäßigem Alternativverhalten hätte er zudem erklären müssen, warum das im Vorverfahren ebenfalls eingeholte Gutachten des umweltmedizinischen Sachverständigen unrichtig gewesen sei, der ebenfalls zu dem Ergebnis gekommen war, dass eine Bleivergiftung vorgelegen habe. Er hafte für die aufgrund dessen von der Klägerin als Haftpflichtversicherer ersetzten bzw für ihre Versicherungsnehmerin geleisteten Beträge an Kapital in Höhe von 7.339,96 EUR und an Kosten von 17.008,52 EUR. Im Vorprozess seien der Stadtgemeinde F***** insgesamt 62.139,52 EUR an Verfahrenskosten zugesprochen worden, die die Klägerin der Stadtgemeinde F***** ersetzt habe und die von H***** R***** bisher nicht einbringlich gemacht werden konnten. Weitere Kosten in Höhe von 5.143,43 EUR seien der Stadtgemeinde F***** nicht zugesprochen worden, weil das Verfahren für sie bis zum Vergleichsabschluss kostenmäßig als verloren gewertet worden sei. Auch für diese Kosten hafte der Beklagte.

Der Beklagte bestritt das Klagebegehren. Sein Gutachten sei richtig. Er habe es entsprechend dem richterlichen Auftrag nach dem damaligen Stand der Wissenschaft erstattet. Es sei damals festgestanden, dass H***** R***** einer langjährigen Bleiexposition ausgesetzt gewesen sei. Im Rahmen einer mehrmaligen Mobilisationsbehandlung und Chelat-Therapie sei dreimal eine erhöhte Bleiausleitung festgestellt worden. Die Kombination der klinischen Symptomatik mit der langjährigen Bleiexposition und der anfänglichen Erhöhung der Bleiausscheidung hätte dazu geführt, dass eine Wahrscheinlichkeit von 80 % für eine chronische Bleivergiftung bis 1997 angegeben habe werden können. Dieses Ergebnis decke sich mit dem Ergebnis des Gutachtens des weiters beigezogenen Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Umweltmedizin. Auch dieser Sachverständige habe ausgeführt, dass bei H***** R***** eine chronische Bleiintoxikation anzunehmen sei. Jedenfalls hafte er nicht dafür, dass die im Vorprozess der Stadtgemeinde F***** zugesprochenen Verfahrenskosten von H***** R***** nicht einbringlich seien.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei ging es im Wesentlichen von folgendem Sachverhalt aus:

Mit Beschluss vom 25. 3. 1997 bestellte das Landesgericht Klagenfurt vorerst den Sachverständigen für das Fachgebiet der Chemie Dr. ***** M***** und beauftragte ihn mit der schriftlichen Gutachtenserstellung über die Bleibelastung des zum Hause der H***** R***** zugeleiteten Wassers in der Zeit bis zum...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT