Entscheidungs 18OCg2/16t. OGH, 28-09-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:018OCG00002.16T.0928.000
Date28 Septiembre 2016
Judgement Number18OCg2/16t
Record NumberJJT_20160928_OGH0002_018OCG00002_16T0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Neumayr, Dr. Veith und Dr. Musger sowie die Hofrätin Hon.-Prof. Dr. Dehn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei ***** E*****, vertreten durch Dr. Andreas Stranzinger, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei B***** AG, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Aufhebung eines Schiedsspruchs, nach öffentlicher mündlicher Verhandlung

A. den Beschluss gefasst:

Spruch

I. Der Antrag der klagenden Partei, das Verhandlungsprotokoll vom 22. Juni 2016 in näher bezeichneter Weise zu berichtigen, wird abgewiesen.

II. Die am 1. August 2016 und am 26. August 2016 eingebrachten Schriftsätze der klagenden Partei werden samt den vorgelegten Urkunden zurückgewiesen.

B. zu Recht erkannt:

Das Begehren der klagenden Partei,

„Der Schiedsspruch vom 22. Dezember 2015, erlassen im Ad-hoc-Schiedsverfahren zwischen den Parteien B***** als Schiedsklägerin einerseits und ***** E***** als Schiedsbeklagtem andererseits vom Ad-hoc-Schiedsgericht bestehend aus RA Dr. Gerold Zeiler (Vorsitzender), RA Dr. ***** und RA *****, mit welchem

1. die Vereinbarung zwischen der Schiedsklägerin, B***** AG, und dem Schiedsbeklagten, ***** E*****, vom 23. 11. 2000 über die vorzeitige Abfindung der Ruhegenussansprüche gemäß Dienstvertrag vom 24. 5. 1995 samt Nachträgen aufgehoben wird und

2. der Schiedsbeklagte schuldig erkannt wird, der Schiedsklägerin die mit 305.924,24 EUR bestimmten Kosten des Verfahrens (darin enthalten 48.741,57 EUR USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen,

wird in seinem ganzen Inhalt aufgehoben.“

wird abgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 3.427,61 EUR (darin 3,84 EUR Barauslagen; 571,27 EUR USt) bestimmten Verfahrenskosten zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zu A.

I. Gemäß § 209 Abs 1 ZPO ist in jedes Protokoll über eine mündliche Verhandlung nebst den Angaben, welche den Gang der Verhandlung im Allgemeinen erkennen lassen, der Inhalt des sich auf den Sachverhalt beziehenden Vorbringens in gedrängt zusammenfassender Darstellung aufzunehmen. Gemäß § 210 Abs 1 ZPO ist dabei nach Tunlichkeit auf vorbereitende Schriftsätze Bezug zu nehmen; soweit solche vorliegen, genügt es, wenn alle erheblichen Abweichungen des mündlichen Vorbringens protokolliert werden.

Das Verhandlungsprotokoll vom 22. 6. 2016 entspricht sowohl seiner Form als auch seinem Inhalt nach diesen Voraussetzungen. Die Protokollierung gibt im Zusammenhalt mit den vorbereitenden Schriftsätzen, auf die der Kläger verwiesen hat, sein Prozessvorbringen vollständig und korrekt wieder. Der Senat sieht sich daher zu der begehrten Korrektur und Ergänzung des Protokolls nicht veranlasst. Von der Abweisung des Protokollberichtigungsantrags ist auch das Kostenersatzbegehren dieses Antrags umfasst.

Die Einwendungen des Klägers in seinem Widerspruch wurden dem Protokoll angefügt (§ 212 Abs 2 ZPO). Für das Kostenersatzbegehren des Widerspruchs besteht keine Grundlage.

II. Die im Spruch genannten Schriftsätze des Klägers wurden nach Schluss der Verhandlung vorgelegt. Sie sind damit nicht mehr urteilsgegenständlich (§ 193 Abs 1 ZPO).

Zu B.

I. Unstrittig ist, dass der Kläger von 1978 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 2003 Vorstandsmitglied und ab 1. 6. 1995 Vorstandsvorsitzender und Generaldirektor der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) war. Vertragliche Grundlage für seine Dienststellung als Generaldirektor war der Dienstvertrag vom 24. 5. 1995 samt Änderungen vom 22. 9. 1998 und 29. 11. 2000, der auch Regelungen über Ruhegenuss- und Versorgungsansprüche des Klägers sowie eine Schiedsklausel enthielt. Diese sah ein aus fünf Personen bestehendes Schiedsgericht vor, wobei als Vorsitzender der Präsident des Österreichischen Gewerkschaftsbundes oder eine von ihm namhaft gemachte Persönlichkeit mit juristischer Qualifikation fungieren sollte.

Aufgrund der mit dem BudgetbegleitG 2001 in Aussicht genommenen steuerlichen Änderungen vereinbarten der Kläger und die Beklagte am 23. 11. 2000, dass seine Ruhe- und Versorgungsgenussansprüche mit einer Einmalzahlung von 6.828.252,07 EUR vorzeitig abgefunden werden sollten. Diese Pensionsabfindungsvereinbarung enthielt keine Schiedsklausel. Der überwiegende Teil der Abfindung (70.000.000 ATS) floss einer Privatstiftung zu.

Mit Vertrag vom 2. 8. 2001 wurde das Dienstverhältnis des Klägers bis zum Pensionsantritt am 24. 4. 2003 verlängert. Dieser Anstellungsvertrag enthielt ua folgende Klauseln:

XII.

Ruhegenuss, Versorgungsgenüsse

3. Der Anspruch des Vorstandvorsitzenden auf Ruhegenuss sowie der Anspruch der Gattin auf Witwenpension gemäß Punkt XIV Absatz (1) und (3) wurde gemäß Schreiben vom 16. 11. 2000 abgefunden und ist damit zur Gänze erfüllt. Ein weiterer Anspruch gegenüber der Gesellschaft besteht nicht. …

„XIX.

Schiedsgericht

Zur endgültigen Entscheidung aller Streitigkeiten zwischen den Vertragsteilen im Zusammenhang mit diesem Anstellungsvertrag ist unter Ausschluss des ordentlichen Rechtswegs ein dreigliedriges Schiedsgericht zuständig. …

Im Zuge des B*****-Skandals wurde dem Kläger vorgeworfen, Millionen von EURO mit „Karibikgeschäften“ im Wesentlichen gemeinsam mit dem Investmentbanker Dr. W***** F***** verspekuliert zu haben. Dem Kläger wurde von der Staatsanwaltschaft Wien ua Betrug zur Last gelegt, indem er

„B) im November 2000 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten um insgesamt 6,828.252 EUR unrechtmäßig zu bereichern, den Vorsitzenden des Aufsichtsrats der B*****, und – teilweise – durch diesen die übrigen Mitglieder des Aufsichtsrats durch Täuschung über Tatsachen, nämlich

-

seine zu den Anklagepunkten II/1 beschriebenen Gestionen und die dadurch bewirkten Verluste,

-

die im Laufe des Jahrs 2000 eingetretenen Verluste,

-

seine in den Anklagepunkten I/A/a/d, I/A/1/e, II/1, II/2/e und II/2/f, II/3 sowie V dargestellten Handlungen und die Umstände, unter denen die dort angeführten Verluste tatsächlich zustande gekommen sind, verleitet,

2. am 23. November 2000 der Abfindung der Anwartschaftsrechte des [Klägers] und dessen Ehegattin […] auf eine vertraglich vereinbarte Betriebspension zuzustimmen und die am 24. November 2000 erfolgte Auszahlung zu veranlassen, wodurch der B***** ein Schaden von 6.828.252 EUR (93.958.797 S) entstand.“

Der Schuldspruch wurde vom Obersten Gerichtshof mit Erkenntnis vom 23. 12. 2010, GZ 14 Os 143/09z, in diesem Anklagepunkt aufgehoben. Die Beklagte hielt die von der Staatsanwaltschaft Wien insoweit zurückgezogene Anklage als Subsidiaranklage aufrecht.

Gestützt auf die Schiedsklausel des Dienstvertrags vom 24. 5. 1995 übersandte die Beklagte als Schiedsklägerin dem Kläger als Schiedsbeklagten mit Schriftsatz vom 10. 12. 2014 die (erste) Schiedsklage, in der sie die Aufhebung der Pensionsabfindungsvereinbarung begehrte und in Entsprechung der Schiedsklausel zwei Beisitzer des Schiedsgerichts benannte.

Der Kläger wandte ua die Unzuständigkeit des Schiedsgerichts, die Unwirksamkeit der Schiedsvereinbarung, die mangelnde Schiedsfähigkeit und die Befangenheit des Schiedsgerichtsvorsitzenden ein und machte unter Protest ebenfalls zwei Schiedsrichter namhaft.

Mit Schriftsatz vom 12. 2. 2015 zog die Beklagte die Schiedsklage ohne Anspruchsverzicht zurück.

Mit Schreiben vom 23. 3. 2015 machte der Kläger seine Zustimmung zur Klagerückziehung davon abhängig, dass die Beklagte die Kosten des Einschreitens seines Rechtsvertreters übernehme und gab auf Basis einer Bemessungsgrundlage von 6.828.252,07 EUR Schriftsatzkosten von 10.288,35 EUR bekannt (Beil ./E).

Mit Schreiben vom 9. 3. 2015 erklärte die Beklagte, eine Bewertung des Streitgegenstands sei nicht erfolgt. Sie bot Kostenersatz auf Basis des Zweifelsstreitwerts iSd § 14 RATG (Bemessungsgrundlage: 21.800 EUR) und bei Ablehnung die Einholung eines Kammergutachtens gemäß § 28 Abs 1 lit f RAO an.

Der Kläger lehnte dies ab und erhob mit Schreiben vom 11. 3. 2015 unter Hinweis auf die Bestimmung des § 608 Abs 2 Z 2 ZPO über die mögliche Beendigung eines Schiedsverfahrens gegen die Klagezurückziehung Widerspruch.

Mit Schriftsatz vom 3. 3. 2015 brachte die Beklagte gegen den Kläger die hier verfahrensgegenständliche zweite Schiedsklage ein, die sie auf die Schiedsklausel des Anstellungsvertrags vom 2. 8. 2001 stützte. Die Beklagte begehrte die Aufhebung der Pensionsabfindungsvereinbarung, in eventu die Feststellung ihres Erlöschens, und brachte dazu im Wesentlichen vor, der Kläger habe gewusst, dass er bei Bekanntwerden der Verluste aus den Spekulationsgeschäften die Ruhegenussansprüche verloren hätte und habe deshalb auf deren vorzeitige Abfindung gedrängt. Er habe die Rechtsvorgängerin der Beklagten über ihre wirtschaftliche Lage und über seine eigenen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit Kreditvergaben an Dr. F***** zuzurechnende Gesellschaften getäuscht, wofür er auch rechtskräftig wegen schwerer Untreue (§§ 153 Abs 1 und 2 2. Fall StGB) verurteilt worden sei. Ein Widerruf der Bestellung des Klägers als Vorstandsmitglied und seine Entlassung seien nur unterblieben, weil der Gesamtaufsichtsrat über die Pflichtverletzungen aufgrund gezielter Fehlinformationen und Verschleierungsmaßnahmen des Klägers bis zu seinem Pensionsantritt keine Kenntnis erlangt habe. Hätte die Beklagte darüber Bescheid gewusst, hätte sie die Ruhegenussansprüche nicht abgefunden. Die Anfechtung der Pensionsabfindungsvereinbarung werde auf Irrtum und arglistige Irreführung gestützt.

Das Landesgericht für Strafsachen Wien sprach den Kläger in der Verhandlung vom 21. 12. 2015 vom Betrugsvorwurf frei.

Das Schiedsgericht hob mit Schiedsspruch vom 22. 12. 2015 die zwischen den Streitteilen geschlossene Pensionsabfindungsvereinbarung wegen listiger Irreführung auf. Die Aufhebung dieses Schiedsspruchs ist Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

II. Der Kläger begehrt die Aufhebung des Schiedsspruchs mit folgendem Vorbringen:

1. Das Schiedsgericht habe...

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