Entscheidungs 8ObS249/00a. OGH, 26-04-2001

ECLIECLI:AT:OGH0002:2001:008OBS00249.00A.0426.000
Judgement Number8ObS249/00a
Record NumberJJT_20010426_OGH0002_008OBS00249_00A0000_000
Date26 Abril 2001
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Rohrer sowie durch die fachkundigen Laienrichter Walter Darmstädter und Dr. Michael Manhard als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Maria W*****, vertreten durch Dr. Thomas Stampfer, Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwälte in Graz, wider die beklagte Partei Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark, 8021 Graz, Babenbergerstraße 35, vertreten durch die Finanzprokuratur, 1010 Wien, Singerstraße 17-19, wegen S 78.702,80 netto sA, infolge außerordentlicher Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 29. Juni 2000, GZ 7 Rs 90/00k-10, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz als Arbeits- und Sozialgericht vom 1. Dezember 1999, GZ 33 Cgs 106/99f-6, abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das Verfahren wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

II. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Art 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Widerspricht es den Zielen der Richtlinie 80/987/EWG des Rates vom 20. Oktober 1980 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Schutz der Arbeitnehmer bei Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers, wenn ein Gesellschafter ohne beherrschenden Einfluss auf die Gesellschaft unter Berücksichtigung der auch von der österreichischen Rechtsprechung angewandten Grundsätze über das Eigenkapital ersetzende Darlehen seinen Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld dann verliert, wenn er als Arbeitnehmer der Gesellschaft nach Eintritt deren ihm erkennbarer Kreditunwürdigkeit nicht mehr bezahltes laufendes Arbeitsentgelt durch mehr als 60 Tage nicht ernsthaft einfordert und/oder wegen Vorenthaltens des Entgelts nicht vorzeitig austritt?

2. Umfasst dieser Anspruchsverlust alle unberichtigten Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis oder nur solche, die nach jenem fiktiven Zeitpunkt entstanden sind, zu welchem ein unbeteiligter Arbeitnehmer wegen Vorenthaltens des Lohnes den Austritt aus dem Arbeitsverhältnis erklärt hätte?

Text

Begründung:

Die Klägerin war vom 2. Juni 1997 bis 5. Mai 1999 bei einer Gesellschaft mbH, deren Geschäftsführer ihr Ehemann Josef W***** war, als Angestellte beschäftigt. Ihr Tätigkeitsbereich war die Buchhaltung und das Mahnwesen. In Entscheidungen der Unternehmensführung war sie nicht eingebunden. Die Klägerin war - ebenso wie ihr Ehemann - zu 25 % Gesellschafterin ihrer Arbeitgeberin.

Wie der Oberste Gerichtshof im Zwischenverfahren erhoben hat, erfolgte gemäß § 7 Punkt 6 des Gesellschaftsvertrags vom 7. Dezember 1991 der ehemaligen Arbeitgeberin der Klägerin die Beschlussfassung in der Generalversammlung mit einfacher Stimmenmehrheit. Gemäß Punkt 7. bedurften folgende Beschlüsse einer Mehrheit von drei Viertel der abgegebenen Stimmen: a) Änderung des Gesellschaftsvertrages, b) Bestellung und Abberufung von Geschäftsführern und Prokuristen, c) Verlegung des Sitzes der Gesellschaft, d) Gründung von Zweigniederlassungen, e) Kauf, Veräußerung und Belastung von Liegenschaften, f) Aufnahme von Krediten über S 500.000, g) Eingehen von Wechselverbindlichkeiten über S 100.000, h) Eingehen von Bürgschaften, auch der Gesellschafter, i) Verpfändung von Geschäftsanteilen, j) Investitionen über S 200.000 und k) Verwendung des jährlichen Reingewinns.

Mit Beschluss vom 10. Februar 1999 wurde über das Vermögen der Gesellschaft mbH der Konkurs eröffnet. Das Dienstverhältnis der Klägerin endete durch eine vom Masseverwalter gemäß § 25 KO ausgesprochene Kündigung.

Wegen Schwierigkeiten bei Durchführung eines Großauftrags in Ungarn hatte die Arbeitgeberin der Klägerin im Frühjahr 1998 Zahlungsschwierigkeiten bei Materiallieferungen, Löhnen und Lohnnebenkosten. Der Geschäftsführer konnte bei der Hausbank keine Erhöhung des mit 3 Mio S bereits voll ausgenützten Kreditrahmens erreichen. Zur Erlangung eines weiteren Kredits von S 1 Mio war die Verpfändung des im Hälfteeigentum der Klägerin und ihres Ehemannes stehenden Wohnhauses erforderlich. Die Klägerin, die davon ausging, dass mit Einbringlichmachung der Außenstände der ungarischen Baustelle die finanziellen Schwierigkeiten beseitigt sein würden, stimmte der Kreditaufnahme und der Mithaftung zu. Mit dem Überbrückungskredit wurden die dringendsten finanziellen Forderungen beglichen, darunter die Löhne der Mitarbeiter samt Abgaben. In der Folge gelang es jedoch nicht, die Außenstände im Gesamtbetrag zwischen 5 und 7 Mio S einbringlich zu machen. Ab September 1998 konnte die Gesellschaft mbH keine Löhne mehr auszahlen. Deren Geschäftsführer musste darüber hinaus feststellen, dass er sich bei Projekten verkalkuliert hatte, sodass große Verluste zu erwarten waren. Der im November 1998 beigezogene Betriebsberater kam zum Schluss, dass eine Konkursanmeldung unausweichlich sei. Im Unternehmen waren außer der Klägerin 19 Arbeiter und Angestellte sowie 11 Lehrlinge beschäftigt. Bereits vor Konkurseröffnung waren vier Arbeiter und ein Angestellter wegen Entgeltvorenthaltung ausgetreten.

Die Klägerin hatte seit September 1998 keinen Lohn erhalten. Ihre Ansprüche betragen der Höhe nach:

Entgelt September 1998 S 9.892,--

Spesen Aufwandsentschädigung

Kilometergeld S 2.308,--

Entgelt Oktober 1998 S 9.943,--

Spesen Aufwandsentschädigung

Kilometergeld S 7.350,--

Entgelt November 1998 S 9.943,--

Weihnachtsremuneration 1998 S 10.064,--

Entgelt Dezember 1998 S 9.943,--

Entgelt Jänner 1999 S 10.197,--

Entgelt 1. bis 10. Februar 1999 S 3.399,--

Aliquote Sonderzahlungen

1. 1. bis 10. 2. 1999 S 2.318,--

Urlaubsentschädigung für 30 Werktage S 15.470,--

Schadenersatz nach § 25 KO

6. 5. bis 30. 6. 1998 S 21.861,--

8 % Zinsen ab Fälligkeit bis 10. 2. 1998 S 1.159,--

Kosten S 350,--

S 114.197.

Die Klägerin meldete diese Ansprüche im Konkurs der Gesellschaft mbH fristgerecht als Forderung an und beantragte bei der Beklagten rechtzeitig die Zuerkennung von Insolvenz-Ausfallgeld.

Mit Bescheid vom 5. 8. 1999 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin auf Gewährung von Insolvenz-Ausfallgeld im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass von Minderheitsgesellschaftern länger als 60 Tage stehen gelassene fällige Gehaltsansprüche als Eigenkapital...

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