Entscheidungs 9ObA115/19f. OGH, 29-04-2020

ECLIECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00115.19F.0429.000
Judgement Number9ObA115/19f
Record NumberJJT_20200429_OGH0002_009OBA00115_19F0000_000
Date29 Abril 2020
CourtOberster Gerichtshof (Österreich)
Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Fichtenau, den Hofrat Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Ingomar Stupar (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Werner Pletzenauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei A*****, vertreten durch MMag. Dr. Thomas Mildner, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen die beklagte Partei O*****, vertreten durch Dr. Markus Orgler, Rechtsanwalt in Innsbruck, wegen 19.891,87 EUR, über die Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 12.536,63 EUR), gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Juni 2019, GZ 15 Ra 26/19i-91, mit dem das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Arbeits- und Sozialgericht vom 13. März 2019, GZ 16 Cga 13/16s-84, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 939,24 EUR (darin enthalten 156,54 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger war aufgrund des Dienstvertrags vom 31. 3. 2015 für die beklagte Gesellschaft ab 1. 4. 2015 als Revierjäger tätig. Sein Aufgabengebiet war die Betreuung des von der beklagten Gesellschaft mit Rücksicht auf das jagdliche Interesse der Eheleute Gu***** und Gr***** gepachteten Jagdreviers. Mit Schreiben vom 3. 8. 2015 sprach die Beklagte gegenüber dem Kläger die Kündigung zum 30. 9. 2015 aus. Am 14. 8. 2015 wurde der Kläger (unbegründet) entlassen.

Im Revisionsverfahren noch strittig sind 12.536,99 EUR brutto für Überstundengrundentgelte, 50%ige Zuschläge für „normale“ Überstunden, 100%ige Zuschläge für Sonn-, Feiertags- und Nachtstunden sowie eine Abgeltung für nicht konsumierte freie Tage, die der Kläger unter Berufung auf das Gutsangestelltengesetz (GAngG), die Tiroler Landarbeitsordnung (LAO) 2000 und den Kollektivvertrag für die im Land Tirol tätigen Berufsjäger begehrt.

Der Kläger brachte – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – zusammengefasst vor, das Ehepaar Gu***** und Gr***** sei ihm gegenüber de facto als Arbeitgeber aufgetreten, er habe dessen Anweisungen Folge zu leisten gehabt. Mangels ihm zur Verfügung gestellter Informationen habe er das Jagdgebiet selbständig erkunden und sehr viel Zeit investieren müssen, um das Revier – wie gefordert – bis August 2015 in einen perfekten Zustand „für perfekte Spiele“ zu bringen. Gr***** habe ihm den Auftrag erteilt, ein Jagdtagebuch über die von ihm täglich geleisteten Arbeiten und die dafür aufgewendeten Arbeitszeiten zu führen und ihr bzw ihrem Ehemann das Jagdtagebuch vorzulegen. Bei den schon während aufrechten Dienstverhältnisses angeordneten mehrmaligen Vorlagen habe Gr***** gegen die darin vom Kläger verzeichneten Arbeitsstunden keine Einwände erhoben.

Die Beklagte wendete im Wesentlichen ein, das Ehepaar sei nicht zur organschaftlichen Vertretung der Beklagten befugt gewesen. Nur der Geschäftsführer der Beklagten hätte rechtswirksame Vereinbarungen schließen dürfen, nur ihm gegenüber hätten für die Beklagte rechtswirksame Erklärungen abgegeben werden können. Angesichts der vereinbarten freien Arbeitszeiteinteilung hätte der Kläger keine Überstunden leisten dürfen. Überstunden seien auch nicht erforderlich gewesen, weil der Kläger dem Ehepaar nur bei den wenigen Gelegenheiten deren Anwesenheit im Revier zur Verfügung stehen hätte müssen und sich sonst die Arbeit so ökonomisch wie möglich einteilen hätte sollen. Arbeitszeitaufzeichnungen seien nie akzeptiert worden, zudem seien sie unrichtig.

Zu den Sachverhaltsgrundlagen:

Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht gingen im zweiten Rechtsgang von den in beiden Rechtsgängen getroffenen Feststellungen als Entscheidungsgrundlage aus. Das Erstgericht hat die Festellungen des ersten Rechtsgangs aber nur mehr teilweise wiederholt. Wenngleich dieser Vorgang nicht der Übersichtlichkeit förderlich war, bewirkt er keinen vom Obersten Gerichtshof aufzugreifenden Mangel (vgl 7 Ob 21/07z; 1 Ob 238/05i).

Ausgehend davon lassen sich die Sachverhaltsfeststellungen – soweit für das Revisionsverfahren noch wesentlich – gerafft wie folgt zusammenfassen:

Die Eheleute Gu***** und Gr***** suchten nach einem Jäger für das Jagdrevier. Bei einem Treffen mit dem Kläger im März 2015 wurde ihm von Gu***** die mündliche Einstellungszusage erteilt. Laut schriftlichem Dienstvertrag ist eine Arbeitszeit von 173 Stunden im Monatsdurchschnitt vereinbart, die Arbeitszeiteinteilung hat sich nach den jeweiligen Jagderfordernissen zu richten. Als Entlohnung wurden 1.913 EUR brutto monatlich festgesetzt, weiters wurde eine Dienstaufwandsentschädigung in Höhe von 155 EUR monatlich, Kostenersatz für die Hundeführung in Höhe von 121 EUR monatlich sowie eine Überzahlung in Höhe von 199,33 EUR monatlich gewährt (Pkt IV des Dienstvertrags). Nachdem der Kläger den Dienstvertrag unterfertigt hatte, wurde er für die Beklagte von deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer gegengezeichnet. Der Kläger hatte mit Ausnahme eines Gesprächs mit der Lohnverrechnerin der Beklagten zu einem Jagdabschuss keinen direkten Kontakt zur Beklagten.

Der Kläger konnte seine Arbeitszeit frei einteilen. Er erhielt von Gr***** die Anweisung, ein Jagdtagebuch zu führen, wobei diese darauf bestand, dass daraus Datum, Wetterverhältnisse, Uhrzeit, durchgeführte Arbeiten und auch die geleisteten Arbeitsstunden ablesbar sein sollten. Entsprechend dieser Anweisung führte der Kläger für seinen gesamten Tätigkeitszeitraum (April bis August 2015) Jagdtagebücher, deren Inhalt von den Vorinstanzen im Einzelnen festgestellt wurde. Beispielweise weist das Jagdtagebuch für den 3. 4. 2015 folgenden Inhalt auf: „3. 4. 2015: sonnig, 7.30-12.00: Füttern R*****, Füttern L***** mit X*****, 15.00 bis 17.00: Füttern T***** 20 Sack Rehfutter verliefert; 4. 4. 2015: Schneeregen, 6.30-9.00: R***** Nachschau L***** Füttern (Vorsilo fertig) 14.30-17.00: Füttern T*****“. In einer Spalte ganz rechts sind die jeweils geleisteten Arbeitsstunden aufgelistet, etwa für den 3. 4. 2015 vormittags 4 Stunden und nachmittags 2 Stunden; für den 4. 4. 2015 vormittags 3 Stunden und nachmittags 3,5 Stunden. Für den Monat April 2015 ist zum Monatsletzten als Gesamtsumme der geleisteten Arbeitsstunden die Summe von 209,2 Stunden ausgeworfen, für den Monat Mai die Summe von 217,25 Stunden, für Juni die Summe von 185,25 Stunden etc. Der Kläger hat die in den Jagdtagebüchern von April bis einschließlich August 2015 festgehaltenen Arbeiten zum genannten Datum, zur genannten Uhrzeit und im genannten Umfang tatsächlich ausgeführt. Bei den zwischen den Eheleuten und dem Kläger regelmäßig stattfindenden Besprechungen hatte der Kläger die Jagdtagebücher zur Einsicht vorzulegen. Die Ehegatten erhoben bei Durchsicht der Aufzeichnungen keine Einwände. Die aus den Jagdtagebüchern ersichtlichen Überstunden sowie die Stunden an Sonn – und Feiertagen, Ruhezeiten oder Nachtarbeit waren bei...

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