Entscheidungs 3Ob92/07m. OGH, 23-05-2007

ECLIECLI:AT:OGH0002:2007:0030OB00092.07M.0523.000
Record NumberJJT_20070523_OGH0002_0030OB00092_07M0000_000
Date23 Mayo 2007
Judgement Number3Ob92/07m
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon. Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei R***** AG, ***** vertreten durch Leon . Schopf . Zenz Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die verpflichtete Partei Christiane-Maria B*****, vertreten durch Dr. Michael Günther, Rechtsanwalt in Wien, wegen 9.927,28 EUR s.A., infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 13. Februar 2007, GZ 17 R 314/06g-37, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 25. August 2006, GZ 12 E 84/05d-32, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung über den Verwertungsantrag der betreibenden Partei nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Das Erstgericht hatte mit seinem Beschluss vom 10. Jänner 2005 der betreibenden Partei zur Hereinbringung einer Teilforderung aus dem vor dem BGHS Wien abgeschlossenen Vergleich vom 6. September 1994 die Pfändung a) des der Verpflichteten gegenüber einer Wohnungsgenossenschaft zustehenden Finanzierungsbeitrags, mit dem untrennbar das Nutzungsrecht an einer Wohnung verbunden ist und b) des Anspruchs der Verpflichteten auf dasjenige, was ihr im Fall der Beendigung des Nutzungsvertrags bei der Auseinandersetzung mit der Wohnungsgenossenschaft zukommt, bewilligt. Die Entscheidung über den Verwertungsantrag der betreibenden Partei, sie zu ermächtigen, mit Wirksamkeit für die Verpflichtete u.a. die Einleitung des Auseinandersetzungsverfahrens zu begehren und die Kündigung (des Nutzungsvertrags) vorzunehmen, wurde vorbehalten.

Die Verpflichtete wandte gegen den Verwertungsantrag ein, dass sie und ihr Ehegatte über keine Wohnmöglichkeit verfügten und die Genossenschaftswohnung zur Befriedigung ihres dringenden Wohnungsbedürfnisses benötigt werde.

Das Erstgericht bewilligte im zweiten Rechtsgang den Verwertungsantrag. Es stellte fest, dass die Verpflichtete die 53 m² große Genossenschaftswohnung aufgrund eines Nutzungsvertrags vom 16. März 2004 seit dem 1. Jänner 2004 als Hauptwohnsitz mit ihrem Gatten bewohne. Ein dringendes Wohnbedürfnis bestehe. Die von der betreibenden Partei geführte Fahrnis- und Forderungsexekution sei bisher erfolglos geblieben. Der Zahlungsanspruch der Verpflichteten nach § 17 WGG betrage 3.292,37 EUR.

In rechtlicher Hinsicht verneinte das Erstgericht trotz des festgestellten Wohnbedürfnisses der Verpflichteten das Vorliegen eines Exekutionshindernisses iSd § 42 Abs 4 MRG (iVm § 20 WGG). Diese Bestimmung stelle wie bei der Verwertung einer Genossenschaftswohnung im Konkursverfahren kein grundsätzliches Exekutionshindernis dar. Hier gehe es nicht um die Verwertung des Nutzungsrechts (Mietrechts), sondern um den exekutiven Zugriff auf die sich aus der Beendigung ergebenden Ansprüche. Eine analoge Anwendung des § 42 Abs 4 MRG auf diesen Fall scheitere an verfassungsrechtlichen Bedenken, weil der Verpflichtete sein Vermögen nicht in einem wohnungsgenossenschaftlichen Miet- und Nutzungsverhältnis vor dem Zugriff der Gläubiger schützen dürfe. Eine unterschiedliche Behandlung von Eigentums- und Genossenschaftswohnungen sei sachlich nicht gerechtfertigt.

Das Rekursgericht wies den Verwertungsantrag der betreibenden Partei ab und stellte die Exekution gemäß § 39 Abs 1 Z 2 EO ein. Es habe bereits in seinem Aufhebungsbeschluss vom 25. August 2005 in Übereinstimmung mit der oberstgerichtlichen Rsp die Rechtsauffassung überbunden, dass für den Fall der Feststellung eines dringenden Wohnbedürfnisses der Verwertungsantrag abzuweisen sein werde. An diese Ansicht sei das Rekursgericht selbst gebunden. Die zweite Instanz sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 4.000 EUR, nicht aber 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur entscheidungswesentlichen Rechtsfrage der analogen Anwendung des § 42 Abs 4 MRG im vorliegenden Verwertungsverfahren widersprüchliche Meinungen im Schrifttum vertreten würden. Insbesondere werde auch die Auffassung vertreten, dass Verpflichtete aus verfassungsrechtlichen Gründen ihr Vermögen nicht durch Veranlagung in einer Genossenschaftswohnung gegenüber den Gläubigern „immunisieren" dürften. Eine oberstgerichtliche Rsp zu dieser Frage liege noch nicht vor.

Mit ihrem Revisionsrekurs beantragt die betreibende Partei die Abänderung dahin, den Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen. Die Verpflichtete beantragt, den Revisionsrekurs als unzulässig zurückzuweisen.

Der Revisionsrekurs ist aus den vom Rekursgericht angeführten Gründen zulässig. Das Rechtsmittel ist auch iS einer Aufhebung zur Verfahrensergänzung berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

I. Die Genossenschaftswohnung als Exekutionsobjekt:

Die vermögenswerten Rechte des Genossenschafters, der eine Wohnung in Bestand genommen hat, bestehen nicht nur aus den Miet- und Nutzungsrechten an der Wohnung, sondern u.a. auch aus dem Anspruch auf Geldleistungen nach Auflösung des Genossenschaftsverhältnisses. Hier hätte die Verpflichtete gemäß § 17 Abs 1 WGG Anspruch auf Rückzahlung des von ihr geleisteten Finanzierungsbeitrags und das nach dem Nutzungsvertrag und der Satzung der Genossenschaft zu errechnende Geschäftsguthaben (vgl dazu ON 8). Gemäß § 56 GenG kann der Privatgläubiger eines Genossenschafters das Auseinandersetzungsguthaben in Exekution ziehen. Nach erfolgter Pfändung (§ 331 EO) kommt als Verwertungsart die Ermächtigung des betreibenden Gläubigers gemäß § 333 EO zur Kündigung als Voraussetzung dafür in Betracht, um dann auf...

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