Entscheidungs 4Ob229/07s. OGH, 20-05-2008

ECLIECLI:AT:OGH0002:2008:0040OB00229.07S.0520.000
Judgement Number4Ob229/07s
Date20 Mayo 2008
Record NumberJJT_20080520_OGH0002_0040OB00229_07S0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Johann E*****, 2. Christoph F*****, 3. Johann G*****, 4. Alfred G*****, 5. Alois G*****, 6. Manfred G*****, 7. Jakob K*****, 8. Klaus L*****, 9. Michael L*****, 10. Georg L*****, 11. Peter W*****, Erst-, Dritt- bis Siebt- und Neunt- bis Elftkläger vertreten durch Dr. Andreas Brugger, Rechtsanwalt in Innsbruck, Zweitkläger vertreten durch Dr. Robert Kerschbaumer, Rechtsanwalt in Lienz, gegen die beklagten Parteien 1. Martin G*****, 2. Hannes L*****, 3. Werner U*****, 4. Roland W*****, alle vertreten durch Dr. Peter Bibiza, Rechtsanwalt in Wien, wegen Feststellung der Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses (Streitwert 10.000 EUR), infolge Revision des Erst-, Dritt-, Viert-, Fünft-, Sechst-, Siebt-, Neunt-, Zehnt- und Elftklägers gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 9. Februar 2007, GZ 2 R 444/06t-41, mit welchem das Urteil des Bezirksgerichts Lienz vom 31. Juli 2006, GZ 4 C 630/05k-37, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben, und die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten im Verfahren über die Berufung der Beklagten.

Text

Begründung:

Die ursprünglich elf Kläger und die vier Beklagten waren im Jahr 2005 Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die eine Schischule in Sankt Jakob im Defereggental betrieb. Sie streiten über die Wirksamkeit eines am 1. Juli 2005 gefassten Gesellschafterbeschlusses, mit dem der Gesellschaftsvertrag geändert wurde. Kern des Rechtsstreits sind die Fragen,

- ob die Gesellschafterversammlung, die den Beschluss gefasst hatte, wirksam einberufen worden war, und

- ob dem mit Zweidrittelmehrheit gefassten Beschluss gesellschaftsvertraglich begründete Sonderrechte des Erstbeklagten oder wesentliche Interessen der überstimmten Minderheit entgegenstehen.

Der Streit hat eine Vorgeschichte von mehr als zwei Jahrzehnten. Bis zum Jahre 1984 wurde die Schischule als Einzelunternehmen geführt. Wegen Streitigkeiten über die Diskrepanz zwischen den Gewinnen des Leiters und den Einkommen der Schilehrer strebten einige von ihnen, darunter der Erstbeklagte, die Gründung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts an. Dadurch sollten die Schilehrer als Gesellschafter mehr Mitspracherechte bekommen; weiters sollte das Einkommen des Leiters gegenüber jenem der mitarbeitenden Gesellschafter in ein angemessenes Verhältnis gebracht werden.

Anlässlich des Abschlusses des Gesellschaftsvertrags zog sich der bisherige Leiter (Einzelunternehmer) zurück. Sein Nachfolger wurde der einzige Schilehrer, der zu diesem Zeitpunkt über die Voraussetzungen für die Erteilung einer Schischulkonzession verfügte. Die Stellung des Leiters war nach dem Gesellschaftsvertrag sehr stark: Da er aufgrund „obrigkeitlicher" Verfügung Inhaber der Schischulkonzession war, wurde er von allen Gesellschaftern als Leiter der Gesellschaft „vorbehaltlos bestimmt und anerkannt". Nur der Leiter war zur Geschäftsführung im Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebs befugt. Er konnte nicht aus der Gesellschaft ausgeschlossen werden, bei den übrigen Gesellschaftern war ein Ausschluss durch Beschluss der Vollversammlung möglich. Für alle Gesellschafter war ein Ausscheiden mit Vollendung des 65. Lebensjahrs vorgesehen. Bei Ausscheiden des Leiters sollte sich die Gesellschaft „von selbst" auflösen; ansonsten sollte das Ausscheiden eines Gesellschafters nicht zur Auflösung der Gesellschaft führen.

Weitere Organe der Gesellschaft waren die Vollversammlung und der Ausschuss. Der Vollversammlung waren - bei Beschlussfassung mit einfacher Mehrheit - ua die Aufnahme und der Ausschluss von Gesellschaftern vorbehalten, dem Ausschuss Maßnahmen des außerordentlichen Wirtschaftsbetriebs. Nur für die Abänderung des „Punktesystems", auf dem die Stimmrechte in der Vollversammlung und die Gewinnverteilung unter den Gesellschaftern beruhten, war ein Beschluss der Vollversammlung mit Zweidrittelmehrheit vorgesehen.

In den folgenden Jahren kam es neuerlich zu Missstimmigkeiten unter den Gesellschaftern, wobei insbesondere (wieder) der Erstbeklagte und einige ihm gleichgesinnte Gesellschafter, so auch der Zweit- und der Viertbeklagte, mit der Amtsführung des Leiters nicht einverstanden waren. Nach einem Rechtsstreit erklärte der Leiter im Juni 1991, seine Tätigkeit zu beenden. Zu diesem Zeitpunkt verfügte nur der Erstbeklagte über die Voraussetzungen für die Erteilung einer Schischulkonzession. Auf Ersuchen der übrigen Gesellschafter erklärte er sich bereit, die Leitung zu übernehmen. Dafür war - wegen der sonst aufgrund des Ausscheidens des bisherigen Leiters eintretenden Auflösung der Gesellschaft - eine einstimmige Änderung des Gesellschaftsvertrags erforderlich, die im Juni 1991 erfolgte.

In einer Gesellschafterversammlung im Mai 1992 wurde der Gesellschaftsvertrag auf Vorschlag des Erstbeklagten neuerlich geändert. Beibehalten wurde dabei jene Klausel, in der nunmehr der Erstbeklagte als Leiter der Gesellschaft „vorbehaltlos bestimmt und anerkannt" wurde. Zu den Kompetenzen der Vollversammlung gehörte jetzt aber auch die „Wahl des Schischulleiters". Für diese Wahl war ebenso wie für die Änderung des Punktesystems und für die neu vorgesehene „Änderung dieses Vertrages" eine Zweidrittelmehrheit angeordnet. Das Dirimierungsrecht des Leiters im Ausschuss entfiel.

In der Folge wurde die Gesellschaft unter der Leitung des Erstbeklagten weitergeführt. Mitte der 1990-er Jahre traten wieder Unstimmigkeiten auf. Einige Gesellschafter, darunter ein Großteil der nunmehrigen Kläger, waren der Ansicht, dass den Gesellschaftern gegenüber dem Leiter (noch immer) zu wenig Mitspracherechte zukämen. Weiters kritisierten sie, dass sich der Erstbeklagte ab 1998 anders als zuvor auch für die Sommermonate einen Geschäftsführerbezug im Ausmaß von zwei Tagen pro Monat ausgezahlt hatte. Die maßgebende Klausel im Gesellschaftsvertrag lautete: Der Schischulleiter als allein Verantwortlicher erhält vorab einen Geschäftsführerbezug (Vorausgewinnbezug) für jeden Tag seiner Tätigkeit für die Schischule (maximal pro Monat 26 Arbeitstage), den die Vollversammlung festsetzt.

Im Herbst 2004 beschlossen die Kläger, eine Änderung des Gesellschaftsvertrags vorzubereiten. In mehreren Treffen arbeiteten sie - zuletzt mit anwaltlicher Hilfe - einen geänderten Vertragsentwurf aus. Die Beklagten zogen sie zu den Besprechungen nicht bei, da für sie klar war, dass der Erstbeklagte mit Unterstützung des Zweit- und des Viertbeklagten gegen die Vertragsänderung opponieren würde. Beim Drittbeklagten nahmen sie an, dass er ohnedies nur mehr selten in der Schischule anwesend sei und daher kein richtiges Bild von den dortigen Vorgängen habe.

Der Entwurf der Kläger wich insbesondere in folgenden Punkten vom bestehenden Gesellschaftsvertrag ab: Die Bestimmung, wonach der Erstbeklagte von allen Gesellschaftern als Leiter der Erwerbsgesellschaft vorbehaltlos bestimmt und anerkannt werde, sollte ersatzlos entfallen (Punkt II). Nicht nur der Leiter, sondern auch fünf Gesellschafter sollten eine Vollversammlung einberufen können (Punkt VI Abs 2). Alle fünf Jahre sollten die Ausschussmitglieder und der Schischulleiter aus dem Kreis der Gesellschafter mit einfacher Mehrheit neu gewählt werden; als Leiter sollten nur solche Gesellschafter in Frage kommen, die eine Schischulkonzession beantragen könnten (Punkt VI Abs 5). Bei Ausscheiden eines Ausschussmitglieds sollte die Nachbesetzung innerhalb eines Monats erfolgen (Punkt VI Abs 6). Eine Zweidrittelmehrheit sollte nur noch für Änderungen des Punktesystems und Vertragsänderungen erforderlich sein (Punkt VI Abs 8). Dem Ausschuss sollten insbesondere alle Geschäfte vorbehalten sein, in denen die Gesellschaft zu einer Leistung oder Haftung von mehr als 10.000 EUR (statt bisher 10.000 Schilling) verpflichtet wird (Punkt VII). Barauslagen und Spesen des Leiters sollten für die Monate Dezember bis April mit 1.000 EUR pauschaliert werden (Punkt X Abs 3); für die übrige Zeit des Jahres war eine Arbeits- und Aufwandsentschädigung von pauschal 3.500 EUR vorgesehen (Punkt X Abs 4). Während im bestehenden Gesellschaftsvertrag vorgesehen war, dass Gewinnanteile von Gesellschaftern, die in der Saison weniger als 75 Tage Unterricht erteilt hatten, anteilig gekürzt und der freiwerdende Betrag an die anderen Gesellschafter ausgeschüttet werde, sollte die Kürzung nun erst bei einer Tätigkeit von weniger als 65 Tagen eintreten; der freiwerdende Betrag sollte als Rücklage in der Gesellschaft verbleiben (Punkt X Abs 6). Der Ausschluss des Leiters sollte im Falle des Konkurses oder der Pfändung seines Gesellschaftsanteils zulässig sein (Punkt XI Abs 2).

Am 11. April 2005 übermittelten die Kläger ihren Entwurf dem Erstbeklagten und forderten ihn auf, eine Vollversammlung zur Abstimmung darüber einzuberufen. Der Erstbeklagte reagierte darauf zuerst nicht. Nach einer Urgenz teilte er mit, dass die Einladung zu einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung nicht vor der zweiten Juniwoche erfolgen könne. Daraufhin betrieben die Kläger neuerlich die Einberufung der Vollversammlung. Am 25. Mai 2005 übermittelten sie den Vertragsentwurf und Kopien ihrer Korrespondenz mit dem Erstbeklagten an den Zweit-, den Dritt- und den Viertbeklagten.

Am 24. Juni 2005 berief der Erstbeklagte mit E-Mail eine Vollversammlung für den 1. Juli 2005, 20.30 Uhr, ein; wesentlicher Tagesordnungspunkt war die Änderung des Gesellschaftsvertrags. Die E-Mail sandte er „um 19.30 Uhr oder 20.38 Uhr" ab.

Die für die Einberufung maßgebende Klausel im bestehenden...

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