Entscheidungs 1Ob70/11t. OGH, 21-07-2011

ECLIECLI:AT:OGH0002:2011:0010OB00070.11T.0721.000
Date21 Julio 2011
Judgement Number1Ob70/11t
Record NumberJJT_20110721_OGH0002_0010OB00070_11T0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A.***** AG & Co ***** KG, *****, vertreten durch Dr. Christian Leskoschek, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Kasachstan, vertreten durch Dr. Wilhelm Klade, Rechtsanwalt in Wien, wegen 641.391,24 EUR und Räumung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgericht vom 12. Jänner 2011, GZ 39 R 362/10i-39, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 31. Mai 2010, GZ 89 C 36/08i-27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrte Zahlung von (zuletzt) 641.391,24 EUR Mietzins sowie Räumung von Büroräumlichkeiten, welche die beklagte Partei mit Mietvertrag vom 23. 5. 2007 gemietet habe. Der Mietvertrag über die Räumlichkeiten, die nicht als Sitz der Botschaft vorgesehen gewesen seien, sei vom damaligen Sekretär der Botschaft unterzeichnet worden. Er stelle keinen hoheitlichen Akt, sondern ein privatrechtliches Geschäft dar. Die Botschaft sei als Vertreterin der beklagten Partei aufgetreten. Grund für die Anmietung der Räumlichkeiten seien die Bemühungen der beklagten Partei und ihres früheren Botschafters gewesen, den Vorsitz der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) für das Jahr 2009 zu erhalten. Das Mietobjekt sei in der Folge auch übergeben worden. Am 26. 6. 2007 hätten der Vertreter der Botschaft und der Geschäftsführer der Hausverwaltung über den Wunsch der Vertreter der beklagten Partei gesprochen, die als solche gemieteten Büroräumlichkeiten nun auch für Wohnzwecke zu mieten, was die Eigentümerin jedoch abgelehnt habe. Die Mieterin habe in der Folge unter einem Vorwand den Wunsch geäußert, aus dem Vertrag auszusteigen. Der Angehörige der Botschaft, der den Mietvertrag unterzeichnet hätte, habe die Kaution und die monatlichen Mieten von Juni bis Dezember 2007 vom offiziellen Botschaftskonto überwiesen. Sollte er nicht vertretungsbefugt gewesen sein, sei von einer Anscheinsvollmacht auszugehen. Er sei nämlich ausschließlich für alle finanziellen Angelegenheiten der Botschaft zuständig und auf dem Botschaftskonto alleine zeichnungsberechtigt gewesen. Der Mietvertrag sei mit Stempel der Botschaft unterfertigt worden.

Die beklagte Partei berief sich auf ihre Exterritorialität und bestritt ihre Passivlegitimation. Sie habe den Mietvertrag weder genehmigt noch geschlossen. Dieser sei eine Fälschung. Die Räumlichkeiten seien der beklagten Partei nie übergeben worden. Ein derartiger Mietvertrag bedürfe jedenfalls der schriftlichen Genehmigung ihres Außenministers. Das Dokument müsse ein Rundsiegel der beklagten Partei samt Unterschrift des befugten Organs (Botschafter oder bevollmächtigter Botschaftsrat) sowie links oben die jeweilige Geschäftszahl und rechts unten die fortlaufende Zahl der Urkunde, die im Dokumentenarchiv der beklagten Partei aufscheine, tragen.

Das Erstgericht verwarf (unbekämpft) die auf die Exterritorialität der beklagten Partei gestützte Einrede der mangelnden inländischen Gerichtsbarkeit und wies das Klagebegehren ab. Es stellte zusammengefasst Folgendes fest:

„Die beklagte Partei war im Jahr 2010 Vorsitzende der OSZE mit Sitz in Wien. Die Entscheidung darüber war im November 2007 getroffen worden. Im April 2009 fand die Beklagte ein Gebäude in Wien für die Verwendung im Rahmen dieses Vorsitzes. Die Botschaft der beklagten Partei befindet sich in Wien 19, Felix-Mottl-Straße 23.

Rakhat A***** war zweimal Botschafter der beklagten Partei in Österreich. Er wurde mit Erlass des Präsidenten der beklagten Partei vom 25. oder 26. 5. 2007 von seiner Position abberufen. Unbeschränkt haftende und selbständig vertretungsbefugte Gesellschafterin der klagenden Partei ist die A.***** AG. Deren Alleinaktionär und zugleich selbständig vertretungsbefugtes alleiniges Vorstandsmitglied ist der Klagevertreter. Mitglied des Aufsichtsrats ist der frühere Botschafter der beklagten Partei. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Klagevertreter für diesen die Aktien treuhändig hält.

Der schriftliche Hauptmietvertrag bezeichnet die „Hausinhabung des Hauses *****, vertreten durch *****Hausverwaltung *****“, als Vermieterin und die Botschaft der Republik Kasachstan, Felix-Mottl-Straße 23, 1190 Wien, als Mieterin. Das Objekt im Ausmaß von 952 m² wurde ab 1. 5. 2007 befristet auf zehn Jahre ausschließlich zu Bürozwecken gemietet. Der monatliche Bruttomietzins betrug 27.172,80 EUR. Eine Kaution in Höhe von 81.500 EUR...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT