ÜBEREINKOMMEN ÜBER DIE GERICHTLICHE ZUSTÄNDIGKEIT UND DIE VOLLSTRECKUNG GERICHTLICHER ENTSCHEIDUNGEN IN ZIVIL- UND HANDELSSACHEN, GESCHLOSSEN IN LUGANO AM 16. SEPTEMBER 1988

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. Der Abschluß des nachstehenden Staatsvertrages samt Protokollen und Erklärungen sowie Erklärung der Republik Österreich wird genehmigt und 2. im Sinne des Art. 49 Abs. 2 B-VG hat die Kundmachung dieses Vertragswerkes in dänischer,

    englischer, finnischer, französischer, griechischer, irischer, isländischer, italienischer, niederländischer,

    norwegischer, portugiesischer, schwedischer und spanischer Sprache durch Auflage im Bundesministerium für Justiz zu erfolgen.

    PRÄAMBEL DIE HOHEN VERTRAGSPARTEIEN DIESES ÜBEREINKOMMENS –

    IN DEM BESTREBEN, in ihren Hoheitsgebieten den Rechtsschutz der dort ansässigen Personen zu verstärken,

    IN DER ERWÄGUNG, daß es zu diesem Zweck geboten ist, die internationale Zuständigkeit ihrer Gerichte festzulegen, die Anerkennung von Entscheidungen zu erleichtern und ein beschleunigtes Verfahren einzuführen, um die Vollstreckung von Entscheidungen, öffentlichen Urkunden und gerichtlichen Vergleichen sicherzustellen,

    IM BEWUSSTSEIN der zwischen ihnen bestehenden Bindungen, die im wirtschaftlichen Bereich durch die Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und den Mitgliedstaaten der Europäischen Freihandelsassoziation bestätigt worden sind,

    UNTER BERÜCKSICHTIGUNG des Brüsseler Übereinkommens vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen in der Fassung der infolge der verschiedenen Erweiterungen der Europäischen Gemeinschaften geschlossenen Beitrittsübereinkommen,

    IN DER ÜBERZEUGUNG, daß die Ausdehnung der Grundsätze des genannten Übereinkommens auf die Vertragsstaaten des vorliegenden Übereinkommens die rechtliche und wirtschaftliche Zusammenarbeit in Europa verstärken wird,

    IN DEM WUNSCH, eine möglichst einheitliche Auslegung des Übereinkommens sicherzustellen –

    HABEN in diesem Sinne BESCHLOSSEN, dieses Übereinkommen zu schließen, und SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

    TITEL I ANWENDUNGSBEREICH Artikel 1

    Dieses Übereinkommen ist in Zivil- und Handelssachen anzuwenden, ohne daß es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt. Es erfaßt insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

    Es ist nicht anzuwenden auf 1. den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichen Personen, die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts;

  2. Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren;

  3. die soziale Sicherheit;

  4. die Schiedsgerichtsbarkeit.

    TITEL II ZUSTÄNDIGKEIT 1. ABSCHNITT Allgemeine Vorschriften Artikel 2

    Vorbehaltlich der Vorschriften dieses Übereinkommens sind Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, ohne Rücksicht auf ihre Staatsangehörigkeit vor den Gerichten dieses Staates zu verklagen.

    Auf Personen, die nicht dem Staat, in dem sie ihren Wohnsitz haben, angehören, sind die für Inländer maßgebenden Zuständigkeitsvorschriften anzuwenden.

    Artikel 3

    Personen, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats haben, können vor den Gerichten eines anderen Vertragsstaats nur gemäß den Vorschriften des 2. bis 6. Abschnitts verklagt werden.

    Insbesondere können gegen diese Personen nicht geltend gemacht werden

    – in Belgien: Artikel 15 des Zivilgesetzbuchs (Code civil – Burgerlijk Wetboek) sowie Artikel 638

    der Zivilprozeßordnung (Code judiciaire – Gerechtelijk Wetboek);

    – in Dänemark: Artikel 246 Absätze 2 und 3 der Zivilprozeßordnung (Lov om rettens pleje);

    – in der Bundesrepublik Deutschland: § 23 der Zivilprozeßordnung;

    – in Griechenland: Artikel 40 der Zivilprozeßordnung (Κa159δικαζ, Πολιτικης ∆ικονοµιας);

    – in Frankreich: Artikel 14 und 15 des Zivilgesetzbuchs (Code civil);

    – in Irland: Vorschriften, nach denen die Zuständigkeit durch Zustellung eines das Verfahren einleitenden Schriftstücks an den Beklagten während dessen vorübergehender Anwesenheit in Irland begründet wird;

    – in Island: Artikel 77 der Zivilprozeßordnung (lög um meðferð einkamála à héraði);

    – in Italien: Artikel 2 und Artikel 4 Nummern 1 und 2 der Zivilprozeßordnung (Codice di procedura civile);

    – in Luxemburg: Artikel 14 und 15 des Zivilgesetzbuchs (Code civil);

    – in den Niederlanden: Artikel 126 Absatz 3 und Artikel 127 der Zivilprozeßordnung (Wetboek van Burgerlijke Rechtsvordering);

    – in Norwegen: § 32 der Zivilprozeßordnung (tvistemålsloven);

    – in Österreich: § 99 der Jurisdiktionsnorm;

    – in Portugal: Artikel 65 Absatz 1 Buchstabe c, Artikel 65 Absatz 2 und Artikel 65a Buchstabe c der Zivilprozeßordnung (Código de Processo Civil) und Artikel 11 der Arbeitsprozeßordnung

    (Código de Processo de Trabalho);

    – in der Schweiz: der Gerichtsstand des Arrestortes/for du lieu du séquestre/foro del luogo del sequestro gemäß Artikel 4 des Bundesgesetzes über das internationale Privatrecht/loi fédérale sur le droit international privé/legge federale sul diritto internazionale privato;

    – in Finnland: Kapitel 10 § 1 Sätze 2, 3 und 4 der Prozeßordnung (oikeudenkäymiskaari/

    rättegångsbalken);

    – in Schweden: Kapitel 10 Artikel 3 Satz 1 der Prozeßordnung (Rättegångsbalken);

    – im Vereinigten Königreich: Vorschriften, nach denen die Zuständigkeit begründet wird durch a) die Zustellung eines das Verfahren einleitenden Schriftstücks an den Beklagten während dessen vorübergehender Anwesenheit im Vereinigten Königreich;

    1. das Vorhandensein von Vermögenswerten des Beklagten im Vereinigten Königreich oder c) die Beschlagnahme von Vermögen im Vereinigten Königreich durch den Kläger.

    Artikel 4

    Hat der Beklagte keinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats, so bestimmt sich, vorbehaltlich des Artikels 16, die Zuständigkeit der Gerichte eines jeden Vertragsstaats nach seinen eigenen Gesetzen.

    Gegenüber einem Beklagten, der keinen Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat,

    kann sich jede Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, in diesem Staat auf die dort geltenden Zuständigkeitsvorschriften, insbesondere auf die in Artikel 3 Absatz 2 angeführten Vorschriften, wie ein Inländer berufen, ohne daß es auf ihre Staatsangehörigkeit ankommt.

  5. ABSCHNITT Besondere Zuständigkeiten Artikel 5

    Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann in einem anderen Vertragsstaat verklagt werden,

  6. wenn ein Vertrag oder Ansprüche aus einem Vertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem die Verpflichtung erfüllt worden ist oder zu erfüllen wäre; wenn ein individueller Arbeitsvertrag oder Ansprüche aus einem individuellen Arbeitsvertrag den Gegenstand des Verfahrens bilden, vor dem Gericht des Ortes, an dem der Arbeitnehmer gewöhnlich seine Arbeit verrichtet; verrichtet der Arbeitnehmer seine Arbeit gewöhnlich nicht in ein und demselben Staat, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich die Niederlassung befindet, die den Arbeitnehmer eingestellt hat;

  7. wenn es sich um eine Unterhaltssache handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem der Unterhaltsberechtigte seinen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, oder im Falle einer Unterhaltssache, über die im Zusammenhang mit einem Verfahren in bezug auf den Personenstand zu entscheiden ist, vor dem nach seinem Recht für dieses Verfahren zuständigen Gericht, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht lediglich auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien;

  8. wenn eine unerlaubte Handlung oder eine Handlung, die einer unerlaubten Handlung gleichgestellt ist, oder wenn Ansprüche aus einer solchen Handlung den Gegenstand des Verfahrens bilden,

    vor dem Gericht des Ortes, an dem das schädigende Ereignis eingetreten ist;

  9. wenn es sich um eine Klage auf Schadensersatz oder auf Wiederherstellung des früheren Zustands handelt, die auf eine mit Strafe bedrohte Handlung gestützt wird, vor dem Strafgericht, bei dem die öffentliche Klage erhoben ist, soweit dieses Gericht nach seinem Recht über zivilrechtliche Ansprüche erkennen kann;

  10. wenn es sich um Streitigkeiten aus dem Betrieb einer Zweigniederlassung, einer Agentur oder einer sonstigen Niederlassung handelt, vor dem Gericht des Ortes, an dem sich diese befindet;

  11. wenn sie in ihrer Eigenschaft als Begründer „trustee“ oder Begünstigter eines „trust“ in Anspruch genommen wird, der auf Grund eines Gesetzes oder durch schriftlich vorgenommenes oder schriftlich bestätigtes Rechtsgeschäft errichtet worden ist, vor den Gerichten des Vertragsstaats,

    in dessen Hoheitsgebiet der „trust“ seinen Sitz hat;

  12. wenn es sich um eine Streitigkeit wegen der Zahlung von Berge- und Hilfslohn handelt, der für Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten gefordert wird, die zugunsten einer Ladung oder einer Frachtforderung erbracht worden sind, vor dem Gericht, in dessen Zuständigkeitsbereich diese Ladung oder die entsprechende Frachtforderung a) mit Arrest belegt worden ist, um die Zahlung zu gewährleisten, oder b) mit Arrest hätte belegt werden können, jedoch dafür eine Bürgschaft oder eine andere Sicherheit geleistet worden ist;

    diese Vorschrift ist nur anzuwenden, wenn behauptet wird, daß der Beklagte Rechte an der Ladung oder an der Frachtforderung hat oder zur Zeit der Bergungs- oder Hilfeleistungsarbeiten hatte.

    Artikel 6

    Eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats hat, kann auch verklagt werden,

  13. wenn mehrere Personen zusammen verklagt werden, vor dem Gericht, in dessen Bezirk einer der Beklagten seinen Wohnsitz hat;

  14. wenn es sich um eine Klage auf Gewährleistung oder um eine Interventionsklage handelt, vor dem Gericht des Hauptprozesses, es sei denn, daß diese Klage nur erhoben worden ist, um diese Person dem für sie zuständigen Gericht zu entziehen;

  15. wenn es sich um eine Widerklage...

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