Entscheidungs 7Ob181/16t. OGH, 30-11-2016

ECLIECLI:AT:OGH0002:2016:0070OB00181.16T.1130.000
Date30 Noviembre 2016
Judgement Number7Ob181/16t
Record NumberJJT_20161130_OGH0002_0070OB00181_16T0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und durch die Hofräte Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und Dr. Singer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** GmbH, *****, vertreten durch die Diwok Hermann Petsche Rechtsanwälte LLP & Co KG in Wien, gegen die beklagte Partei Q***** GmbH, *****, vertreten durch die Ebner Aichinger Guggenberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen 279.111,12 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 1. Juni 2016, GZ 6 R 84/16i-20, womit das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 19. Februar 2016, GZ 5 Cg 65/15d-16, abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird dahin abgeändert, dass das Urteil des Erstgerichts insgesamt wiederhergestellt wird.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 17.716,81 EUR (darin enthalten 1.135,75 EUR an USt und 10.902 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Zwischen den Streitteilen besteht ein Rahmenvertrag, der die Besorgung der Beförderung von Kaffee der Klägerin zu fixen Kosten durch die Beklagte beinhaltet. Die Beklagte besorgte für die Klägerin ua im Zeitraum Jänner bis August 2013 mittels LKW 20 Kaffeesendungen von Österreich über Deutschland nach Belgien, Dänemark, Luxemburg und in die Niederlande. Die Beklagte führte die Transporte nicht selbst durch, sondern beauftragte damit Frachtführer.

Das Hauptzollamt Erfurt beanstandete anlässlich einer Verkehrskontrolle vom 20. 8. 2013 den 20. und letzten dieser Transporte und stellte den vorgefundenen Kaffee sicher.

Am 26. 8. 2013 wurde ein Mitarbeiter der Klägerin informiert, dass gegen den Fahrer des tschechischen (Sub-)Frachtführers ein Ermittlungsverfahren eingeleitet worden sei. Die Klägerin leistete in weiterer Folge eine vom Hauptzollamt Erfurt zur Freigabe der Ware festgesetzte Sicherheitsleistung in Höhe der Kaffeesteuer von 5.552,26 EUR.

Mit Bescheid vom 4. 9. 2013, der Klägerin zugestellt am 9. 9. 2013, setzt das Hauptzollamt Erfurt die Kaffeesteuer für 2.527 kg Kaffee mit 5.552,26 EUR fest. Kaffee unterliege im Steuergebiet gemäß § 1 dt Kaffeesteuergesetz (KaffeeStG) der Verbrauchssteuer. Wer Kaffee durch das Steuergebiet durchführen will, habe dies dem Hauptzollamt vorher anzuzeigen (§ 17 Abs 4 Satz 2 KaffeeStG). Gelange Kaffee aus dem zollrechtlich freien Verkehr eines anderen Mitgliedstaats zu gewerblichen Zwecken in das Steuergebiet, entstehe die Steuer gemäß § 17 Abs 2 KaffeeStG. Dies gelte nicht, wenn der in Besitz gehaltene Kaffee nicht für das Steuergebiet bestimmt sei und unter Berücksichtigung des Absatzes 4 Satz 2 durch das Steuergebiet befördert werde. Die Klägerin sei – als Versenderin und Besitzerin – Steuerschuldnerin nach § 17 Abs 2 KaffeeStG. In diesem Bescheid wurde weiters festgehalten, dass die Kaffeesteuer mit der bereits geleisteten Sicherheit verrechnet wird. Die Klägerin erhob gegen diesen Bescheid keine Rechtsmittel.

Die Klägerin ließ beim nächsten Ladeauftrag vom 2. 9. 2013 folgenden Vermerk anbringen: „Achtung, die Durchfuhr durch Deutschland beim Zollamt Stuttgart vorher anmelden (betreffend Ablauf Herrn .... kontaktieren).“

Bis zu diesem Vermerk der Klägerin war der Beklagten die Existenz einer Kaffeesteuer in Deutschland nicht bekannt. Dem Geschäftsführer der Klägerin sowie deren Prokuristen war die Existenz einer Kaffeesteuer insofern bekannt, als eine solche bei einer Einfuhr von Kaffee nach Deutschland entsteht. Dass eine Steuer auch bei Durchfuhr von Kaffee durch deutsches Steuergebiet entstehen kann und dass in diesem Zusammenhang eine Anmeldung des Transports beim zuständigen Hauptzollamt notwendig ist, war der Klägerin unbekannt. Im Zuge der gemeinsamen Recherchen der Streitparteien erlangten beide vom genauen Tatbestand des § 17 KaffeeStG Kenntnis.

Im Februar 2014 erstellte die Klägerin – über Aufforderung der deutschen Zollbehörden – eine Liste über die im Zeitraum 2012–2014 erfolgten Durchfuhren von Kaffee. Die Liste enthielt die hier klagsgegenständlichen
– vor dem oben dargestellten 20. Transport durchgeführten – 19 Transporte.

Die Klägerin ging spätestens im Februar 2014 davon aus, dass die klagsgegenständlichen 19 Transporte durch deutsches Steuergebiet geführt worden sind. Ihr war auch bewusst, dass die Ermittlungen der deutschen Zollbehörden viele ihrer Lieferungen betrafen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt war ihr jedenfalls bekannt, dass es sich bei den 19 klagsgegenständlichen Fällen um die Durchfuhr von Kaffee durch Deutschland handelte und eine Anmeldung beim Hauptzollamt Stuttgart im Sinne des § 17 KaffeeStG seitens der Beklagten nicht erfolgt war.

Der Bescheid des Hauptzollamts Erfurt vom 2. 12. 2014, mit welchem gegenüber der Klägerin als Steuerschuldnerin für die klagsgegenständlichen 19 Transporte die Kaffeesteuer mit 279.111,12 EUR festgesetzt wurde, wurde der Klägerin am 9. 12. 2014 zugestellt.

Über einen Einspruch der Klägerin gegen diesen Bescheid wurde bis zum Schluss der Verhandlung noch nicht rechtskräftig entschieden. Die Klägerin bezahlte am 2. 2. 2015 den Klagsbetrag zuzüglich eines Säumniszuschlags auf das Konto des Hauptzollamts Erfurt.

Mit der am 1. 6. 2015 eingelangten Klage begehrt die Klägerin die Zahlung von 279.111,12 EUR sA. Nach den vereinbarten AÖSp habe die Beklagte auch die ordnungsgemäße Verzollung der Versendung zu übernehmen. Durch das Unterlassen der Anzeige der Kaffeedurchfuhren durch...

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