Verordnung des Bundesministeriums für Justiz vom 20. Juni 1947 über den erweiterten Wirkungskreis der gerichtlichen Geschäftsstelle.

Auf Grund der Artikel VI und XVI des Bundesgesetzes vom 2. Juli 1929, B. G. Bl.

Nr. 222, über Änderungen des gerichtlichen Verfahrens

(Sechste Gerichtsentlastungsnovelle) wird verordnet:

Der erweiterte Wirkungskreis der Geschäftsstelle.

§ 1. (1) Zur selbständigen und selbstverantwortlichen Erledigung der in § 56 a, Gerichtsorganisationsgesetz

(GOG.), angeführten Geschäfte des gerichtlichen Verfahrens (erweiterter Wirkungskreis der Geschäftsstelle) sind geeignete Fachbeamte zu bestellen.

(2) Die mit dem erweiterten Wirkungskreis betrauten Fachbeamten führen neben ihrem Amtstitel die dienstliche Bezeichnung „Rechtspfleger".

(3) Durch die Bestellung zum Rechtspfleger wird die dienst- und besoldungsrechtliche Stellung des Beamten nicht berührt.

(4) Der Rechtspfleger ist nach Maßgabe des dienstlichen Bedarfes als solcher zu verwenden,

er kann aber gleichzeitig Leiter der Geschäftsabteilung jener Gerichtsabteilung sein, der er zugewiesen ist.

Voraussetzungen für die Übertragung des erweiterten Wirkungskreises.

§ 2. Der erweiterte Wirkungskreis darf nur Fachbeamten übertragen werden,

die mit den Arbeiten der Geschäftsstelle vollkommen vertraut sind,

die die erste Kanzleiprüfung und die Grundbuchsführerprüfung abgelegt haben und den Nachweis der entsprechenden Befähigung zur Besorgung der Geschäfte des erweiterten Wirkungskreises gemäß § 3 erbringen.

Nachweis der Befähigung.

§ 3. (1) Fachbeamte, die durch mindestens drei Jahre die Geschäfte der vorbereitenden Erledigung auf dem Arbeitsgebiete, für das sie als Rechtspfleger bestellt werden sollen, vollkommen zuverlässig besorgt halben und die Eignung zum selbständigen Verkehr mit den Parteien besitzen,

können ohne Besuch eines Unterrichtskurses und ohne Prüfung zum Rechtspfleger bestellt werden.

(2) Andere Fachbeamte haben den Nachweis ihrer Befähigung durch erfolgreiche Zurücklegung eines Lehrganges und Ablegung einer Prüfung zu erbringen.

Die Einrichtung dieses Lehrganges und der Prüfung ist durch den Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 20. Dezember 1929,

JABl. Nr. 33, über die Ausbildung der Fachbeamten,

für den erweiterten Wirkungskreis der Geschäftsstelle geregelt.

Pflicht zur Vorlage von Geschäftsstücken.

§ 4. (1) Der Rechtspfleger ist verpflichtet, ein Geschäftsstück, auch wenn es in den erweiterten Wirkungskreis fällt, dem Richter vorzulegen:

  1. wenn sich der Richter die Erledigung des Geschäftsstückes oder von Geschäften dieser Art vorbehalten hat;

  2. wenn der Rechtspfleger von der ihm bekannten Stellungnahme des Richters abweichen will;

  3. wenn sich bei der Bearbeitung Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art ergeben.

    (2) Rechtsmittel und Beschwerden sowie Geschäftsstücke,

    deren Erledigung an eine vorgesetzte oder ausländische Behörde, an eine fremde Vertretungsbehörde im Inland oder an eine österreichische Vertretungsbehörde im Ausland zu senden ist, sind stets vom Richter zu erledigen. Ordnungsstrafen dürfen nur vom Richter verhängt werden.

    (3) In allen anderen Fällen hat der Rechtspfleger die ihm nach dem erweiterten Wirkungskreis zufallenden Geschäftsstücke zu erledigen,

    ohne sie vorher dem Richter vorzulegen.

    (4) Die Vorschriften der §§ 19 bis 22 und 25,

    Abs. (1), JN., über die Ablehnung von Richtern sind sinngemäß auf die Rechtspfleger anzuwenden.

    Über die Ablehnung entscheidet der Gerichtsvorsteher in Ausübung der ihm zustehenden Geschäftsleitung endgültig; wenn er der Ablehnung stattgibt, hat der Richter die Rechtssache zu erledigen.

    Umfang des erweiterten Wirkungskreises in Zivilprozeßsachen.

    § 5. (1) Der erweiterte Wirkungskreis in Zivilprozeßsachen umfaßt:

  4. die Bestätigung der Rechtskralt und der Vollstreckbarkeit;

  5. die Erlassung von Zahlungsbefehlen im Mahnverfahren;

  6. die Bewilligung der Zwangsvollstreckung zur Hereinbringung von Geldforderungen auf das bewegliche Vermögen gemäß §§ 249

    bis 329 EO. sowie gemäß der Verordnung zur einheitlichen Regelung des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen (Lohnpfändungsverordnung 1940) vom 30. Oktober 1940, Deutsches R. G. Bl. I S. 1415;

  7. die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung des Armenrechtes in den angeführten Rechtssachen des erweiterten Wirkungskreises.

    (2) Dem Richter bleibt vorbehalten:

  8. die Bewilligung der Exekution auf Grund eines ausländischen Exekutionstitels und die Erledigung eines Widerspruches dagegen;

  9. die Entscheidung über Aufschiebungsanträge.

    Umfang des erweiterten Wirkungskreises in Zwangsvollstreckungssachen.

    § 6. (1) Der erweiterte Wirkungskreis in Zwangsvollstreckungssachen umfaßt:

  10. die Zwangsvollstreckung zur Hereinbringung von Geldforderungen auf das bewegliche Vermögen gemäß §§ 249 bis 329

    EO. sowie gemäß der Verordnung zur einheitlichen Regelung des Pfändungsschutzes für Arbeitseinkommen (Lohnpfändungsverordnung 1940) vom 30. Oktober 1940, Deutsches R. G. Bl. I. S. 1415;

  11. das Offenbarungseidesverfahren [§ 47,

    Abs. (2), E.O.];

  12. die Bestätigung der Rechtskraft und der Vollstreckbarkeit;

  13. die Entscheidung über den Antrag auf Bewilligung des Armenrechtes in den angeführten Rechtssachen des erweiterten Wirkungskreises.

    (2) Dem Richter bleiben vorbehalten:

  14. die Bewilligung der Exekution auf Grund eines ausländischen Exekutionstitels und die Erledigung eines Widerspruches dagegen;

  15. die Abnahme des Offenbarungseides;

  16. die Verhängung der Haft;

  17. die Entscheidung über Aufschiebungsanträge,

    die im Zusammenhang mit einer Rechtsstreitigkeit im Laufe des Exekutionsverfahrens...

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