Entscheidungs 9Ob68/22y. OGH, 23-03-2023

ECLIECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00068.22Y.0323.000
Date23 Marzo 2023
Judgement Number9Ob68/22y
Record NumberJJT_20230323_OGH0002_0090OB00068_22Y0000_000
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner, Mag. Korn, MMag. Sloboda und Dr. Annerl in der Rechtssache der klagenden Partei W* S*, vertreten durch Neubauer Fähnrich Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Graz, gegen die beklagte Partei K* Gesellschaft m.b.H. (FN *), *, vertreten durch Pressl Endl Heinrich Bamberger Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, wegen Vertragsaufhebung und 19.490 EUR sA (Gesamtstreitwert: 19.490 EUR), über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 10. September 2019, GZ 4 R 89/19v-59, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 27. März 2019, GZ 20 Cg 15/18t-54, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das Revisionsverfahren wird fortgesetzt.

II. Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Der Kläger kaufte von der beklagten Autohändlerin am 14. 3. 2013 einen PKW der Marke Skoda Yeti 4 x 4 Elegance TDI mit einem Hubraum von 1968 ccm und 81 kW/110 PS, Schadstoffklasse EU5, zum Preis von 23.490 EUR. Dieses seit 31. 1. 2013 zum Verkehr zugelassene Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet, der vom VW-Abgasskandal betroffen ist. Dem Kläger war beim Kauf wichtig, dass das Fahrzeug hinsichtlich des Schadstoffausstoßes dem letzten Stand der Technik und der Euro-Abgasklasse 5 entspricht. Das hatte er auch dem Verkäufer der Beklagten erklärt, der ihm zugesichert hatte, dass das Fahrzeug – auch die Abgaswerte betreffend – auf dem neuesten Stand der Technik sei. Bei Abschluss des Kaufvertrags wies das Fahrzeug einen Kilometerstand von 30 km auf.

[2] Mit Schreiben vom 8. 10. 2015 teilte die I* GmbH, Großhandel SKODA Österreich, dem Kläger mit, dass an seinem Fahrzeug Nacharbeiten erforderlich seien. Nähere vom Kläger verlangte Auskünfte zu diesen Nacharbeiten konnte ihm die Beklagten nicht geben. Das Angebot der Beklagten, das Fahrzeug umzutauschen, nahm der Kläger wegen der für ihn zu hohen Aufzahlung nicht an.

[3] Im Dieselmotor EA 189 funktioniert die Abgasrückführung nach zwei Betriebsmodi: Bei dem Abgasrückführungs-Modus 1 kommt es zu einer relativ hohen Abgasrückführungsrate, während diese Rate bei Modus 0 geringer ist. Der Modus 1 kam nur im Rahmen des Emissionsprüfverfahrens unter Laborbedingungen zum Einsatz. Der Modus 0 findet im Fahrzeugbetrieb unter normalen Fahrbedingungen im Straßenverkehr Anwendung. Der Modus 1 ist nur aktiv, wenn das Fahrzeug das Verfahren zur Ermittlung der Fahrzeugemissionen am Rollenprüfstand durchläuft. Aus technischer Sicht ist die Abgasrückführung (AGR) ein emissionsrelevantes Bauteil, das durch seine Regelung bzw Steuerung (durch die Software im elektronischen Motorsteuergerät) die Entstehung von NOx-Emissionen beeinflusst. Da die „Umschaltlogik“ (Modus 0 und 1) die Funktion des Systems verändert, wodurch die Wirksamkeit bei normalem Fahrzeugbetrieb verringert wird, stellt die „Umschaltlogik“ aus technischer Sicht eine Abschalteinrichtung dar.

[4] Das deutsche Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) ordnete mit Bescheid vom 15. 10. 2015 nachträgliche Nebenbestimmungen zur Typengenehmigung der betroffenen Fahrzeuge zur Gewährleistung der Vorschriftsmäßigkeit der Aggregate des Typs EA 189 EU5 an. Darin wird die Entfernung unzulässiger Abschalteinrichtungen angeordnet. Die Typengenehmigung bleibt nur dann aufrecht, wenn die angeordneten Nebenbestimmungen eingehalten werden.

[5] Die I* GmbH informierte den Kläger am 19. 10. 2016 darüber, dass die benötigte Software zur Verfügung stehe und sein Fahrzeug nun (kostenlos) umprogrammiert werden könne. Dieses Update ließ der Kläger nicht durchführen, weil er kein Vertrauen mehr zu VW und Skoda hat und es unsicher ist, ob das Update nicht negative Auswirkungen hat.

[6] Wäre dem Kläger bekannt gewesen, dass die Motorsteuerung des Fahrzeugs über zwei Betriebsprogramme verfügt und bei der Abgasprüfung in den vorgeschriebenen Fahrzyklus mehr Abgase in den Motor rückgeführt werden, als dies im Straßenbetrieb der Fall ist, wodurch es im Prüfzyklus zu einer Verminderung des Stickoxidausstoßes gegenüber dem Realbetrieb kommt, hätte er das Fahrzeug, auch wenn es billiger gewesen wäre, nicht gekauft. Er wollte kein manipuliertes Fahrzeug erwerben.

[7] Zum Zeitpunkt der Klagszustellung im März 2016 betrug der Kilometerstand des Fahrzeugs rund 36.000 km.

[8] Der Kläger begehrt mit seiner am 11. 3. 2016 eingebrachten Klage die Aufhebung des Kaufvertrags und die Zahlung von 19.490 EUR (Kaufpreis 23.490 EUR abzüglich Benützungsentgelt in Höhe von 4.000 EUR) samt Zinsen Zug um Zug gegen Ausfolgung des Fahrzeugs. Hilfsweise begehrt er aus dem Titel der Preisminderung die Zahlung von 7.000 EUR samt Zinsen. Dazu brachte er vor, dass in seinem Fahrzeug eine gemäß der Verordnung 715/2007 EG unzulässige Abschaltvorrichtung eingebaut sei. Bei der Manipulation der vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge handle es sich um eine vorsätzliche Täuschung der Herstellerin. Die Beklagte sei als Gehilfin der Herstellerin zu qualifizieren. Es liege ein beachtlicher und wesentlicher Irrtum des Klägers vor, den die Beklagte durch die Nichtaufklärung über die erhöhten Abgaswerte veranlasst habe. Er habe kein manipuliertes, den gesetzlichen Vorgaben nicht entsprechendes Fahrzeug gewollt. Er hätte den PKW nicht gekauft, wenn er darüber aufgeklärt worden wäre, dass eine unzulässige Abschaltvorrichtung eingebaut sei. Dass das Fahrzeug der Verordnung 715/2007 EG und geltendem Recht entspreche, sei zumindest konkludent vereinbart gewesen. Aufgrund der unzulässigen Abschaltvorrichtung drohe der Entzug der EU-Typengenehmigung.

[9] Die Beklagte wisse jedenfalls seit 8. 10. 2015, dass sein Fahrzeug Skoda Yeti von den Manipulationen betroffen sei. Obwohl er die Beklagte auf den Mangel aufmerksam gemacht und er sie im Dezember 2015 zur Verbesserung des Mangels aufgefordert habe, habe diese ihm lediglich den Kauf eines anderen Fahrzeugs angeboten, eine Verbesserung habe sie ihm allerdings nicht zugesagt. Eine fachgerechte Verbesserung – ohne Verminderung der Motorleistung oder anderer Eigenschaften des Fahrzeugs – sei im Übrigen nicht möglich. Die für die Typengenehmigung der Fahrzeuge der Marke Skoda zuständige Vehicle Certification Agency (VCA) in Großbritannien habe offenbar nicht alle allenfalls möglichen negativen Auswirkungen des Updates, insbesondere für den Motorverschleiß und das Abgasrückführsystem geprüft. Aufgrund des Vertrauensverlustes sei es ihm nicht zuzumuten, eine Verbesserung durch ein Unternehmen bzw auf Anleitung eines Unternehmens (VW) durchführen zu lassen, das über die Eigenschaften des Fahrzeugs getäuscht habe. Auch sei ihm nicht erklärt worden, welche Veränderungen durch das geplante Update vorgenommen würden. Sollte das Wandlungsbegehren nicht berechtigt sein, habe er zumindest einen Anspruch auf Preisminderung in Höhe von 7.000 EUR. Aufgrund der schlechten Abgaswerte sei der Verkehrs- bzw Wiederverkaufswert des Fahrzeugs um diesen Betrag geringer.

[10] Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte Klageabweisung im Wesentlichen mit der Begründung, das dem Kläger verkaufte Fahrzeug sei nicht mangelhaft. Es sei technisch sicher und in seiner Fahrbereitschaft nicht eingeschränkt. Die für das Fahrzeug erteilte EG-Typengenehmigung sei unverändert aufrecht, das Kraftfahrt-Bundesamt habe diese nicht entzogen und werde diese auch nicht entziehen. Es eigne sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte oder die gewöhnliche Verwendung. Mit dem Kläger sei keine Vereinbarung über eine bestimmte Beschaffenheit des Fahrzeugs getroffen worden. Der Kläger habe beim Kauf des Fahrzeugs nicht zum Ausdruck gebracht, ein Fahrzeug mit einem bestimmten Schadstoffausstoß oder einer bestimmten Emissionsklasse erwerben zu wollen. Für den Endkunden komme es im Zusammenhang mit den Emissionen eines Fahrzeugs allenfalls auf die Zertifizierung nach einer bestimmten Emissionsklasse an. Die Motorsteuerung des Fahrzeugs verfüge zwar über zwei Betriebsprogramme, diese Einwirkung auf das Abgasrückführungssystem stelle aber keine verbotene Abschalteinrichtung im Sinne von Artikel 5 der Verordnung 715/2007 EG dar, weil es sich bei der Abgasrückführung um kein Emissionskontrollsystem handle. Das Fahrzeug entspreche den Vorgaben der EU-Typengenehmigung. Die Emissionsgrenzwerte müssten lediglich im Prüfstandbetrieb eingehalten werden. Eine Vorschrift, welche den Schadstoffausstoß im normalen Straßenbetrieb regle, gebe es nicht. Die Fahrzeuge mit dem Dieselmotor EA 189 würden auf Kosten des Herstellers technisch überarbeitet. Das für das Fahrzeug des Klägers vorgesehene Software-Update stehe seit 18. 10. 2016 zur Verfügung. Nach Umsetzung der technischen Maßnahmen werde die in dem Fahrzeug verwendete Software, die die Stickoxidwerte im Prüfstandlauf beeinflusse, beseitigt sein. Das Kraftfahrt-Bundesamt habe mit Bescheid vom 27. 1. 2016 festgestellt, dass alle im Hinblick auf Schadstoffemissionen geltenden Grenzwerte und sonstigen Anforderungen nach Umsetzung der technischen Maßnahmen eingehalten und diese zu keinerlei negativen Auswirkungen auf den Kraftstoffverbrauch, die CO2-Emissionswerte, Motorleistung, Drehmoment und Geräuschemissionen führen würden. Der Kläger habe die Vornahme dieser technischen Maßnahmen jedoch verweigert. Die für die Typengenehmigung der Fahrzeuge der Marke Skoda zuständige VCA habe mit Schreiben vom 5. 5. 2017 mitgeteilt, dass mit dem Software-Update keinerlei negative Auswirkungen verbunden seien und keine unzulässige Abschalteinrichtung vorliege. Wenn überhaupt, liege bloß ein geringfügiger verbesserungsfähiger Mangel des Fahrzeugs des Klägers vor. Die Beklagte habe Anspruch darauf, den Mangel zu beheben. Dies sei mit dem von der...

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