Entscheidungs 10ObS63/13g. OGH, 23-07-2013

ECLIECLI:AT:OGH0002:2013:010OBS00063.13G.0723.000
Judgement Number10ObS63/13g
Record NumberJJT_20130723_OGH0002_010OBS00063_13G0000_000
Date23 Julio 2013
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hradil als Vorsitzenden, den Hofrat Dr. Fellinger und die Hofrätin Dr. Fichtenau sowie die fachkundigen Laienrichter KR Hermann Furtner (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei J*****, vertreten durch Dr. Herbert Pochieser, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Wiener Gebietskrankenkasse, 1100 Wien, Wienerbergstraße 15-19, vertreten durch Dr. Heinz Edelmann, Rechtsanwalt in Wien, wegen Kostenerstattung, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 11. September 2012, GZ 8 Rs 49/12b-28, womit das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichts Wien vom 21. November 2011, GZ 17 Cgs 120/10a-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger hat die Kosten des Revisionsverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Bescheid vom 26. 4. 2010 lehnte die beklagte Partei den Antrag des Klägers auf Gewährung der Kostenerstattung für die Inanspruchnahme der M***** GmbH (im Folgenden kurz: GmbH) laut Rechnungen vom 2. 10. 2009 und 6. 11. 2009 in Höhe von insgesamt 540 EUR ab. Mit seiner gegen den Bescheid fristgerecht erhobenen „sozialrechtlichen Klage“ begehrt der Kläger, die beklagte Partei schuldig zu erkennen, die Kosten für die Inanspruchnahme der GmbH laut Rechnungen vom 2. 10. 2009 und 6. 11. 2009 in Höhe von insgesamt 540 EUR zu übernehmen. Er leide an multipler Sklerose und habe von seiner behandelnden Fachärztin für Neurologie eine „Freigabe zum Medical-Training“ bei der GmbH ausgestellt erhalten. Nach Erhalt von Bewilligungen der beklagten Partei für physikalische Behandlungen habe er entsprechende Leistungen der GmbH in Anspruch genommen und dafür insgesamt 540 EUR bezahlt. Die Behandlung stelle eine Krankenbehandlung dar und sei medizinisch notwendig und erfolgreich gewesen. Es handle sich um eine Heilbehandlung iSd § 135 Abs 1 Satz 1 ASVG. Jedenfalls sei die Behandlungstätigkeit als physiotherapeutisch und/oder ergotherapeutisch zu qualifizieren. Dem für die GmbH tätigen Team gehörten renommierte Fachärzte für medizinische Unfallchirurgie sowie Sportärzte an. Die Leistungen würden immer „laut Verordnung“, das heißt entsprechend der gegebenen ärztlichen Vorgabe erbracht. Die zuweisenden Ärzte hätten jederzeit die Möglichkeit, die Behandlungen zu kontrollieren und zu beeinflussen. Die beklagte Partei habe es überdies unterlassen, ihn darüber aufzuklären, dass ein Kostenersatz nicht möglich sei.

Die beklagte Partei bestritt das Klagebegehren, beantragte Klageabweisung und wendete - soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich - ein, die GmbH stehe in keinem Vertragsverhältnis zur beklagten Partei und verfüge auch nicht über eine Bewilligung als Krankenanstalt bzw als selbständiges Ambulatorium im Sinne des Wiener Krankenanstaltengesetzes (WrKAG). Im Rahmen der Krankenbehandlung seien der ärztlichen Hilfe zwar die physiotherapeutische Behandlung durch (natürliche) Personen gleichgestellt, die gemäß § 7 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste zur freiberuflichen Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes berechtigt seien. Es habe jedoch keine (natürliche) Person die genannten Leistungen verrechnet, sondern eine - ohne Bewilligung als Krankenanstalt bzw selbständiges Ambulatorium - tätige GmbH, sodass die Kostenerstattung zur Gänze abzulehnen gewesen sei. Eine Verletzung der Manuduktionspflicht liege nicht vor.

Das Erstgericht wies auch im zweiten Rechtsgang die Klage ab.

Es traf im Wesentlichen folgende Feststellungen:

„Beim Kläger ist die Erkrankung multiple Sklerose diagnostiziert. Am 2. 7. 2009 verordnete sein Hausarzt '10 x HG laut Tarif' (HG = Heilgymnastik) und am 9. 10. 2009 '10 x HM' (HM = Heilmassage). Die beiden Verordnungen lauteten auf 'Muskel Balance Training, WS-(Wirbelsäulen-)Gymnastik, funktionelles Krafttraining, Stretching und Entspannungstraining laut Befund'. Auf dem Vordruck der Verordnungen ist als Information für den Patienten angeführt, dass die Namen der Vertragsfachärzte für physikalische Medizin, die Wiener Vertragseinrichtungen für physikalische Medizin und die Namen der Vertragsphysiotherapeuten(innen) aus den beim Vertragsarzt und den Kassendienststellen aufliegenden Merkblättern ersichtlich sind. Es wird ferner darauf hingewiesen, dass die Kosten bei Inanspruchnahme eines(r) Wahlphysiotherapeuten(innen) von der Kasse in der gesetzlich vorgesehenen Höhe nur erstattet werden, wenn eine Berufsberechtigung vorliegt. Die Verordnungen wurden von der beklagten Gebietskrankenkasse am 3. 7. und am 12. 10. 2009 bewilligt. Der Kläger konsumierte die bewilligten Leistungen im September und November 2009 bei der M***** GmbH. Dabei handelt es sich um ein Zentrum für Sporttherapie, das Fitnessberatung und Fitnessleistungen anbietet und auf muskuläre Rehabilitation nach Band-, Muskel- und Gelenksverletzungen spezialisiert ist. Zwischen der GmbH und der beklagten Partei besteht kein Vertragsverhältnis. Die GmbH verfügt auch über keine Bewilligung als Krankenanstalt bzw selbständiges Ambulatorium im Sinne des WrKAG und über keinen ärztlichen Leiter. Es werden Personen aufgrund von ärztlichen Zuweisungen behandelt, in denen die Krankheiten des Patienten und die empfohlenen Behandlungen angegeben sind. Anhand dieser Vorgaben werden die von der GmbH entwickelten speziellen Trainingsmethoden angewandt. Beim Kläger wurde ein isokinetisches Muskelaufbautraining durchgeführt, funktionelle Kräftigung, Stretching, Propriozeptorenschulung und Koordinationstraining. Während der Absolvierung der Einheiten besteht keine Möglichkeit des zuweisenden Arztes, einzuschreiten. Erst nach Absolvierung der Einheiten kann der zuweisende Arzt feststellen, ob ein Erfolg eingetreten ist oder nicht; ein (etwaiger) Fortschritt ist für ihn allein aufgrund des Trainingsergebnisses sichtbar. Auch bei den vom Kläger absolvierten Trainings war der verordnende Arzt nicht eingebunden. Der Geschäftsführer der GmbH ist diplomierter Sportlehrer. Die weiteren Mitarbeiter der 'Medical-Abteilung', in der der Kläger behandelt wurde, verfügen ebenfalls nicht über eine medizinische Ausbildung. Die Trainings erfolgen grundsätzlich in Gruppen von zehn Personen, die gemeinsam von einem Mitarbeiter der Gesellschaft individuell betreut werden. Die am Kläger erbrachten Leistungen waren notwendig und zweckmäßig, um dessen Gesundheitszustand zu bessern. Er war - ebenso wie die anderen Patienten - darauf hingewiesen worden, dass die Leistungen der Gesellschaft 'privat' sind und normalerweise kein Kostenersatz durch die Krankenkasse erfolgt.“

Rechtlich ging das Erstgericht davon aus, dass ärztliche Hilfe durch Vertragsärzte, Wahlärzte und durch Ärzte in eigenen hiefür ausgestatteten Einrichtungen der Versicherungsträger gewährt wird. Eine aufgrund ärztlicher...

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