Entscheidungs 10ObS9/16w. OGH, 22-02-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:010OBS00009.16W.0222.000
Judgement Number10ObS9/16w
Record NumberJJT_20160222_OGH0002_010OBS00009_16W0000_000
Date22 Febrero 2016
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr.

Fellinger als Vorsitzenden, die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr und Mag. Ziegelbauer sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch Dr. Sebastian Mairhofer, Mag. Martha Gradl, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Ausgleichszulage, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. November 2015, GZ 11 Rs 111/15w-10, mit dem infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 14. Juli 2015, GZ 9 Cgs 56/15y-6, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die im Umfang des Zuspruchs einer Ausgleichszulage in Höhe von 123,05 EUR monatlich ab 1. Jänner 2015 unangefochten in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Umfang der Abweisung des weiteren Klagebegehrens auf Zahlung einer Ausgleichszulage in Höhe von 218,37 EUR monatlich aufgehoben. Die Rechtssache wird im Umfang der Aufhebung zur ergänzenden Verhandlung und neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Kosten des Verfahrens erster Instanz.

Text

Begründung:

Die Klägerin bezieht seit 1976 eine Witwenpension, deren Höhe im Jahr 2015 516,31 EUR monatlich betrug. Dazu erhielt die Klägerin bis einschließlich Dezember 2014 eine Ausgleichszulage in Höhe von zuletzt 341,42 EUR.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 8. 1. 2015 stellte die beklagte Pensionsversicherungsanstalt die Höhe der Ausgleichszulage zur Pension der Klägerin mit 123,05 EUR monatlich ab 1. 1. 2015 neu fest. Sie begründete diese Entscheidung damit, dass die Klägerin gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten lebe. Mit Rücksicht darauf, dass bestimmte fixe Kosten auch bei gemeinsamer Lebensführung nur einfach auflaufen, liege der Familienrichtsatz nicht unerheblich unter der Summe der Richtsätze für zwei getrennt lebende Personen. Für das Bestehen einer Wirtschafts- und finanziellen Interessengemeinschaft komme es auf die tatsächlichen Verhältnisse, dh den gemeinsamen Haushalt, an. Dabei spiele es keine Rolle, ob die Mittel von einem oder beiden Lebensgefährten aufgebracht werden. Im Hinblick auf die durch die Lebensgemeinschaft eingetretene Erleichterung der wirtschaftlichen Lebensführung gelte somit „die halbe Differenz vom doppelten Einzelrichtsatz auf den Familienrichtsatz“ als weiteres Einkommen, wenn infolge der gemeinsamen Lebensführung keine tatsächliche Trennung der Kosten möglich bzw nachweisbar sei. Die Klägerin habe sich daher den Betrag von monatlich 218,37 EUR als weiteres Einkommen für die Berechnung der Ausgleichszulage anrechnen zu lassen (Einzelrichtsatz 872,31 EUR x 2 = 1.744,62 EUR; abzüglich des Familienrichtsatzes von 1.307,89 EUR = 436,73 EUR; davon die Hälfte = 218,37 EUR).

Mit ihrer gegen diesen Bescheid fristgerecht erhobenen Klage begehrt die Klägerin die „Feststellung“, dass ihr die Ausgleichszulage bis zur Höhe des Ausgleichszulagenrichtsatzes für Witwen gemäß § 293 Abs 1 lit b ASVG auch ab 1. 1. 2015 ohne Anrechnung der halben Differenz vom doppelten Einzelrichtsatz auf den Familienrichtsatz gebühre. Sie führte dazu aus, dass die Berücksichtigung des Einkommens ihres Lebensgefährten bei der Berechnung der Ausgleichszulage nicht zulässig sei, weil dieser in § 292 Abs 2 ASVG nicht genannt werde. Darüber hinaus sei eine Erleichterung der wirtschaftlichen Situation der Klägerin nicht eingetreten. Die Lebensgemeinschaft sei nicht als Wirtschaftsgemeinschaft gestaltet. Die Klägerin erhalte keinerlei Zuwendungen von ihrem Lebensgefährten. Sie genieße weder volle noch teilweise „freie Station“, sondern trage die Miet- und Lebenshaltungskosten selbst. Die Rechtsansicht der Beklagten laufe dem Zweck der Ausgleichszulage, die eine Leistung mit Fürsorgecharakter sei, zuwider.

Die Beklagte wandte dagegen im Wesentlichen wie in der bereits wiedergegebenen Begründung des angefochtenen Bescheids ein. Das Vorliegen der Lebensgemeinschaft begründe zwar keinen gesetzlichen Unterhaltsanspruch gegenüber dem Partner, sie sei dennoch bei der Berechnung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen. Es sei nämlich davon auszugehen, dass Lebensgefährten gemeinsam wirtschaften und daher auch ihre Einkünfte miteinander teilen. Die gemeinsame Haushaltsführung bringe zweifelsfrei „Synergieeffekte“ mit sich. Die Rechtsprechung gehe im Fall einer außerehelichen Lebensgemeinschaft auch davon aus, dass ein allfälliger Unterhaltsanspruch gegenüber dem geschiedenen Ehepartner unabhängig davon, ob der Berechtigte aus der Lebensgemeinschaft auch tatsächlich versorgt sei, ruhe. Der Lebensgefährte der Klägerin beziehe eine Pension, die über dem Ausgleichszulagenrichtsatz liege. Er könne daher erheblich zur gemeinsamen wirtschaftlichen Lebensführung beitragen. Die Lebensgemeinschaft erleichtere daher die wirtschaftliche Lebensführung der Klägerin. Diese Erleichterung sei als Sachbezug mit Versorgungscharakter im Rahmen einer „freien Station“ als weiteres Einkommen der Klägerin bei der Berechnung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen. Zugunsten der Klägerin sei die Beklagte im angefochtenen Bescheid ohnedies nicht vom Vorliegen einer „vollen freien Station“ ausgegangen, weil sich in diesem Fall die Ausgleichszulage der Klägerin um weitere 60,35 EUR monatlich verringert hätte.

Das Erstgericht wies das „Klagebegehren“ ab. Es stellte dazu fest:

Die Klägerin lebt mit ihrem Lebensgefährten seit 1978 im gemeinsamen Haushalt, einer Genossenschaftswohnung. Die Klägerin trägt die Miete und die Betriebskosten für diese Wohnung und den Garagenplatz in Höhe von 457,69 EUR monatlich. Sie bezahlt auch die Kosten für Heizung und Wasser in Höhe von 107 EUR monatlich und die „GIS-Gebühren“ von 19,78 EUR monatlich. Schließlich trägt die Klägerin die Kosten eines Kredits für eine Wohnungssanierung in Höhe von 48,52 EUR monatlich sowie eine Versicherung betreffend diesen Kredit zugunsten ihres Lebensgefährten.

Der Lebensgefährte der Klägerin bezieht eine Korridorpension in Höhe von 1.040 EUR netto monatlich. Er verdient darüber hinaus aus einer Arbeitstätigkeit von 20 Stunden pro Monat 146,99 EUR netto monatlich. Der Lebensgefährte bezahlt den Strom in Höhe von 79 EUR monatlich und „die Lebensmittel“. Der Lebensgefährte fährt ein „Leasingauto“, welches die Klägerin manchmal mitbenützt. Der Lebensgefährte trägt die Kosten dieses Fahrzeugs und seines Betriebs. Der Lebensgefährte trägt die Kosten einer Unfallversicherung, deren alleiniger Begünstigter er ist.

Die Klägerin und ihr Lebensgefährte tragen gemeinsam die Kosten der...

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