Entscheidungs 8Ob18/08t. OGH, 16-06-2008

ECLIECLI:AT:OGH0002:2008:0080OB00018.08T.0616.000
Judgement Number8Ob18/08t
Date16 Junio 2008
Record NumberJJT_20080616_OGH0002_0080OB00018_08T0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Danzl als Vorsitzenden sowie die Hofräte Dr. Spenling und Dr. Kuras und die Hofrätinnen Dr. Lovrek und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Valentina P*****, vertreten durch Dr. Helene Klaar, Mag. Norbert Marschall Rechtsanwälte OEG in Wien, gegen die beklagte Partei Milan P*****, vertreten durch Suppan & Spiegl, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Ehescheidung, über den Rekurs des Beklagten gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 22. November 2007, GZ 45 R 465/07a-26, womit über Rekurs der Klägerin der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 3. Mai 2007, GZ 24 C 43/06a-22, aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Rekursgerichts wird aufgehoben und der Beschluss des Erstgerichts einschließlich seiner Kostenentscheidung wiederhergestellt.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 732,86 EUR (darin enthalten 122,14 EUR USt) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Klägerin und der Beklagte schlossen am 15. 7. 2001 in der Botschaft der Republik Serbien in Moskau zu Nr 197/2001 die Ehe. Beide Parteien sind serbische Staatsangehörige. Ihre Muttersprache ist serbisch. Der letzte gemeinsame Aufenthalt der Streitteile war in einer im Sprengel des Erstgerichts gelegenen Wohnung.

Am 23. 3. 2006 brachte der Beklagte beim zweiten Gemeindegericht in Belgrad eine Klage wegen Ehescheidung gegen die Klägerin wegen ernsthafter und dauernder Zerrüttung der Ehe ein. Mit der Klage wird das Urteil begehrt, dass die Ehe zwischen den Parteien geschieden werde, die gemeinsamen Kinder zur weiteren Pflege, Aufsicht und Erziehung der Mutter zugesprochen werden und der Vater verpflichtet werde, für jedes Kind monatlich 200 EUR Unterhalt zu leisten.

Eine Gleichschrift der Klage sowie eine Ladung für den 6. 9. 2006, jeweils in serbischer Originalsprache ohne beglaubigte Übersetzung in die deutsche Sprache, wurden der Klägerin aufgrund eines Zustellersuchens des zweiten Gemeindegerichts in Belgrad im Rechtshilfeweg durch das Bezirksgericht Hernals zu 14 Hc 64/06p am 4. 9. 2006 persönlich übergeben. Die Klägerin las die Klage durch und übermittelte sie ihrer Rechtsvertreterin. Am 5. 9. 2006 gab die Klägerin vor dem Bezirksgericht Hernals zu Protokoll, die Annahme innerhalb der dreitägigen Frist (des § 12 Abs 2 ZustG) zu verweigern, weil die Zustellstücke nicht beglaubigt übersetzt seien.

Mit Note vom 18. 9. 2006 teilte das Bezirksgericht Hernals dem Bundesministerium für Justiz mit, dass die Zustellung an die Klägerin nicht bewirkt worden sei, weil die Klägerin mangels beglaubigter Übersetzung der Zustellstücke die Annahme verweigert habe.

Am 9. 10. 2006 brachte die Klägerin gegen den Beklagten eine Ehescheidungsklage vor dem Erstgericht ein. Aufgrund des lieb- und interesselosen Verhaltens des Beklagten sei die Ehe aus dessen Alleinverschulden tiefgreifend zerrüttet.

Als Zustelladresse gab die Klägerin die ehemalige Ehewohnung an, die von der Klägerin nach wie vor bewohnt wird.

Die Klage wurde nach vergeblichen Zustellversuchen am 31. 10. 2006 und am 2. 11. 2006 beim Postamt hinterlegt. Die Abholfrist begann am 3. 11. 2006. Am 20. 11. 2006 langte die Klage beim Erstgericht als nicht behoben ein.

Am 1. 11. 2006 war es zu einem Streit zwischen den Streitteilen in der Ehewohnung gekommen. Im Zuge dieses Streits verließ der Beklagte die eheliche Wohnung und nahm gesondert Wohnung. Er kehrte nur am 25. 11. 2006 und ein weiters Mal zwischen 25. 11. 2006 und 10. 12. 2006 kurz in die Ehewohnung zurück, um einige Sachen abzuholen. Nach dem 31. 10. 2006 übernachtete der Beklagte nicht mehr in der Wohnung. Die Klägerin informierte den Beklagten bis zum 3. 1. 2007 nicht über zurückgelassene Hinterlegungsanzeigen.

Am 17. 11. 2006 erhielt die Klägerin ein Schreiben der Botschaft der Republik Serbien in Wien mit der Aufforderung, sich zur Abholung eines Schriftstücks in die Botschaft zu begeben. Am 20. 11. 2006 erhielt die Vertreterin der Klägerin ein Schreiben der Botschaft der Republik Serbien in Wien unter Anschluss der beim zweiten Gemeindegericht in Belgrad eingebrachten Klage im serbischen Original. Es kann nicht festgestellt werden, dass die Vertreterin der Klägerin von dieser gegenüber dem Gemeindegericht in Belgrad als Zustellbevollmächtigte ausgewiesen worden war.

Am 29. 11. 2006 und am 15. 1. 2007 fanden Verhandlungen vor dem zweiten Gemeindegericht in Belgrad statt. Die Klägerin war dabei durch eine serbische Rechtsanwältin vertreten. In der am 29. 11. 2006 abgehaltenen Verhandlung erklärte die Bevollmächtigte der Klägerin (dort Beklagte), dass ein Verfahren aufgrund einer von ihr erhobenen Klage in Wien eingeleitet worden sei. In der am 15. 1. 2007 vor dem zweiten Gemeindegericht in Belgrad abgehaltenen weiteren Verhandlung wurde die Verhandlung ohne Eingehen in die Sache vertagt und der Vertreterin der Klägerin aufgetragen, sich zum vom Beklagten erhobenen Einwand der Litispendenz zu äußern.

Am 3. 1. 2007 erhielt der Beklagte von der Klägerin ein Schreiben, mit welchem sie dem Beklagten Hinterlegungsanzeigen nachsandte. Um welche Hinterlegungsanzeigen es sich konkret handelte, kann nicht festgestellt werden.

Mit am 12. 1. 2007 per Fax eingelangtem (Einlangen des Originals am 15. 1. 2007) Schriftsatz erhob der Beklagte den Einwand der Streitanhängigkeit wegen des von ihm vor dem zweiten Gemeindegericht in Belgrad eingeleiteten Scheidungsverfahrens. Er habe die in Österreich eingebrachte Klage nicht erhalten; sie sei ihm auch nicht ordnungsgemäß durch Hinterlegung zugestellt worden, weil er zum maßgeblichen Hinterlegungszeitpunkt nicht mehr in der Ehewohnung gewohnt habe. Erst anlässlich einer Verhandlung am 29. 11. 2006 vor dem zweiten Gemeindegericht in Belgrad habe der Beklagte von der von der Klägerin eingebrachten Scheidungsklage erfahren. Die Klägerin sei serbische Staatsbürgerin. Die serbische Sprache sei ihre Muttersprache. Die Klägerin habe die Klage durchgelesen. Die Berufung auf § 12 Abs 2 ZustG stelle einen „klassischen Fall der schikanösen Rechtsausübung" dar. Die Klägerin beherrsche nämlich die deutsche Sprache nur bruchstückhaft, sodass eine deutsche Übersetzung oder eine beglaubigte deutsche Übersetzung in keiner Weise hilfreich gewesen wäre, weil sie sie gar nicht hätte lesen können. Gesetzeszweck des § 12 Abs 2 ZustG sei lediglich der Schutz deutschsprachiger österreichischer Staatsbürger vor formeller Überrumpelung durch ausländische fremdsprachliche Schriftstücke.

Gemäß Art 61 des serbischen Gesetzes über die Lösung der Gesetzeskonflikte mit den Vorschriften anderer Länder, kundgemacht im Amtsblatt der Bundesrepublik Jugoslawien Nr 46/96-9 vom 4. 10. 1996, sei die Zuständigkeit des Gerichts...

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