Entscheidungs 3Ob76/16x. OGH, 22-09-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:0030OB00076.16X.0922.000
Date22 Septiembre 2016
Judgement Number3Ob76/16x
Record NumberJJT_20160922_OGH0002_0030OB00076_16X0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Vizepräsidentin Dr. Lovrek, die Hofräte Dr. Jensik und Dr. Roch und die Hofrätin Dr. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei G***** GmbH *****, vertreten durch Viehböck Breiter Schenk & Nau Rechtsanwälte OG in Mödling, wider die beklagte Partei Dr. W*****, vertreten durch Dr. Johannes Jaksch, Dr. Stephan Riel, MMag. Denise Rohringer, Dr. Alexander Schoeller, Rechtsanwälte in Wien, wegen (zuletzt) 1.973.451,25 EUR und 804.160,34 USD sA, über die außerordentlichen Revisionen der klagenden Partei und der Nebenintervenientin auf Seiten der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 1. März 2016, GZ 2 R 7/16p-133, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 16. November 2015, GZ 16 Cg 36/13p-128, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Beiden Revisionen wird teilweise Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass die Entscheidung einschließlich der bereits in Rechtskraft erwachsenen Teile lautet:

„1. Die beklagte Partei ist gegenüber der klagenden Partei schuldig, 682.387,70 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz des jeweiligen vorangegangenen 30. 6. bzw 31. 12. eines jeden Jahres seit 4. 7. 2007 an die klagende Partei binnen 14 Tagen und zu Handen der Klagevertreterin zu bezahlen.

Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei gegenüber der klagenden Partei weiters schuldig, 1.291.063,55 EUR samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz des jeweiligen vorangegangenen 30. 6. bzw 31. 12. eines jeden Jahres seit 4. 7. 2007 an die klagende Partei zu zahlen, wird abgewiesen.

2. Das Begehren, die beklagte Partei sei gegenüber der klagenden Partei schuldig, 804.160,34 USD samt 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz des jeweiligen vorangegangenen 30. 6. bzw 31. 12. eines jeden Jahres seit 4. 7. 2007 an die S*****, INC mit der Geschäftsanschrift *****, USA, zu zahlen, wird abgewiesen.

3. Die Kostenentscheidung bleibt dem Erstgericht vorbehalten“.

Text

Entscheidungsgründe:

Mit Anteilskauf- und Abtretungsvertrag vom 26. Jänner 2007 (im Weiteren: Kaufvertrag) veräußerte der Beklagte eine ihm gehörende Unternehmensgruppe, die sich (entsprechend der Definition im Vertrag) aus einer Holding GmbH, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Beklagte war, aus einer Betreiber-GmbH und Co KG (in Hinkunft: KG) mit einer GmbH als persönlich haftender Gesellschafterin, deren Alleingesellschafter die Holding-GmbH war, und der Holding-GmbH als Kommanditistin sowie aus einer nach dem Recht eines amerikanischen Bundesstaates errichtete Gesellschaft mit Sitz in den USA (in Hinkunft: INC), deren Alleingesellschafterin die Holding-GmbH war, zusammensetzte. Mit Ausnahme der INC waren alle Gesellschaften nach österreichischem Recht errichtet worden und hatten ihren Sitz in Österreich. Käufer waren eine österreichische GmbH, deren Gesamtrechtsnachfolgerin die Klägerin ist, und ein Rechtsanwalt (als Treuhänder der anderen Käuferin), der der Klageführung und Geltendmachung der Ansprüche durch die Klägerin zustimmte. Kaufgegenstand waren sämtliche Geschäftsanteile an der Holding-GmbH.

Der Kaufvertrag hat ua folgenden Wortlaut:

„PRÄAMBEL

2.1. […] Aufgrund von Verhandlungen über die Vertragsstruktur haben sich die Vertragsparteien geeinigt, anstelle der in der Grundsatzvereinbarung in Aussicht genommenen Transaktionsstruktur einen Share Deal über die Geschäftsanteile der [Holding-GmbH] abzuschließen und Verbindlichkeiten der [Holding-GmbH] an den Verkäufer zu bezahlen. Der Transaktionspreis beträgt EUR 10.000.000,-- […]. Anlässlich der Übertragung der Geschäftsanteile der [Holding-GmbH] werden einzelne Vermögensgegenstände an den Verkäufer hinaus verkauft sowie der Kaufpreis dafür mit der Forderung des Verkäufers gegen die [Holding-GmbH] verrechnet.

[…]

4.

KAUFPREIS

Der Kaufpreis […] beträgt EUR 1 […].

[…]

7.

GARANTIEN

7.1. Der Verkäufer garantiert gemäß § 880a Satz 2 ABGB zum Tag der Unterzeichnung dieses Kaufvertrags die Vollständigkeit und Richtigkeit der Eigenschaften und Angaben gemäß Anlage ./7.1.

7.2. Sofern es hinsichtlich der Garantien gemäß Anlage ./7.1. auf die Kenntnis des Verkäufers ankommt, steht fahrlässige Unkenntnis der Kenntnis gleich, wobei das Wissen der Organe der [Unternehmensgruppe] dem Verkäufer zuzurechnen ist.

8.

RECHTSFOLGEN VON GARANTIE-VERLETZUNGEN

8.1. Ist eine im Rahmen dieses Kaufvertrags abgegebene Garantie für eine Eigenschaft ganz oder teilweise unrichtig, verpflichtet sich der Verkäufer nach Wahl der Käufer die zugesagte Eigenschaft nachzuholen bzw herzustellen. Stellt der Verkäufer nicht innerhalb einer angemessenen Frist, längstens binnen vier Wochen, nach Wahl der Käufer die [Unternehmensgruppe] oder die Käufer so, wie sie stünden, wenn die Garantie richtig gewesen wäre, verpflichtet sich der Verkäufer die fehlende Eigenschaft nach Wahl der Käufer

der [Unternehmensgruppe] bzw den Käufern in Geld zu ersetzen.

[…]

8.4. Ansprüche aus den Garantiezusagen des Verkäufers und der Schad- und Klagloshaltung gemäß Punkt 9. können unbeschadet Punkt 8.5. gegen den Verkäufer insgesamt nur bis zu einem Maximalbetrag von EUR 2.000.000,-- […] geltend gemacht werden, […].

[…]

20.

SALVATORISCHE KLAUSEL

Sollte eine Bestimmung dieses Kaufvertrags ganz oder teilweise unwirksam oder undurchführbar sein oder werden, wird die Wirksamkeit oder Durchführbarkeit der übrigen Bestimmungen dadurch nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung gilt diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, welche dem Sinn und Zweck der unwirksamen Bestimmung entspricht. Das selbe gilt entsprechend für allfällige Lücken in diesem Kaufvertrag.

[...]“

Die Anlage ./7.1. zum Kaufvertrag lautet auszugsweise wie folgt:

„7. GARANTIEN DES VERKÄUFERS

Der Verkäufer garantiert gemäß Punkt 7. des Kaufvertrags:

[…]

7.3. BUCHFÜHRUNG UND JAHRES-ABSCHLUSS, FORDERUNGEN UND VERBINDLICHKEITEN

7.3.1. Die Jahresabschlüsse der [Unternehmensgruppe] zum 31. 12. 2005 sind in Übereinstimmung mit den handelsrechtlichen Vorschriften sowie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung und unter Wahrung des Grundsatzes der Bilanz- und Bewertungskontinuität und im Fall der [INC] in Übereinstimmung mit den vergleichbaren US-amerikanischen Vorschriften bzw Grundsätzen aufgestellt worden.

7.3.2. Die Jahresabschlüsse der [Unternehmensgruppe] zum 31. 12. 2005 geben ein vollständiges und richtiges Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens der Gesellschaften der [Unternehmensgruppe] wieder. Insbesondere sind die Gegenstände des Anlage- und Umlaufvermögens sowie die Verbindlichkeiten nach handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsgemäß und vollständig ausgewiesen und richtig bewertet. Für alle erkennbaren Risken und drohenden Verluste wie insbesondere Forderungsausfälle […] sowie für sonstige ungewisse Verbindlichkeiten sind darin ausreichende Rückstellungen nach handelsrechtlichen Grundsätzen gebildet worden. Sämtliche Haftungsverhältnisse oder sonstige Eventualverbindlichkeiten sind in den Jahresabschlüssen ordnungsgemäß und vollständig ausgewiesen.

7.3.3. Das Eigenkapital der [KG] auf Basis des geprüften Jahresabschlusses zum 31. 12. 2006, der in Übereinstimmung mit den handelsrechtlichen Vorschriften sowie den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung und Bilanzierung und unter Wahrung des Grundsatzes der Bilanz- und Bewertungskontinuität erstellt wurde, beträgt mindestens EUR 1.150.000,-- […]; Aufwendungen aus der Abschreibung von Forderungen gegen die [INC] bleiben unberücksichtigt. Die [KG] hat über die in Anlage ./7.3.3. aufgelisteten Kontokorrent- und Abstattungskredite hinaus keine Kredit- oder Darlehensverbindlichkeiten per 22. […] Jänner 2007 […].

7.3.4. Seit dem 31. 12. 2005 wurde in keiner Gesellschaft der [Unternehmensgruppe] mit Ausnahme eines möglichen Bilanzverlustes der [KG] im Geschäftsjahr 2006 bis zur Höhe von EUR 350.000,-- […] und auch nicht mit dem sonstigen Vermögen das durch die Käufer erworben wird, mit Ausnahme Punkt 7.3.5 der Anlage ./7.1., ein Verlust erwirtschaftet, wobei die Abschreibungen auf Beteiligungen und/oder Forderungen an der bzw gegen die [INC], […] ausgeklammert werden […].

7.3.5. Ein allfälliges negatives Ergebnis aus der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit oder einer vergleichbaren Kennzahl nach lokalen Rechnungslegungsbestimmungen der [INC] übersteigt kumuliert nicht den Betrag von US$ 2.500.000,-- […]“.

Die Anlage ./7.3.3. zum Kaufvertrag lautet „Kreditaufstellung [KG]“ und enthält eine Auflistung von Kontokorrent- und Abstattungskrediten bei einer Bank sowie eine Liste von gegebenen Sicherheiten. Eine Verbindlichkeit der KG gegenüber der Holding-GmbH ist darin nicht ausgewiesen.

Am Tag der Vertragsunterzeichnung überwies die KG mit Zustimmung der Käufer 280.000 EUR an die Holding-GmbH. Die Käufer erlegten vereinbarungsgemäß den Kaufpreis von 1 EUR und führten 10 Mio EUR der Holding-GmbH zu, die – abzüglich eines noch aushaftenden Darlehens bei einer Bank – damit ein in dieser Höhe bestehendes Gesellschafterdarlehen, das der Beklagte der Holding-GmbH gewährt hatte, zurückzahlte. Der Kaufgegenstand wurde übertragen.

Zur Besicherung der Ansprüche aus Garantieverletzungen übergab der Beklagte den Käufern vereinbarungsgemäß eine Bankgarantie bis zu einem Höchstbetrag von 500.000 EUR, welche von der Klägerin aufgrund der von ihr behaupteten Garantieansprüche auch gezogen wurde.

Ende Februar oder im März 2007 wurde der Geschäftsführer der Klägerin unternehmensintern informiert, dass die KG Liquiditätsprobleme habe. Eine Nachfrage in der Buchhaltung ergab zunächst, dass eine Forderung der KG in Höhe von 300.000 USD gegenüber der INC bei der INC nicht gebucht war, was ihn zu weiteren Nachforschungen und letztlich im Mai 2007 dazu veranlasste, die Wiedereröffnung, Ergänzung und...

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