EUROPÄISCHE SOZIALCHARTA

Nachdem die am 18. Oktober 1961 in Turin zur Unterzeichnung aufgelegte Europäische Sozialcharta samt Anhang und einer Erklärung der Republik Österreich gemäß Artikel 20 Absatz 2 der;

Charta die verfassungsmäßige Genehmigung des Nationalrates erhalten hat, erklärt der Bundespräsident dieses Vertragswerk samt der Erklärung der Republik Österreich, welche also lauten:

(Ãœbersetzung)

Die unterzeichnenden Regierungen,

Mitglieder des Europarates,

sind in der Erwägung, daß der Europarat die Herstellung einer engeren Verbindung zwischen seinen Mitgliedern zur Aufgabe hat, um die Ideale und Grundsätze,

die ihr gemeinsames Erbe sind, zu bewahren und zu verwirklichen und um ihren wirtschaftlichen und sozialen Fortschritt,

insbesondere durch die Erhaltung und Weiterentwicklung der Menschenrechte und Grundfreiheiten zu fördern,

in der Erwägung, daß die Mitgliedstaaten des Europarates in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und in dem am 20. März 1952 in Paris unterzeichneten Zusatzprotokoll

übereingekommen sind, ihren Völkern die hierin angeführten bürgerlichen und politischen Rechte und Freiheiten zu sichern,

in der Erwägung, daß die Ausübung sozialer Rechte ohne Diskriminierung aus Gründen der Rasse, der Hautfarbe, des Geschlechts, der Religion, der politischen Meinung, der nationalen Abstammung oder der sozialen Herkunft gesichert sein muß,

in dem Entschluß, gemeinsam alle Anstrengungen zu unternehmen,

um durch geeignete Einrichtungen und Maßnahmen den Lebensstandard ihrer Bevölkerung in Stadt und Land zu verbessern und ihr soziales Wohl zu fördern,

wie folgt übereingekommen:

TEIL I Die Vertragsparteien anerkennen als Ziel ihrer Politik, das sie mit allen zweckmäßigen Mitteln auf staatlicher und zwischenstaatlicher Ebene verfolgen werden, geeignete Voraussetzungen zu schaffen, damit die tatsächliche Ausübung der folgenden Rechte und Grundsätze gewährleistet ist:

  1. Jedermann soll die Möglichkeit haben, seinen Lebensunterhalt durch eine frei übernommene Tätigkeit zu verdienen.

  2. Alle Arbeitnehmer haben das Recht auf gerechte Arbeitsbedingungen.

  3. Alle Arbeitnehmer haben das Recht auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen.

  4. Alle Arbeitnehmer haben das Recht auf ein gerechtes Arbeitsentgelt,

    das ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard sichert.

  5. Alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben das Recht auf Freiheit zur Vereinigung in innerstaatlichen und internationalen Organisationen zum Schutz ihrer wirtschaftlichen und sozialen Interessen.

  6. Alle Arbeitnehmer und Arbeitgeber haben das Recht auf Kollektivverhandlungen.

  7. Kinder und Jugendliche haben das Recht auf besonderen Schutz gegen körperliche und sittliche Gefahren, denen sie ausgesetzt sind.

  8. Arbeitnehmerinnen haben im Falle der Mutterschaft und in anderen geeigneten Fällen das Recht auf besonderen Schutz bei der Arbeit.

  9. Jedermann hat das Recht auf geeignete Möglichkeiten der Berufsberatung, die ihm helfen soll, einen Beruf zu wählen, der seiner persönlichen Eignung und seinen Interessen entspricht.

  10. Jedermann hat das Recht auf geeignete Möglichkeiten der Berufsausbildung.

  11. Jedermann hat das Recht,

    alle Mittel in Anspruch zu nehmen,

    die es ihm ermöglichen,

    sich des besten Gesundheitszustandes zu erfreuen, den er erreichen kann.

  12. Alle Arbeitnehmer und ihre Angehörigen haben das Recht auf Soziale Sicherheit.

  13. Jedermann hat das Recht auf soziale und ärztliche Hilfe,

    wenn er keine ausreichenden Mittel hat.

  14. Jedermann hat das Recht,

    soziale Dienste in Anspruch zu nehmen.

  15. Jeder Behinderte hat das Recht auf berufliche Ausbildung,

    sowie auf Eingliederung und Wiedereingliederung, ohne Rücksicht auf Ursprung und Art seiner Behinderung.

  16. Die Familie als Grundeinheit der Gesellschaft hat das Recht auf angemessenen sozialen,

    gesetzlichen und wirtschaftlichen Schutz, damit ihre volle Entfaltung gesichert wird.

  17. Mütter und Kinder haben,

    unabhängig vom Bestehen einer Ehe und vom Verwandtschaftsverhältnis,

    das Recht auf angemessenen sozialen und wirtschaftlichen Schutz.

  18. Die Staatsangehörigen einer Vertragspartei haben das Recht,

    im Gebiet einer anderen Vertragspartei jede Erwerbstätigkeit gleichberechtigt mit deren Staatsangehörigen aufzunehmen, vorbehaltlich von Einschränkungen,

    die auf schwerwiegenden wirtschaftlichen oder sozialen Gründen beruhen.

  19. Wanderarbeiter, die Staatsangehörige einer Vertragspartei sind, und ihre Familien haben das Recht auf Schutz und Beistand im Hoheitsgebiet jeder anderen Vertragspartei.

    TEIL II Die Vertragsparteien erachten sich durch die in den folgenden Artikeln und Absätzen festgelegten Verpflichtungen nach Maßgabe des Teiles III gebunden.

    Artikel 1

    DAS RECHT AUF ARBEIT Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Arbeit zu gewährleisten,

    verpflichten sich die Vertragsparteien:

  20. die Erreichung und die Aufrechterhaltung eines möglichst hohen und stabilen Beschäftigungsstandes zu einem ihrer Hauptziele und einer ihrer wichtigsten Aufgaben zum Zwecke der Verwirklichung der Vollbeschäftigung zu machen;

  21. das Recht des Arbeitnehmers wirksam zu schützen, seinen Lebensunterhalt durch eine frei übernommene Tätigkeit zu verdienen;

  22. unentgeltliche Arbeitsvermittlungsdienste für alle Arbeitnehmer einzurichten oder aufrechtzuerhalten;

  23. eine geeignete Berufsberatung,

    berufliche Ausbildung und Wiedereingliederung vorzusehen oder zu fördern.

    Artikel 2

    DAS RECHT AUF GERECHTE ARBEITSBEDINGUNGEN Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf gerechte Arbeitsbedingungen zu gewährleisten,

    verpflichten sich die Vertragsparteien:

  24. eine angemessene tägliche und wöchentliche Arbeitszeit vorzusehen, wobei die Arbeitswoche fortschreitend zu verkürzen ist, soweit die Produktivitätssteigerung und andere mitwirkende Faktoren dies gestatten;

  25. bezahlte öffentliche Feiertage vorzusehen;

  26. die Gewährung eines bezahlten Jahresurlaubs von mindestens zwei Wochen vorzusehen;

  27. die Gewährung zusätzlicher bezahlter Urlaubstage oder einer verkürzten Arbeitszeit für Arbeitnehmer vorzusehen, die mit von der innerstaatlichen Gesetzgebung bezeichneten gefährlichen oder gesundheitsschädlichen Arbeiten beschäftigt sind;

  28. eine wöchentliche Ruhezeit sicherzustellen, die, soweit wie möglich, mit dem Tag zusammenfällt,

    der in dem betreffenden Land oder Bezirk durch Herkommen oder Brauch als Ruhetag anerkannt ist.

    Artikel 3

    DAS RECHT AUF SICHERE UND GESUNDE ARBEITSBEDINGUNGEN Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf sichere und gesunde Arbeitsbedingungen zu gewährleisten, verpflichten sich die Vertragsparteien:

  29. Sicherheits- und Gesundheitsvorschriften zu erlassen;

  30. Überwachungsmaßnahmen zur Durchführung dieser Vorschriften anzuordnen;

  31. die Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in geeigneten Fällen bei Maßnahmen zu Rate zu ziehen, die auf eine Verbesserung der Sicherheit und der Gesundheit bei der Arbeit gerichtet sind.

    Artikel 4

    DAS RECHT AUF EIN GERECHTES ARBEITSENTGELT Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf ein gerechtes Arbeitsentgelt zu gewährleisten,

    verpflichten sich die Vertragsparteien:

  32. das Recht der Arbeitnehmer auf ein Arbeitsentgelt anzuerkennen,

    das ausreicht, ihnen und ihren Familien einen angemessenen Lebensstandard zu sichern;

  33. das Recht der Arbeitnehmer auf Zahlung erhöhter Lohnsätze für Überstundenarbeit anzuerkennen,

    vorbehaltlich von Ausnahmen in bestimmten Fällen;

  34. das Recht männlicher und weiblicher Arbeitnehmer auf gleiches Entgelt für gleichwertige Arbeit anzuerkennen;

  35. das Recht aller Arbeitnehmer auf eine angemessene vorherige Benachrichtigungsfrist im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses anzuerkennen;

  36. Lohnabzüge nur unter den Bedingungen und in den Grenzen zuzulassen, die in innerstaatlichen Rechtsvorschriften vorgesehen oder durch Gesamtarbeitsvertrag oder Schiedsspruch bestimmt sind.

    Die Ausübung dieser Rechte ist durch frei abgeschlossene Gesamtarbeitsverträge,

    durch gesetzliche Verfahren der Lohnfestsetzung oder auf jede andere den innerstaatlichen Verhältnissen entsprechende Weise zu gewährleisten.

    Artikel 5

    DAS VEREINIGUNGSRECHT Um den Arbeitnehmern und Arbeitgebern die Freiheit zur Bildung örtlicher, innerstaatlicher oder internationaler Organisationen zum Schutze ihrer wirtschaftlichen und sozialen Belange und zum Beitritt zu diesen Organisationen zu gewährleisten oder zu fördern, verpflichten sich die Vertragsparteien,

    diese Freiheit weder durch die innerstaatliche Gesetzgebung noch durch deren Anwendung zu beeinträchtigen. Die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmen, inwieweit die in diesem Absatz vorgesehenen Garantien auf die Polizei Anwendung finden. Der Grundsatz für die Anwendung dieser Garantien auf Angehörige der Streitkräfte und gegebenenfalls ihr Umfang werden gleichfalls durch die innerstaatlichen Rechtsvorschriften bestimmt.

    Artikel 6

    DAS RECHT AUF KOLLEKTIVER HANDLUNGEN Um die wirksame Ausübung des Rechtes auf Kollektivverhandlungen zu gewährleisten,

    verpflichten sich die Vortragsparteien:

  37. gemeinsame Beratungen zwischen Arbeitnehmern und Arbeitgebern zu fördern;

  38. Verfahren für freiwillige Verhandlungen zwischen Arbeitgebern oder Arbeitgeberorganisationen einerseits und Arbeitnehmerorganisationen andererseits zu fördern, soweit dies notwendig und zweckmäßig ist mit dem Ziele, die Beschäftigungsbedingungen durch Gesamtarbeitsverträge zu regeln;

  39. die Einrichtung und die Anwendung geeigneter Einigungs-

    und freiwilliger Schiedsverfahren zur Beilegung yon Arbeitsstreitigkeiten zu fördern;

    und anerkennen:

  40. das Recht der Arbeitnehmer und der Arbeitgeber auf kollektive Maßnahmen einschließlich des Streikrechtes im Falle von Interessenkonflikten,

    vorbehaltlich von Verpflichtungen,

    die sich aus den geltenden Gesamtarbeitsverträgen, ergeben.

    Artikel 7

    DAS RECHT DER KINDER UND JUGENDLICHEN AUF SCHUTZ Um die wirksam Ausübung des Rechtes der Kinder und Jugendlichen auf...

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