Bundesgesetz vom 12. Dezember 1985 betreffend die Besorgung gerichtlicher Geschäfte durch Rechtspfleger (Rechtspflegergesetz ? RpflG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. ABSCHNITT Stellung des Rechtspflegers Begriff

    § 1. Rechtspfleger sind Gerichtsbeamte, denen als Organen des Bundes auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes die Besorgung von Geschäften der Gerichtsbarkeit übertragen ist.

    Arbeitsgebiete

    § 2. Ein Gerichtsbeamter kann für eines oder mehrere der folgenden Arbeitsgebiete zum Rechtspfleger bestellt werden:

    1. Zivilprozeß- und Exekutionssachen;

    2. Verlassenschafts- und Pflegschaftssachen sowie Angelegenheiten des Gerichtserlages und der Einziehung gerichtlicher Verwahrnisse;

    3. Grundbuchs- und Schiffsregistersachen;

    4. Sachen des Handels- und des Genossenschaftsregisters.

      Voraussetzungen der Ãœbertragung

      § 3. Einem Gerichtsbeamten darf die Besorgung von Geschäften der Gerichtsbarkeit nur bei gegebenem Bedarf und bei Vorliegen folgender persönlicher Voraussetzungen übertragen werden:

    5. völlige Vertrautheit mit den Arbeiten der Geschäftsstelle;

    6. Eignung zum selbständigen Parteienverkehr;

    7. zuverlässige Besorgung der vorbereitenden Erledigung auf dem betreffenden Arbeitsgebiet;

    8. erfolgreicher Abschluß der Ausbildung.

      Urkunde

      § 4. (1) Der Bundesminister für Justiz hat einem Gerichtsbeamten, der die im § 3 genannten Voraussetzungen erfüllt, hierüber eine Urkunde auszustellen.

      In der Urkunde ist das Arbeitsgebiet (§ 2) zu bezeichnen.

      (2) Der Gerichtsbeamte erlangt nach Maßgabe der §§ 5 Abs. 1 und 2 und 6 Abs. 2 mit der Ausstellung der Urkunde die Befugnis zur Besorgung der in seinen Wirkungskreis fallenden Geschäfte der Gerichtsbarkeit für das Bundesgebiet.

      Verwendung

      § 5. (1) Der Präsident des Oberlandesgerichtes hat nach dem gegebenen Bedarf zu bestimmen, bei welchem Gericht, in welchem zeitlichen Umfang und auf welchem Arbeitsgebiet ein Gerichtsbeamter als Rechtspfleger zu verwenden ist.

      (2) Der Rechtspfleger ist durch den Vorsteher des Bezirksgerichtes (Präsidenten des Gerichtshofes)

      einer Gerichtsabteilung oder mehreren Gerichtsabteilungen zuzuweisen. Wenn der Geschäftsumfang es erfordert, können einer Gerichtsabteilung mehrere Rechtspfleger zugewiesen werden.

      (3) Der als Rechtspfleger verwendete Gerichtsbeamte hat neben seinem Amtstitel die Funktionsbezeichnung

      „Rechtspfleger" zu führen.

      Geschäftsverteilung

      § 6. (1) Der Rechtspfleger ist in der Geschäftsverteilungsübersicht des Gerichtes unter Angabe seines Arbeitsgebietes und der Gerichtsabteilung,

      der er zugewiesen ist, anzuführen.

      (2) Die Aufteilung der Geschäfte innerhalb einer Gerichtsabteilung erfolgt durch den Richter nach Maßgabe des zeitlichen Umfanges der Zuweisung eines oder mehrerer Rechtspfleger.

      (3) Werden bei einem Gericht mehrere zur Besorgung desselben Arbeitsgebietes befugte Rechtspfleger verwendet, so hat der Vorsteher des Bezirksgerichtes (Präsident des Gerichtshofes) in der Geschäftsverteilungsübersicht eine entsprechende wechselseitige Vertretungsregelung zu treffen.

      Ablehnung

      § 7. Die Vorschriften über die Ablehnung von Richtern sind auf die Rechtspfleger anzuwenden.

      Über die Ablehnung entscheidet der Vorsteher des Bezirksgerichtes (Präsident des Gerichtshofes) endgültig.

      Weisungsrecht des Richters

      § 8. (1) Der Rechtspfleger ist bei Besorgung der in seinen Wirkungskreis fallenden Geschäfte nur an die Weisungen des nach der Geschäftsverteilung zuständigen Richters gebunden.

      (2) Eine allgemeine Weisung über die Behandlung von Rechtsfragen hat der Richter schriftlich zu erteilen. Der Rechtspfleger hat solche Weisungen in ein Verzeichnis einzutragen und diese aufzubewahren.

      Bei einem Richterwechsel oder einer Stellvertretung hat der Rechtspfleger vor der Bearbeitung eines Geschäftsstückes, für das eine allgemeine Weisung vorliegt, die schriftliche Weisung des neuen Richters einzuholen.

      (3) Wenn der Richter für eine einzelne Rechtssache eine mündliche Weisung erteilt, hat der Rechtspfleger dies im Akt zu vermerken und den Vermerk dem Richter zur Kenntnisnahme vorzulegen; eine schriftliche Weisung ist zum Akt zu nehmen.

      Erledigung durch den Richter

      § 9. (1) Der Richter kann sich die Erledigung einzelner Geschäftsstücke vorbehalten oder die Erledigung an sich ziehen, wenn dies nach seiner Ansicht im Hinblick auf die tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeit der Sache oder die Wichtigkeit und die Tragweite der Entscheidung zweckmäßig ist. Eine solche Maßnahme ist im Akt zu vermerken.

      (2) Der Richter kann ein Geschäftsstück durch einen entsprechenden Vermerk dem Rechtspfleger zuweisen, wenn es nach seiner Ansicht in den Wirkungskreis des Rechtspflegers fällt.

      Vorlagepflicht

      § 10. (1) Der Rechtspfleger hat ein Geschäftsstück,

      auch wenn es in seinen Wirkungskreis fällt,

      dem Richter vorzulegen, wenn 1. der Richter die Erledigung des Geschäftsstückes sich vorbehalten oder an sich gezogen hat;

    9. der Rechtspfleger von der ihm bekannten Rechtsansicht des Richters abweichen will;

    10. sich bei der Bearbeitung Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art ergeben.

      (2) Der Rechtspfleger hat gegen seine Entscheidungen erhobene Rechtsmittel, vorbehaltlich des

      § 11 Abs. 2, dem Richter ohne Aufschub mit allen für die Beurteilung des Rechtsmittels erforderlichen Akten und mit einem Vorlagebericht vorzulegen.

      Sind für die Entscheidung über das Rechtsmittel Zwischenerhebungen erforderlich, so hat sie der Rechtspfleger durchzuführen.

      Anfechtbarkeit der Entscheidungen des Rechtspflegers

      § 11. (1) Die Entscheidungen des Rechtspflegers können wie die des Richters angefochten werden.

      (2) Ãœber Rechtsbehelfe und nicht aufsteigende Rechtsmittel, mit Ausnahme der Vorstellung nach

      § 12, kann der Rechtspfleger entscheiden.

      (3) Anderen Rechtsmitteln kann der Richter stattgeben; in diesem Fall sind auf den Kostenersatz die für das Rechtsmittelverfahren geltenden Vorschriften anzuwenden.

      (4) Findet der Richter, daß dem Rechtsmittel nicht oder nur teilweise Folge zu geben wäre, so ist das Rechtsmittel dem Rechtsmittelgericht mit dem Vorlagebericht des Rechtspflegers vorzulegen.

      Soweit es der Richter für erforderlich erachtet,

      kann er den Vorlagebericht durch die Angabe der Gründe, weshalb er dem Rechtsmittel nicht stattgegeben hat, ergänzen.

      Vorstellung an den Richter

      § 12. (1) Gegen eine nach sonstigen Verfahrensvorschriften wegen des Streitwertes nicht oder nur beschränkt anfechtbare Entscheidung des Rechtspflegers kann Vorstellung an den Richter erhoben werden.

      (2) Die Vorstellung ist binnen vierzehn Tagen beim erkennenden Gericht mündlich zu Protokoll zu erklären oder schriftlich einzubringen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der schriftlichen Ausfertigung der Entscheidung; sie kann nicht verlängert werden.

      (3) Die Vorstellung hat auf die Ausführung der angefochtenen Entscheidung und deren Vollstreckbarkeit keine aufschiebende Wirkung. Der Richter kann jedoch der Vorstellung auf Antrag aufschiebende Wirkung zuerkennen und etwa notwendige Sicherungsmaßnahmen anordnen, wenn aus der Hemmung der Ausführung der Entscheidung oder der auf Grund derselben einzuleitenden Exekution dem Gegner kein unverhältnismäßiger Nachteil erwächst und ohne solche Aufschiebung der Zweck der Vorstellung vereitelt würde. Gegen diesen Beschluß ist kein Rechtsmittel zulässig.

      (4) Der Richter hat über die Vorstellung mit Beschluß in der Sache selbst zu entscheiden, soweit die Vorstellung nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist.

      (5) Wird zugleich mit der Vorstellung ein Rechtsbehelf oder ein Rechtsmittel erhoben, so ist zuerst über die Vorstellung zu entscheiden.

      Ausfertigungen

      § 13. (1) Die Ausfertigungen von Amtszeugnissen,

      von Ausfolgungsaufträgen und von Schreiben,

      die für das Ausland bestimmt sind, sind vom Rechtspfleger unter Angabe seiner Funktionsbezeichnung ohne Abdruck der Unterfertigungsstampiglie eigenhändig zu unterschreiben.

      (2) Auf allen sonstigen Ausfertigungen ist unter dem Abdruck der Unterfertigungsstampiglie des Rechtspflegers die Richtigkeit der Ausfertigung vom Leiter der Geschäftsabteilung mit eigenhändiger Unterschrift zu beglaubigen. Die Unterfertigungsstampiglie des Rechtspflegers hat die Funktionsbezeichnung zu enthalten.

      (3) Ist der Rechtspfleger gleichzeitig Leiter der Geschäftsabteilung, so hat er unter seiner Unterfertigungsstampiglie die Richtigkeit der Ausfertigung in seiner Eigenschaft als Leiter der Geschäftsabteilung mit eigenhändiger Unterschrift zu beglaubigen.

      Dienststellung und Dienstaufsicht

      § 14. (1) Ein Gerichtsbeamter kann neben seiner Verwendung als Rechtspfleger mit anderen Aufgaben des Gehobenen Dienstes, mit Genehmigung des Präsidenten des Oberlandesgerichtes auch mit Aufgaben des Fachdienstes bei Gericht beschäftigt werden. Im übrigen ist § 36 Abs. 4 BDG 1979 anzuwenden.

      (2) Der Rechtspfleger untersteht in dieser Verwendung der Dienstaufsicht des Vorstehers des Bezirksgerichtes (Präsidenten des Gerichtshofes)

      und des Leiters der Gerichtsabteilung, der er zugewiesen ist, ansonsten auch der Dienstaufsicht des Vorstehers der Geschäftsstelle.

      Aberkennung der Befugnis

      § 15. (1) Der Bundesminister für Justiz hat einem Gerichtsbeamten die Befugnis zur Besorgung der den Rechtspflegern übertragenen Geschäfte abzuerkennen, wenn der Gerichtsbeamte die persönlichen Voraussetzungen für die Übertragung

      (§ 3 Z 1 bis 3) auf Dauer nicht mehr erfüllt.

      (2) Der Gerichtsbeamte hat die...

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