Entscheidungstexte nº WI6/2016. VfGH. 01-07-2016

ECLIECLI:AT:VFGH:2016:WI6.2016
Date01 Julio 2016
VERFASSUNGSGERICHTSHOF
Verfassungsgerichtshof
Freyung 8, A-1010 Wien
www.verfassungsgerichtshof.at
W I 6/2016-125
1. Juli 2016
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Der Verfassungsgerichtshof hat unter dem Vorsitz des
Präsidenten
Dr. Gerhart HOLZINGER,
in Anwesenheit der Vizepräsidentin
Dr. Brigitte BIERLEIN
und der Mitglieder
Dr. Markus ACHATZ,
Mag. Dr. Eleonore BERCHTOLD-OSTERMANN,
Dr. Sieglinde GAHLEITNER,
DDr. Christoph GRABENWARTER,
Dr. Christoph HERBST,
Dr. Michael HOLOUBEK,
Dr. Helmut HÖRTENHUBER,
Dr. Claudia KAHR,
Dr. Georg LIENBACHER,
Dr. Rudolf MÜLLER,
Dr. Johannes SCHNIZER und
Dr. Ingrid SIESS-SCHERZ
als Stimmführer, im Beisein des verfassungsrechtlichen Mitarbeiters
Mag. Heinz VERDINO
als Schriftführer,
W I 6/2016-125
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über die von Heinz-Christian STRACHE, p.A. Freiheitliche Partei Österreichs,
Friedrich-Schmidt-Platz 4/3a, 1080 Wien, vertreten durch B&S Böhmdorfer
Schender Rechtsanwälte GmbH, Gußhausstraße 6, 1040 Wien, am 7. Juni 2016
eingebrachte Anfechtung des zweiten Wahlganges der Bundespräsidentenwahl
vom 22. Mai 2016 nach der am 20., 21., 22., 23. sowie 29. Juni 2016 und am
1. Juli 2016 durchgeführten öffentlichen mündlichen Verhandlung, nach Anhö-
rung des Vortrages des Berichterstatters und der Ausführungen der Vertreter des
Anfechtungswerbers, Rechtsanwalt Dr. Dieter Böhmdorfer, Rechtsanwalt
Mag. Rüdiger Schender und Rechtsanwalt MMag. Dr. Michael Rohregger, des
Vertreters der Bundeswahlbehörde, Ministerialrat Mag. Robert Stein, sowie der
Vertreter der beteiligten Partei, Rechtsanwältin Dr.in Maria Windhager und
Rechtsanwalt Mag. Georg Bürstmayr, gemäß Art. 141 B-VG zu Recht erkannt und
am heutigen Tage verkündet:
Der Anfechtung wird stattgegeben. Das Verfahren des zweiten Wahlganges der
Bundespräsidentenwahl vom 22. Mai 2016 wird ab der Kundmachung der Bun-
deswahlbehörde vom 2. Mai 2016 aufgehoben, soweit mit dieser die Vornahme
eines zweiten Wahlganges am 22. Mai 2016 angeordnet wird.
Entscheidungsgründe
I. Sachverhalt, Anfechtung und Vorverfahren
1. Der Anfechtungswerber ist zustellungsbevollmächtigter Vertreter des auf
Ing. Norbert Hofer lautenden Wahlvorschlages für die Wahl des Bundespräsiden-
ten. Dieser Wahlvorschlag wurde am 24. März 2016 von der Bundeswahlbehörde
veröffentlicht (vgl. die Kundmachung zu GZ: BMI-WA1220/0070-III/6/2016). Am
24. April 2016 fand der erste, mit Verordnung der Bundesregierung,
BGBl. II 28/2016, ausgeschriebene Wahlgang der Wahl des Bundespräsidenten
statt.
2. Am 2. Mai 2016 wurde das Ergebnis der Bundespräsidentenwahl vom
24. April 2016 von der Bundeswahlbehörde kundgemacht und, weil kein Wahl-
werber die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen gemäß § 17 Bundespräsi-
dentenwahlgesetz 1971 (BPräsWG) erreicht hatte, gemäß § 19 Abs. 1 BPräsWG
ein zweiter Wahlgang angeordnet. Als Wahltag wurde Sonntag, der 22. Mai
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2016, bestimmt. Auf Grund des Ergebnisses des ersten Wahlganges (vgl. die
Kundmachung der Bundeswahlbehörde vom 2. Mai 2016 über das Ergebnis der
Bundespräsidentenwahl vom 24. April 2016 sowie die Vornahme eines zweiten
Wahlganges am 22. Mai 2016, GZ: BMI-WA1220/0213-III/6/2016) nahmen die
Wahlwerber Ing. Norbert Hofer sowie Dr. Alexander Van der Bellen am zweiten
Wahlgang am 22. Mai 2016 teil.
3. Laut Kundmachung der Bundeswahlbehörde vom 1. Juni 2016 wurden für die
Wahl des Bundespräsidenten von den 4.637.046 abgegebenen Stimmen 164.875
als ungültig gewertet. Von den 4.472.171 als gültig gewerteten Stimmen entfie-
len jeweils auf:
Ing. Norbert Hofer: 2.220.654
Dr. Alexander Van der Bellen: 2.251.517
Dr. Alexander Van der Bellen wurde als zum Bundespräsidenten gewählt erklärt.
4. Mit der vorliegenden, auf Art. 141 Abs. 1 lit. a B-VG und § 21 Abs. 2 BPräsWG
gestützten Wahlanfechtung vom 7. Juni 2016 begehrt der Anfechtungswerber,
"das gesamte Wahlverfahren betreffend die mit BGBl II 28/2016 ausgeschriebe-
ne Wahl des Bundespräsidenten ab der Anordnung des zweiten Wahlgangs durch
Kundmachung der Bundeswahlbehörde vom 02.05.2016 auf[zu]heben und für
nichtig [zu] erklären".
4.1. In seiner Anfechtungsschrift begründet der Anfechtungswerber das Vorlie-
gen der für die Wahlanfechtung erforderlichen Prozessvoraussetzungen im
Wesentlichen wie folgt: Der Anfechtungswerber sei zustellungsbevollmächtigter
Vertreter eines dem Gesetz entsprechenden Wahlvorschlages gemäß § 9
BPräsWG, nämlich jenem vom 17. März 2016, mit dem der Dritte Präsident des
Nationalrates, Nationalratsabgeordneter Ing. Norbert Hofer, geboren am 2. März
1971, für die Wahl des Bundespräsidenten vorgeschlagen wurde. Die Anfechtung
sei auch innerhalb einer Woche nach Kundmachung der Bundeswahlbehörde
vom 1. Juni 2016 über das endgültige Ergebnis der Bundespräsidentenwahl und
damit jedenfalls innerhalb der einwöchigen Anfechtungsfrist nach § 21 Abs. 2
leg.cit. beim Verfassungsgerichtshof eingebracht worden (zu den in der vorlie-
genden Anfechtungsschrift vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken
gegen diese Frist s. Punkt I.4.3.1.).
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