Entscheidungs 1Ob117/11d. OGH, 21-07-2011

ECLIECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00117.11D.0721.000
Date21 Julio 2011
Judgement Number1Ob117/11d
Record NumberJJT_20110721_OGH0002_0010OB00117_11D0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinsky, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der Antragstellerin Ulrike F*****, vertreten durch Dr. Stefan Gloß und andere Rechtsanwälte in St. Pölten, gegen den Antragsgegner Dr. Martin F*****, vertreten durch Dr. Ulrike Koller, Rechtsanwältin in Melk, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über die Revisionsrekurse beider Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 9. März 2011, GZ 23 R 527/10p-60, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Lilienfeld vom 4. November 2010, GZ 1 C 328/08y-54, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Beiden Revisionsrekursen wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich des in Rechtskraft erwachsenen Teils lautet:

„Die Antragstellerin ist schuldig, dem Antragsgegner binnen 14 Tagen 2.500 EUR zu zahlen und die mit 32.876,07 EUR (darin enthalten 4.914,17 EUR USt und 3.391,04 EUR Barauslagen) bestimmten Verfahrenskosten aller Instanzen zu ersetzen.

Das Begehren der Antragstellerin von 130.000 EUR sA sowie das Mehrbegehren des Antragsgegners von 13.500 EUR werden abgewiesen.“

Text

Begründung:

Die Parteien heirateten am 28. 1. 1998. Die Ehe wurde mit Urteil vom 3. 3. 2008 geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 2006 aufgehoben. Die Antragstellerin wohnt nach wie vor in der (früheren) Ehewohnung in Niederösterreich, der Antragsgegner lebt mittlerweile in Wien. Seit der Trennung ihrer Eltern lebt die gemeinsame, am 4. 8. 1998 geborene Tochter im Haushalt der Antragstellerin, der seit 2008 die alleinige Obsorge zusteht.

Im Aufteilungsverfahren begehren beide Parteien ausschließlich eine Ausgleichszahlung, und zwar die Antragstellerin nach Einschränkung 130.000 EUR sA und der Antragsgegner 16.000 EUR. Im Revisionsrekursverfahren sind insbesondere folgende Fragen strittig:

1.) Einbeziehung zweier „Pensionsmodelle“ des Antragsgegners in das Aufteilungsverfahren,

2.) deren Bewertung zum Stichtag 1. 9. 2006, den die Parteien außer Streit stellten.

Das Erstgericht stellte fest, dass das Aufteilungsbegehren der Antragstellerin mit 14.272 EUR zu Recht, jenes des Antragsgegners mit 2.500 EUR zu Recht bestehe, verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung von 11.772 EUR sA und wies das jeweilige Mehrbegehren (Antragstellerin: 118.228 EUR sA; Antragsgegner: 13.500 EUR) ab. Es stellte unter anderem Folgendes fest:

Der Antragsgegner bezog aus seiner unselbständigen Erwerbstätigkeit als angestellter Arzt und aus mehreren selbständigen Erwerbstätigkeiten (Wahlordination, Gutachtertätigkeit) ein durchschnittliches Nettoeinkommen von rund 4.100 EUR monatlich. Dazu kamen Bezüge für Kilometergeld, Fahrtkostenzuschuss uä von durchschnittlich rund 600 EUR pro Monat. Außerdem erhielt er von seinen Eltern eine Zeit lang monatliche finanzielle Zuwendungen. Er war zu 94/6901-Anteilen Miteigentümer einer Liegenschaft in Wien, mit dem Wohnungseigentum an der (jetzt von ihm bewohnten) Wohnung verbunden ist. Diese Wohnung hatte er bereits vor der Eheschließung angeschafft und ausbezahlt.

Die Antragstellerin bezog als Diplompädagogin an einer Volksschule durchschnittlich 1.700 EUR netto pro Monat. Sie war Nutzungsberechtigte einer Genossenschaftswohnung (Ehewohnung) in Niederösterreich. Den Finanzierungsbeitrag für diese Wohnung leistete sie bereits vor Eheschließung.

Im Jahr 2001 schloss der Antragsgegner bei einem Versicherungsunternehmen ein Pensionsmodell ab, das er mit einer Einmalprämie finanzierte. Zur Bezahlung des Einmalerlags nahm er einen endfälligen (Fremdwährungs-)Kredit auf. Zur Rückzahlung des Kreditkapitals „schloss er Tilgungsträger ab“, also Ansparformen wie etwa Lebensversicherungen, die zugunsten der kreditgebenden Bank verpfändet wurden. Die aufgrund des Einmalerlags vom Versicherungsunternehmen sogleich zur Auszahlung gebrachte monatliche Rente wurde und wird nach wie vor zur Gänze im Wege eines Verrechnungskontos unmittelbar zur Bestreitung der laufenden Kreditzinsen und zur Bezahlung der Prämien für die Tilgungsträger verwendet. Seiner Grundidee nach sollte sich dieses Vorsorgemodell selbst finanzieren, was zunächst auch funktionierte. Mit der ausbezahlten monatlichen Rente konnten sowohl die laufenden Kreditzinsen als auch die Prämien für die Tilgungsträger zur Gänze abgedeckt werden. Im Jahr 2002 schloss der Antragsgegner bei einem anderen Versicherungsunternehmen ein weiteres Pensionsmodell ab, das nach dem gleichen Prinzip funktionierte wie das erste: nämlich kreditfinanzierte Zahlung einer Einmalprämie, Verwendung der ausgezahlten monatlichen Rente zur Bezahlung der laufenden Kreditzinsen und der Prämien für die Tilgungsträger. Seit dem Jahr 2004 muss der Antragsgegner allerdings bei beiden Modellen einen monatlichen Betrag, der beispielsweise im Februar 2005 rund 300 EUR betrug, zuschießen. Sämtliche Zahlungen im Zusammenhang mit den Pensionsmodellen wurden stets nur vom Antragsgegner geleistet. Die Antragstellerin wurde jeweils vor Abschluss über die Pensionsmodelle informiert, interessierte sich aber nicht weiter dafür.

Die monatlichen Renten betragen beim ersten Modell 1.321,76 EUR und beim zweiten Modell 603,75 EUR. Der zur Finanzierung des ersten Pensionsmodells aufgenommene Kredit haftet mit 297.097,96 EUR aus, jener für das zweite Pensionsmodell mit 155.852 EUR. Die jeweiligen Rückkaufswerte der beiden beim ersten Pensionsmodell abgeschlossenen Tilgungsträger belaufen sich auf 11.291,87 EUR und 41.723,80 EUR. Die Rückkaufswerte der beim zweiten Modell abgeschlossenen insgesamt drei Versicherungen (davon zwei Lebensversicherungen) betragen 30.284,07 EUR, 10.181,46 EUR und 6.700,77 EUR.

Die Parteien planten den Bau eines Hauses, das als Ehewohnung dienen sollte. Sie einigten sich auf den Kauf einer Liegenschaft um 1.150.000 S. Sowohl Kaufvertrag als auch Kreditvertrag schloss der Antragsgegner alleine ab. Die Antragstellerin lehnte eine (Mit-)Haftung für einen Kredit ab, weil ihr dies aufgrund ihres Einkommens zu riskant schien. Das Alleineigentum des Antragsgegners wurde 2001 einverleibt. Im Jahr 2003 erfuhren die...

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