Entscheidungs 1Ob112/19f. OGH, 29-08-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00112.19F.0829.000
Judgement Number1Ob112/19f
Record NumberJJT_20190829_OGH0002_0010OB00112_19F0000_000
Date29 Agosto 2019
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R***** P*****, vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in Nebersdorf, gegen die beklagte Partei M***** M*****, vertreten durch Dr. Georg Uher, Rechtsanwalt in Mistelbach, wegen 11.537 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Korneuburg als Berufungsgericht vom 3. Jänner 2019, GZ 21 R 339/18b-35, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Mistelbach vom 13. August 2018, GZ 18 C 541/17h-24, bestätigt wurde, zu Recht erkannt und beschlossen:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

I. Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie als Teilurteil lauten:

„1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 7.304,67 EUR samt 8,52 % Zinsen pA aus 90 EUR vom 25. 5. 2017 bis 5. 7. 2018 und Zinsen pA in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 7.304,67 EUR seit 6. 7. 2018 binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 3.815,66 EUR samt 9,08 % Zinsen aus 11.537 EUR vom 1. 5. 2016 bis 30. 6. 2016, 8,52 % Zinsen aus 11.537 EUR vom 1. 7. 2016 bis 24. 5. 2017, 8,52 % Zinsen aus 11.447 EUR vom 24. 5. 2017 bis 5. 7. 2018 und Zinsen pA in Höhe von 9,2 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.815,66 EUR seit 6. 7. 2018 zu zahlen, wird abgewiesen.“

II. Im Übrigen, also im Umfang der Abweisung von 416,67 EUR samt Zinsen sowie der Kostenentscheidung, wird das Urteil des Berufungsgerichts aufgehoben und diesem die neuerliche Entscheidung aufgetragen.

III. Die Entscheidung über die Verfahrenskosten bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Ehemann der Klägerin trat den Gesellschaftern (alle sind Familienangehörige) der in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Landwirtschaft sämtliche Ansprüche aus den Kaufverträgen über die Lieferung der mangelhaften Luzernesamen ab und diese nahmen die Abtretung an. Die Gesellschafter ermächtigten die Klägerin als Teilhaberin mit der alleinigen gerichtlichen Geltendmachung der Forderung.

Seit 2005 bezieht der Landwirtschaftsbetrieb der Familie der Klägerin Luzernesamen bei der Beklagten. Allen Beteiligten war klar, dass die beklagte Landwirtin über kein Zertifikat zum Vertrieb von Luzernesaatgut verfügt. Sie bietet selbst erzeugtes Saatgut („Nachbausaatgut“) an, das extern auf herkömmliche Art und Weise gereinigt wird; es wird insbesondere nicht auf den Befall mit Kleeseide überprüft und ist nicht als Saatgut zertifiziert. Bei den vom Ehemann der Klägerin im Jahr 2016 von der Beklagten gekauften Produkten handelt es sich um biologisch produzierte Luzernesamen, jedoch weder um amtlich anerkanntes, noch zertifiziertes, noch entsprechend geprüftes oder gekennzeichnetes Saatgut. Bei amtlich anerkanntem und zertifiziertem Saatgut ist der Befall mit Kleeseide ausgeschlossen, bei Nachbausaatgut trotz herkömmlicher Reinigung nicht.

Allen Beteiligten (Klägerin, deren Ehemann, Beklagter, deren Vater) war klar, dass es sich um Nachbausaatgut und nicht um kontrolliertes Originalsaatgut handelt. Mit der Verwendung von Nachbausaatgut geht das Risiko des Befalls mit Kleeseide einher. Wer nicht zertifiziertes Saatgut kauft, der muss damit rechnen, dass dieses mit Kleeseide befallen ist. Ein „ordnungsgemäßer“ Landwirt würde daher kein Nachbausaatgut auf seinen Feldern ausbringen.

Am 30. 3. 2016 erwarb der Ehemann der Klägerin 300 kg Luzernesamen von der Beklagten. Bei der Abholung wurde nichts weiter gesprochen. Es handelte sich um eine übliche Vorgangsweise, weil „von den Beteiligten“ bereits seit Jahren Luzernesamen auf diese Art erworben und abgeholt wurden. Am selben Tag schüttete die Klägerin die von ihrem Ehemann erworbene Luzerne in verschiedene Plastikkübel um, ohne den Inhalt der einzelnen Säcke zu vermischen.

Anfang April 2016 wurden die Samen auf verschiedenen Feldern des landwirtschaftlichen Betriebs der Familie der Klägerin ausgebracht. Vor dem Anbau wurden die Samen – außer der Sichtung beim Umfüllen – nicht überprüft.

Mitte August 2016 mähte der Ehemann der Klägerin ein Feld, auf dem die Samen dieser Tranche angebaut worden waren, und nahm eine ungewöhnliche Verunreinigung wahr. Er und die Klägerin erkannten nach einer entsprechenden Recherche, dass Kleeseide aufgegangen war.

Am darauffolgenden Tag rief der Ehemann der Klägerin den Vater der Beklagten an und berichtete vom Befall mit Kleeseide. Dieser meinte, dass das schon der Fall sein könnte, wenn man die erworbenen Samen mit einem sogenannten „Ausputz“ vermischt habe. Der Ehemann der Klägerin erklärte letztlich, er werde einen Reinigungsschnitt machen und dann werde man weitersehen.

Einige Monate später entnahm die Klägerin eine Stichprobe der Samen aus der Tranche und holte am 10. 4. 2017 einen Prüfbefund ein, wodurch sich der Verdacht auf...

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