Entscheidungs 16Ok3/08. OGH, 16-07-2008

ECLIECLI:AT:OGH0002:2008:0160OK00003.08.0716.000
Date16 Julio 2008
Judgement Number16Ok3/08
Record NumberJJT_20080716_OGH0002_0160OK00003_0800000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht in Kartellrechtssachen durch die Präsidentin Hon.-Prof. Dr. Griss als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Vogel und Univ.-Prof. Dr. Kodek sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Reitzner und KR Dr. Bauer als weitere Richter in der Kartellrechtssache des Antragstellers Fachverband *****, vertreten durch Schönherr Rechtsanwälte in Wien, gegen die Antragsgegnerin B*****, vertreten durch Mag. Dr. Axel Reidlinger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Antrag auf Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 7 Abs 4 NVG, über den Rekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Kartellgericht vom 19. November 2007, GZ 25 NaV 1, 2/07-9, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Erstgericht die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der Freistaat Bayern schloss am 4. 4. 2005 mit der K***** Bayern GmbH, *****, Deutschland, einen Vorvertrag über die Lieferung von Sägerundholz, in welchen die Antragsgegnerin gemäß dessen Punkt 8.2 eingetreten ist.

Der Antragsteller begehrt gestützt auf § 7 Abs 2 Z 2 iVm § 2 NVG, die Antragsgegnerin dazu zu verpflichten, es zu unterlassen, Sägewerke der K***** Gruppe beim Bezug von Sägerundholz im Verhältnis zu anderen Sägewerken, die gesetzliche Mitglieder des Antragstellers sind, bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen durch die Gewährung von sachlich nicht gerechtfertigten Sägerundholzpreisen und/oder sonstigen Sonderkonditionen zu bevorzugen, insbesondere durch

1. die Belieferung mit Sägerundholz zu Preisen, die unter Berücksichtigung sämtlicher Skonti, Rabatte und sonstiger Preisvorteile mehr als 5 % unter dem Einkaufspreis anderer Holzabnehmer der Antragsgegnerin für die vertragsrelevanten Holzarten (Fichte und Kiefer) und Holzqualitätssortimente (Qualitäten SL B, SL D und SL BC, jeweils der Stärkeklassen 1b, 2a und 2b+) liegen; und/oder

2. die Zusicherung der Belieferung mit einer Mindestmenge an ausschließlich hochwertigem und ungeschädigtem Sägerundholz; und/oder

3. die Einräumung eines Vorkaufsrechts für das im Einkaufsgebiet von K***** anfallende Käferholz.

Zur Sicherung dieses Begehrens stellt der Antragsteller einen inhaltsgleichen Sicherungsantrag. Dazu bringt er im Wesentlichen vor, auf Basis des angeführten Vertrags beliefere die Antragsgegnerin K***** und die mit ihr verbundenen Unternehmen („K***** Gruppe") seit kurzem mit gesamtwirtschaftlich bedeutenden Mengen an Sägerundholz zu Vorteilskonditionen, die im Marktvergleich einzigartig seien. Die Kooperation zwischen Antragsgegnerin und K***** habe schwerwiegende wettbewerbliche Auswirkungen auf andere Sägerundholzabnehmer, darunter insbesondere auch auf die vom Antragsteller vertretenen österreichischen Sägeunternehmen. Diese würden aufgrund der K***** vertraglich zugesicherten Mengen an Sägerundholz entweder gar nicht mehr oder nur noch sehr eingeschränkt von der Antragsgegnerin beliefert. Aufgrund der im Marktvergleich einzigartigen Vorteilskonditionen des gegenständlichen Vertrags beim Einkauf von Sägerundholz würden die vom Antragsteller vertretenen österreichischen Sägeunternehmen diskriminiert und wären damit gegenüber der K***** Gruppe, die zunehmende Mengen an Schnittholz auch in Österreich absetze, einem massiven Wettbewerbsnachteil ausgesetzt. Der gegenständliche Vertrag bewirke daher erhebliche Wettbewerbsverzerrungen, insbesondere auch für in Österreich ansässige Unternehmen, weshalb die Zuständigkeit des Kartellgerichts gegeben sei. Nach § 2 NVG könne auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer als Lieferant bei Vorliegen gleicher Voraussetzungen ohne sachliche Rechtfertigung unterschiedliche Bedingungen gewähre oder anbiete. Das Vorliegen einer marktbeherrschenden Stellung sei für die Anwendung von § 2 NVG gerade nicht Voraussetzung, sodass die Bestimmung des § 2 NVG im Ergebnis auf ein allgemeines Diskriminierungsverbot hinauslaufe.

Die Antragsgegnerin beantragte die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung des Sicherungsantrags. Sie brachte im Wesentlichen vor, das NVG sei auf den vorliegenden Sachverhalt, der sich zur Gänze außerhalb Österreichs ereignet habe und keine unmittelbaren Auswirkungen im Inland habe, nicht anwendbar. Das Unterlassungsbegehren richte sich gegen ein deutsches Unternehmen, welches einen Vertrag mit einem anderen deutschen Unternehmen nach deutschem Recht über Holzlieferungen innerhalb Deutschlands geschlossen habe. Selbst wenn von einer Anwendbarkeit des NVG auf im Ausland verwirklichte Sachverhalte ausgegangen werden sollte, müsse vom Antragsteller dargelegt werden, dass sich der ausschließlich in Deutschland verwirklichte Sachverhalt auf den inländischen Markt auswirke. Außerdem beziehe sich das NVG auf den Einzelhandel und die Verhinderung des sogenannten „Greißlersterbens", sodass der vorliegende Fall nicht von diesem Gesetz erfasst werde. § 2 Abs 1 NVG betreffe zudem lediglich Lieferanten von Wiederverkäufern. Weder die K***** Bayern GmbH noch die vom Antragsteller vertretenen Sägewerke seien aber als gewerberechtlich befugte Wiederverkäufer im Sinne dieser Bestimmung anzusehen. Außerdem handle es sich um marktübliche Preise. Die Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung seien im Übrigen nicht bescheinigt.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag ab.

Dabei ging es von folgendem Sachverhalt als bescheinigt aus:

Der Antragsteller ist eine öffentlich-rechtliche Körperschaft im Rahmen der Wirtschaftskammerorganisation Österreich. Zu seinen gesetzlichen Mitgliedern, deren wirtschaftliche Interessen er vertritt, gehören sämtliche Unternehmen der holzverarbeitenden Industrie in Österreich, darunter auch die österreichischen Sägeunternehmen.

Die Antragsgegnerin ist eine Anstalt öffentlichen Rechts mit Sitz in *****, Deutschland. Ihre primäre Aufgabe ist die Bewirtschaftung der bayerischen Staatswaldflächen. Zur Erfüllung dieser Aufgabe schließt sie Holzlieferverträge mit Säge- und anderen holzverarbeitenden Unternehmen im In- und Ausland ab, unter anderem mit österreichischen Sägeunternehmen, die Mitglieder des Fachverbands der Holzindustrie Österreichs sind. Der Holzeinschlag im Bayerischen Staatswald belief sich im Jahr 2006 auf rund 5,4 Mio Festmeter (fm), wovon über zwei Drittel als Stammholz in die Sägeindustrie gingen. Die Bayerischen Staatsforste sind der größte deutsche Rundholzanbieter und verfügen in Bayern über eine bedeutende Marktstellung. Ihre Geschäftstätigkeit umfasst die Bewirtschaftung von rund 720.000 Hektar Waldfläche und 85.000 Hektar sonstiger Flächen in Bayern und Österreich. Sie profitierten im Geschäftsjahr 2006 von der insbesondere im süddeutschen Raum deutlich gestiegenen Nachfrage. Der Auslandsanteil am Umsatz nahm im Geschäftsjahr 2006 deutlich ab und beträgt nur noch 15 %. Insbesondere wurden Lieferungen nach Österreich zugunsten der Bedienung ausgeweiteter bayerischer Verarbeitungskapazitäten reduziert.

Die K***** Gruppe ist vor allem in der Produktion von Schnittholz tätig, wovon sie im Jahr 2006 insgesamt ca 3,5 Mio fm produzierte. Im Jahr 2005 belief sich der Umsatz der K***** Gruppe, den diese vornehmlich in Europa, Asien und den USA erwirtschaftet, auf mehr als 480 Mio EUR. In Europa sind die wichtigsten Absatzmärkte für Schnittholz neben Deutschland vor allem Österreich, die Niederlande, Italien und Frankreich. Im Dezember 2006 ist das aktuell jüngste Großsägewerk von K***** in L***** in der Nähe von ***** in Bayern („Werk Bayern") mit einer jährlichen Einschnittsleistung von ca 1 Mio fm in Betrieb gegangen. Im Vergleich dazu betrug die Einschnittsleistung der Sägewerke in Deutschland im Jahre 2004 ca 18 Mio fm Schnittholz. Die Errichtung dieses Großsägewerks etwas weniger als 70 km von der österreichischen Grenze entfernt erleichtert es K*****, Schnittholz in marktrelevanten Mengen nach Österreich zu liefern.

Der Freistaat Bayern hat am 4. 4. 2005 mit der K***** Bayern GmbH, *****, Deutschland, (im folgenden „K*****") einen Vorvertrag über die Lieferung von Sägerundholz abgeschlossen, in welchen die Antragsgegnerin gemäß dessen Punkt 8.2 eingetreten ist. Auf Basis dieses Vertrags beliefert die Antragsgegnerin K***** zusammen mit den verbundenen Unternehmen („K***** Gruppe") seit kurzem mit 500.000 fm Sägerundholz pro Jahr für das Werk Bayern. Wenn K***** das Werk Bayern nicht spätestens bis zum 31. 12. 2007 in Betrieb genommen hätte, hätten die Parteien gemäß Z 8 des Vorvertrags von diesem zurücktreten können.

Die Vertragslaufzeit des Kaufvertrags beträgt fünf Jahre und kann von jeder der beiden Vertragsparteien um weitere fünf Jahre verlängert werden.

Die Preise für Fichtenholz, von dem 450.000 fm geliefert werden, betragen für die Güteklassen SL B, SL D, SL BC

für die Sorte 1b jeweils 45 EUR, 28 EUR, 45 EUR pro fm,

für die Sorte 2a jeweils 55 EUR, 28 EUR, 55 EUR pro fm,

für die Sorte 2b+ jeweils 60 EUR, 32 EUR, 60 EUR pro fm.

Diese Preise gelten bis 2 Jahre nach Beginn der Holzlieferungen, längstens jedoch bis zum 31. 12. 2008 und werden danach nach einem Index angepasst, wobei diese Anpassungen auf +/- 2 EUR im Vergleich zum Vorjahr begrenzt sind.

Diese Vertragsmenge darf nur bis zu 30 % mit Holz der Güteklasse SL BC (Windwurf, Schneebruch oder Käferbefall ohne Bohrlöcher) erfüllt werden, das aber keine Gütebeeinträchtigung aufweisen darf.

Für Käferholz, nur soweit es von Rindenbrütern befallen oder qualitätsbeeinträchtigt ist, gilt ein Preisabschlag von 20 %. Die Antragsgegnerin verpflichtet sich, K***** Käferholz, welches im Einkaufsgebiet anfällt, oberhalb der Mindestjahresmenge anzubieten.

Sollte die Antragsgegnerin im Rundholzverkauf kein Skonto gewähren, wird der Skontoverzicht bei diesen Preisen berücksichtigt, sodass diese Preise um das bisherige, nach den derzeit gültigen Verkaufs- und Zahlungsbedingungen für Holzverkäufe aus dem Staatswald des Freistaats Bayern gewährte Skonto verringert werden.

Im Katastrophenfall...

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