Entscheidungs 1Ob145/19h. OGH, 23-10-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00145.19H.1023.000
Record NumberJJT_20191023_OGH0002_0010OB00145_19H0000_000
Judgement Number1Ob145/19h
Date23 Octubre 2019
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, und die Hofrätin Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und den Hofrat Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache des Antragstellers M***** H*****, vertreten durch die Dr. Klaus Hirtler Rechtsanwalt Gesellschaft mbH, Leoben, gegen die Antragsgegnerin Leibnitzerfeld Wasserversorgung GmbH, *****, vertreten durch die Kaan Cronenberg & Partner Rechtsanwälte GmbH & Co KG, Graz, wegen Festsetzung einer Entschädigung nach § 34 Abs 4 iVm § 117 WRG, über den Revisionsrekurs des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 27. Mai 2019, GZ 2 R 64/19b-117, mit dem der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Jänner 2019, GZ 17 Nc 253/11a-104, teilweise abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden hinsichtlich der Festsetzung der Entschädigung aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Mit Verordnung des Landeshauptmanns von Steiermark vom 21. 11. 1990, mit der ein Grundwasserschongebiet zum Schutze der Wasserversorgungsanlagen der Leibnitzerfeld-Wasserversorgungs-GesmbH, der Gemeinden Lebring-St. Margarethen, Retznei und der Marktgemeinde Wagna bestimmt wird (LGBl 1990/86), wurden in der Stadtgemeinde Leibnitz, der Marktgemeinde Wagna und in den Gemeinden Gralla, Kaindorf, Lang, Lebring-St. Margarethen und Tillmitsch ein Grundwasserschongebiet zum Schutz der genannten Wasserversorgungsanlagen festgelegt und Nutzungsbeschränkungen der im Schongebiet gelegenen Grundstücke angeordnet. Die Antragsgegnerin ist die in dieser Verordnung genannte GmbH. Diese Verordnung (kurz: Schongebietsverordnung) wurde mehrmals novelliert, nämlich durch LGBl 1991/92, LGBl 1995/38, LGBl 1996/93, LGBl 1998/93, LGBl 2000/88, LGBl 2005/46, LGBl 2006/48, LGBl 2007/16, LGBl 2008/30 und zuletzt LGBl 2009/13. Gemäß § 11 Z 9 der Verordnung des Landeshauptmanns von Steiermark vom 20. 5. 2015, mit der ein Regionalprogramm zum Schutz der Grundwasserkörper Grazer Feld, Leibnitzer Feld und Unteres Murtal erlassen und Schongebiete bestimmt werden (LGBl 2015/39), trat diese Schongebietsverordnung (LGBl 1990/86, zuletzt in der Fassung LGBl 2009/13) mit Ablauf des 31. 12. 2015 außer Kraft.

Der Antragsteller ist gemeinsam mit seiner Ehefrau Miteigentümer diverser – näher genannter – im Schongebiet liegender Grundstücke. Im Geltungsbereich der Schongebietsverordnung ist das Grundwasser „in einem relevanten Ausmaß“ mit Nitrat verschmutzt. Aufgrund dieser Vorbelastung des Grundwassers ist eine von einer einzelnen landwirtschaftlichen Parzelle ausgehende Nitratkonzentration im Sickerwasser, die „höher als der Schwellwert ist, eine relevante Verschlechterung oder Verschmutzung“.

Nach den Feststellungen ist Grundwasser als Trinkwasser mehr als geringfügig beeinträchtigt, wenn es mehr als 50 mg Nitrat pro Liter enthält. Wenn die Nitratkonzentration im Sickerwasser beim Eintritt in das Grundwasser 45 mg/l unterschreitet, liegt jedenfalls keine Beeinträchtigung vor.

Der Antragsteller (Entschädigungswerber) hat sich im Rahmen des „vorbeugenden Boden- und Gewässerschutzes des Agrarumweltprogrammes ÖPUL 2007“ zur Anlage von winterharten Begrünungsdecken auf den Schongebietsflächen verpflichtet und dafür Prämien bezogen. Im Rahmen dieser ÖPUL-Maßnahme bestand die Verpflichtung, die Begrünung bis 15. 10. anzulegen und frühestens am 1. 3. des Folgejahres zu entfernen.

Die „Eigenflächen“ des Antragstellers und seiner Ehefrau im Schongebiet umfassten rund 13,42 ha.

Durch die Vorverlegung des Erntetermins bei Körnermais ergeben sich für ihren gemeinsam geführten Betrieb durch die Bestimmungen der Schongebietsverordnung zusätzliche Kosten von 159 EUR pro Jahr.

Nach den Vorgaben der Begrünungsverpflichtung gemäß ÖPUL 2007 muss spätestens am 15. 10. jeden Jahres der Anbau der Begrünung auf der betreffenden Fläche vollzogen sein. Der Körnermais muss spätestens am 14. 10. abgeerntet sein. Laut der Schongebietsverordnung hat der Anbau der Gründecke bis spätestens 10. 10. zu erfolgen. Durch die Schongebietsverordnung wird daher der späteste Erntetermin für Körnermais auf den 9. 10., also um fünf Kalendertage vorverlegt. Die Zeitspanne von fünf Kalendertagen liegt in einem durch Witterungsverhältnisse beeinflussten Schwankungsbereich, weil auch im Regelfall der ÖPUL 2007-Termin einzuhalten ist und daher aus betrieblicher Sicht eine Pufferzeit zwischen der Körnermaisernte und dem rechtzeitigen Anbau der Begrünung gegeben sein muss.

Laut ÖPUL 2007 ist eine Einarbeitung der Begrünung und somit eine Bodenbearbeitung frühestens mit 2. 3. zulässig. Gemäß der Schongebietsverordnung darf eine Beseitigung der Gründecke erst im Zuge des Frühjahrsanbaus erfolgen, ohne dass dafür ein Anbautermin vorgegeben wird. Laut ÖPUL 2007 wäre daher ein Zeitraum zwischen Umbruch der Gründecke und Aussaat der darauffolgenden Hauptfrucht durchaus zulässig. Dieser Zustand ist aber durch die Schongebietsverordnung untersagt, weil die Begrünungsflächen erst im Zuge des Frühjahrsanbaus umgebrochen werden dürfen. Aufgrund der Schongebietsverordnung kann daher der Umbruch erst zu einem späteren Zeitpunkt vorgenommen werden. Infolge des späteren Umbruchtermins weist die Winterbegrünung einen im Zusammenhang mit dem Nitrataustrag günstigeren, höheren Grünmassebewuchs auf, der im Rahmen der Umbrucharbeiten zu Arbeitserschwernissen führt. Zur Vorbereitung des Frühjahrsanbaus ist daher zusätzlich der Einsatz eines Schwergrubbers notwendig, um die mengenmäßig größeren Pflanzenmassen entsprechend einarbeiten zu können. Im Betrieb des Antragstellers und seiner Ehefrau ergeben sich für diese zusätzliche Bodenbearbeitung Kosten von 439 EUR pro Jahr.

Insgesamt betragen die Mehraufwendungen aufgrund unterschiedlicher Anbau- und Erntetermine für die Ernteterminvorverlegung beim Körnermais und für die spätere Beseitigung der Gründecke 598 EUR pro Jahr.

Der Antragsteller beantragte am 6. 2. 2007 bei der Bezirkshauptmannschaft Leibnitz die Entschädigung aller Nachteile, die ihm aufgrund der zusätzlichen Anordnungen und Auflagen gemäß der Schongebietsverordnung für seine im Miteigentum stehenden Grundstücke entstehen.

Mit Bescheid vom 27. 10. 2010 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft die Antragsgegnerin, dem Antragsteller für Erschwernisse und Mindererträge aus der Bewirtschaftung seiner Grundstücke 2.239,43 EUR pro Jahr zu leisten, wobei der rückständige Entschädigungsbetrag für die Jahre 2007 bis 2010 mit 8.957,72 EUR festgesetzt und im Übrigen...

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