Entscheidungs 4Ob230/18d. OGH, 25-04-2019

ECLIECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00230.18D.0425.000
Judgement Number4Ob230/18d
Date25 Abril 2019
Record NumberJJT_20190425_OGH0002_0040OB00230_18D0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der Klägerin Republik Slowenien, vertreten durch Drźavno Odvedniśtvo, Ljubljana, Śubićeva 1, Slowenien, vertreten durch Mag. Rudolf Vouk und andere Rechtsanwälte in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die Beklagten 1. I***** M*****, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, 2. R***** A*****, 3. H***** H*****, 4. Dr. S***** B*****, 5. B***** M*****, 6. Verlassenschaft nach A***** S*****, 7. P***** M*****, jeweils vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in Salzburg, wegen 8.512.651,47 EUR sA, über die Revisionen der Erstbeklagten sowie der Zweit- bis Siebentbeklagten gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. August 2018, GZ 4 R 15/18f-277, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 30. Oktober 2017, GZ 5 Cg 111/08g-267, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Revisionen wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagten sind schuldig, der Klägerin die wie folgt bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen, und zwar die Erstbeklagte 2.887,49 EUR (darin 481,25 EUR USt), die Zweitbeklagte 2.956,88 EUR (darin 492,81 EUR USt), die Drittbeklagte 2.987,12 EUR (darin 497,85 EUR USt), die Viert-, Fünft-, Sechst- und Siebentbeklagten jeweils 2.239,90 EUR (darin jeweils 373,32 EUR USt).

Text

Entscheidungsgründe:

Die Rechtsvorgänger der Beklagten waren bis 1945 Eigentümer einer Weberei in Slowenien (damals Teilgebiet von Jugoslawien). Im Jahr 1945 wurde mit Strafurteil des Kriegsgerichts Ljubljana sowie mit Bescheid eines Konfiskationsausschusses auf Grundlage des sogenannten AVNOJ-Erlasses das Vermögen dieser Rechtsvorgänger beschlagnahmt und verstaatlicht und sie wurden aus Jugoslawien ausgewiesen.

Die Beklagten stellten im Jahr 1993 bei einer slowenischen Verwaltungsbehörde einen Antrag auf Entnationalisierung des Vermögens gemäß dem Entnationalisierungsgesetz; beim Kreisgericht Ljubljana stellten sie einen Antrag auf Änderung des Strafurteils des Kriegsgerichts. Letzterem Antrag wurde 1995 stattgegeben und das Urteil des Kriegsgerichts Ljubljana aus dem Jahr 1945 aufgehoben. Die Beklagten stellten daraufhin beim zuständigen slowenischen Bezirksgericht einen Antrag auf Rückübergabe des beschlagnahmten Vermögens nach dem Gesetz über die Durchführung von Strafsanktionen (ZIKS-Gesetz). Die Verwaltungsbehörde stellte 1996 das Entnationalisierungsverfahren ein und verwies die Beklagten auf das gerichtliche ZIKS-Verfahren.

2002 gab das Bezirksgericht dem Antrag der Beklagten auf Vermögensrückgabe statt. Die Klägerin wurde mit Beschluss verpflichtet, den Beklagten eine Entschädigung für das zu erstattende, mit umgerechnet 7.193.824,66 EUR bewertete Vermögen in Form von Staatsanleihen der Republik Slowenien zu leisten. Nach Bestätigung dieser Entscheidung 2003 durch das Gericht zweiter Instanz erbrachte die Klägerin die titelmäßig geschuldete Leistung an die Beklagten durch Übergabe von insgesamt 171.535 Stück Staatsanleihen in zwei Tranchen am 27. 5. 2003 und am 26. 7. 2004.

Allerdings hob der Oberste Gerichtshof der Republik Slowenien in Abkehr von seiner bis damals geübten Rechtsprechung am 19. 2. 2004 die Beschlüsse der ersten und zweiten Instanz über die Entschädigung auf und verwies die Sache an das Bezirksgericht zur neuerlichen Durchführung des Verfahrens zurück, um zu klären, auf welcher Rechtsgrundlage die Beschlagnahme des Vermögens erfolgt sei, zumal davon abhängig sei, ob die Beklagten die Rückgabe des beschlagnahmten Vermögens im Verwaltungsverfahren (ZDen-Verfahren) oder in einem gerichtlichen Verfahren (ZIKS-Verfahren) begehren müssen. Nach weiteren Rechtsgängen entschied der Oberste Gerichtshof Sloweniens schließlich 2006, dass das Vermögen den Rechtsvorgängern der Beklagten 1945 nicht auf Grundlage des Strafurteils, sondern auf Grundlage des Beschlagnahmebeschlusses des Konfiskationsausschusses abgenommen worden sei, weshalb das Gericht über die Rückgabe des Vermögens mangels Zuständigkeit nicht entscheiden könne. Über den Anspruch auf Rückgabe des beschlagnahmten Vermögens müssten Verwaltungsorgane im Rahmen des ZDen-Verfahrens entscheiden. Im Hinblick auf diese Entscheidung forderte die Klägerin die Beklagten erfolglos auf, die geleistete Entschädigung zurückzuerstatten. Eine von den Beklagten gegen diese Entscheidung erhobene Verfassungsbeschwerde wurde vom slowenischen Verfassungsgericht 2007 nicht zur Behandlung angenommen. Das von den Beklagten schon 1993 eingeleitete Verwaltungsverfahren wurde 2008 fortgesetzt und ist nach wie vor anhängig; es hat bisher noch zu keinem Zuspruch einer Entschädigung geführt. Der nach der Entscheidung des slowenischen Obersten Gerichtshof von den Beklagten angerufene Europäische Gerichtshof für Menschenrechte lehnte die Behandlung der Beschwerde ab.

Die Klägerin fordert von den Beklagten (die Erstbeklagte ist im Sprengel des Erstgerichts wohnhaft) die Rückzahlung der Gegenwerte der ausbezahlten Staatsanleihen, soweit sie nicht gutgläubig verbraucht wurden. Der Rechtsgrund der von ihr erbrachten (Entschädigungs-)Leistung sei durch den Beschluss des Obersten Gerichtshofs der Republik Slowenien nachträglich weggefallen, sodass die Beklagten nicht berechtigt seien, die geleisteten Beträge zu behalten.

Die Beklagten wenden ein, die Aufhebungsentscheidung des Obersten Gerichtshofs der Republik Slowenien widerspreche dem österreichischen ordre public, weshalb sie nicht anzuerkennen sei. Die Vorgangsweise der slowenischen Gerichte führe nämlich im Ergebnis zu einer entschädigungslosen Enteignung der Rechtsvorgänger der Beklagten; darüber hinaus habe das Verfahren in Slowenien nicht den Grundsätzen eines fairen Verfahrens entsprochen. Das Klagebegehren sei aufgrund des bisherigen Verhaltens der slowenischen Gerichte und Verwaltungsbehörden rechtsmissbräuchlich. Solange keine Entscheidung im ZDen-Verfahren vorliege, könne die Klägerin nicht behaupten, die Beklagten stützten sich auf ungerechtfertigte Restitutionsansprüche und seien durch die ausgezahlte Entschädigung bereichert. Eine Rückforderung sei nach slowenischem Recht nicht möglich, weil es sich bei den Entschädigungszahlungen um die Erfüllung einer moralischen Verpflichtung im Sinne des slowenischen Obligationenrechts handle. Davon abgesehen stehe der Rückforderung der Entschädigungsleistungen deren gutgläubiger Verbrauch durch die Beklagten entgegen. Für den Fall der Berechtigung der Klagsforderung rechneten die Beklagten mit ihren Ansprüchen auf Entschädigungszahlung gegen die Klagsforderung auf.

Das Erstgericht sprach aus, dass die Klagsforderung gegen die Erstbeklagte mit 1.273.290,14 EUR, gegen die Zweitbeklagte mit 1.303.690,14 EUR, gegen die Drittbeklagte mit 1.316.690,14 EUR, gegen die Viert-, Fünft- und Sechstbeklagte sowie den Siebtbeklagten mit je 987.517,61 EUR zu Recht, die Gegenforderungen hingegen...

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