Bundesgesetz vom 8. September 1955 zur Neuordnung der Rechtsverhältnisse der Oesterreichischen Nationalbank (Nationalbankgesetz 1955).

Der Nationalrat hat beschlossen:

ARTIKEL I.

Allgemeine Bestimmungen.

§ 1. Die Rechtsverhältnisse der Oesterreichischen Nationalbank (beruhend auf dem Bundesgesetz vom 14. November 1922, BGBl. Nr. 823,

betreffend die Abänderung und Ergänzung des Bundesgesetzes vom 24. Juli 1922, BGBl. Nr. 490,

über die Errichtung einer Notenbank in der Fassung der Bundesgesetze BGBl. Nr. 18/1925, 242/

1925, 417/1925, 114/1927, 87/1930, 136/1931,

255/1932, und auf dem Gesetze, StGBl. Nr. 45/

1945, und dem Bundesgesetze, BGBl. Nr. 122/

1946) werden nach Maßgabe der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes neu geordnet.

§ 2. (1) Die Oesterreichische Nationalbank ist eine Aktiengesellschaft; sie ist die Notenbank der Republik Österreich.

(2) Sie hat die Aufgabe, den Geldumlauf in

Österreich zu regeln und für den Zahlungsausgleich mit dem Ausland Sorge zu tragen.

(3) Sie hat mit allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln dahin zu wirken, daß der Wert des österreichischen Geldes in seiner Kaufkraft im Inland sowie in seinem Verhältnis zu den wertbeständigen Währungen des Auslandes erhalten bleibt.

(4) Sie ist verpflichtet, im Rahmen ihrer Kreditpolitik für eine den volkswirtschaftlichen Erfordernissen Rechnung tragende Verteilung der von ihr der Wirtschaft zur Verfügung zu stellenden Kredite zu sorgen.

§ 3. Die Oesterreichische Nationalbank kann sich — unbeschadet der Aufrechterhaltung ihrer vollen Handlungsfreiheit bei Erfüllung ihrer Aufgaben im Rahmen dieses Bundesgesetzes — organisatorisch und finanziell an den internationalen Einrichtungen beteiligen, die mit der Kooperation der Notenbanken zusammenhängen oder sonst die internationale Zusammenarbeit auf währungs-

und kreditpolitischem Gebiete zum Ziele haben und fördern.

§ 4. Bei Festsetzung der allgemeinen Richtlinien der Währungs- und Kreditpolitik, welche die Oesterreichische Nationalbank zwecks Erfüllung der ihr zufallenden Aufgaben auf diesem Gebiete zu beobachten hat, ist auf die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung Bedacht zu nehmen.

§ 5. (1) Die Banknoten und die Aktien der Oesterreichischen Nationalbank werden so gezeichnet,

daß dem Firmenwortlaut „Oesterreichische Nationalbank" der Präsident, ein Generalrat und der Generaldirektor ihre Unterschrift beifügen. Falls der Präsident oder der Generaldirektor verhindert sind, zeichnen ihre Stellvertreter.

(2) In allen übrigen Fällen wird die Firma der Bank mit dem Zusatz „Direktorium" von zwei Mitgliedern des Direktoriums gezeichnet. Durch diese Firmenzeichnung wird die Bank auch dann verpflichtet, wenn die Gesetze eine Spezialvollmacht erfordern.

(3) Das Direktorium bestimmt, in welchen Fällen und in welcher Form Firmierungen für die Bankanstalten und Geschäftsabteilungen eine Verpflichtung der Bank begründen und macht dies durch öffentlichen Anschlag in den Geschäftsräumen der Bank bekannt.

(4) Die Bank führt in ihrem Siegel das Wappen der Republik Österreich; sie ist nicht verpflichtet,

ihre Firma oder ihre geschäftsführenden Organe im Handelsregister eintragen zu lassen.

§ 6. Die Bank hat ihren Sitz in Wien, wo sich die Hauptanstalt befindet. In den Hauptstädten der Bundesländer sind Zweiganstalten zu errichten.

Zur Errichtung anderer Zweiganstalten oder deren Auflassung bedarf es der Zustimmung des Bundesministeriums für Finanzen.

§ 7. (1) Soweit die Oesterreichische Nationalbank mit Aufgaben der Vollziehung in Angelegenheiten des Geld-, Kredit- und Bankwesens betraut ist, finden die Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes Anwendung;

gegen ihre Bescheide kann jedoch, sofern nicht ausdrücklich abweichende gesetzliche Regelungen getroffen sind, eine Berufung nicht ergriffen werden.

(2) Allgemeine Anordnungen der Oesterreichischen Nationalbank sind im Amtsblatt zur Wiener Zeitung zu verlautbaren. Sie treten, wenn darin nicht anderes bestimmt ist, an dem der Verlautbarung folgenden Tag in Kraft.

ARTIKEL II.

Grundkapital und Aktionäre.

§ 8. (1) Das Grundkapital der Bank beträgt 150 Millionen Schilling und ist in 150.000 auf Namen lautende Aktien zu je 1000 Schilling zerlegt.

Die Bank kann Sammelstücke in Abschnitten zu 100, 500 und 1000 Aktien ausgeben.

(2) Die Namen der Aktionäre werden bei der Oesterreichischen Nationalbank in ein Aktienbuch eingetragen.

(3) Die Ãœbertragung der Aktienrechte erfolgt durch die Eintragung im Aktienbuch und die gleichzeitige Umschreibung der Aktien.

(4) Der auf die Aktien entfallende Gewinn wird bei Fälligkeit an die Aktionäre ausgeschüttet.

§ 9. (1) Aktionäre können nur österreichische Staatsbürger sowie juristische Personen und Unternehmen sein, die ihren Sitz in. Österreich haben.

(2) Die Hälfte des Grundkapitals wird vom Bund gezeichnet. Das hiezu erforderliche Kapital kann in der Weise aufgebracht werden, daß der Gegenwert des der Nationalbank zukommenden Währungsgoldes, der von der Bundesschuld abzuschreiben ist, um den für die Zeichnung der Aktien erforderlichen Betrag vermindert wird.

(3) Welche Personen und Unternehmen zur Zeichnung des restlichen Grundkapitals der Bank zugelassen sind, bestimmt die Bundesregierung.

ARTIKEL III.

Generalversammlung.

§ 10. (1) Die Generalversammlung der Aktionäre findet innerhalb der ersten vier Monate eines jeden Geschäftsjahres statt.

(2) Auf schriftliches Verlangen von Aktionären mit mindestens einem Viertel des Grundkapitals ist die Abhaltung einer außerordentlichen Generalversammlung binnen 30 Tagen anzuberaumen.

(3) Die Einberufung der Generalversammlung erfolgt auf Grund eines Beschlusses des Generalrates durch Kundmachung der Bank mindestens 21 Tage vor ihrer Abhaltung.

§ 11. Zur Teilnahme an der Generalversammlung ist jeder Aktionär berechtigt, der am Tage der Kundmachung der Einberufung mit mindestens hundert Aktien im Aktienbuch eingetragen ist.

§ 12. (1) In der Generalversammlung ergeben je hundert Aktien eine Stimme.

(2) Jeder stimmberechtigte Aktionär kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen.

(3) Die Vollmachten sind spätestens am achten Tag vor Abhaltung der Generalversammlung vorzulegen. Gesetzliche und statutarische Vertreter bedürfen keiner besonderen Vollmacht,

haben jedoch ihre Vertretungsbefugnis spätestens am achten Tag vor der Generalversammlung auszuweisen.

§ 13. (1) Die Generalversammlung ist beschlußfähig,

wenn die anwesenden Aktionäre oder deren Bevollmächtigte mindestens die Hälfte des Grundkapitals vertreten.

(2) Wenn eine ordnungsmäßig einberufene Generalversammlung nicht beschlußfähig ist, so ist sofort eine neue Generalversammlung einzuberufen,

wobei die Einberufungsfrist nicht mehr als acht Tage betragen muß. Diese neu einberufene Generalversammlung ist ohne Rücksicht auf das vertretene Grundkapital beschlußfähig,

doch darf nur über Gegenstände beschlossen werden,

die in der ursprünglichen Tagesordnung enthalten waren.

§ 14. (1) Innerhalb der letzten acht Tage vor der regelmäßigen Generalversammlung sind die Rechnungsabschlüsse für das vorhergehende Geschäftsjahr bei der Hauptanstalt der Bank in Wien zur Einsicht aufzulegen.

(2) Spätestens am achten Tage vor jeder Generalversammlung ist die Tagesordnung der Generalversammlung kundzumachen. Rechtzeitig von den Aktionären eingebrachte Anträge (§ 17)

sind in die Tagesordnung aufzunehmen.

§ 15. (1) Den Vorsitz in der Generalversammlung führt der Präsident der Bank oder bei seiner Verhinderung einer der Vizepräsidenten.

(2) Die Beschlüsse werden mit einfacher Stimmenmehrheit gefaßt.

§ 16. Der Wirkungskreis der Generalversammlung umfaßt:

  1. die Entgegennahme des Berichtes des Generalrates

    über die Geschäftsführung des abgelaufenen Geschäftsjahres;

  2. die Genehmigung des Rechnungsabschlusses und Erteilung der Entlastung an den Generalrat und das Direktorium nach Anhörung des Berichtes der Rechnungsprüfer;

  3. die Beschlußfassung über die Verwendung des bilanzmäßigen Überschusses und Festsetzung des an die Aktionäre zu verteilenden Gewinnanteiles;

  4. die Wahl von sechs Mitgliedern des Generalrates und vier Rechnungsprüfern;

  5. die Beschlußfassung über andere von Aktionären eingebrachte Anträge.

    § 17. (1) Jeder stimmberechtigte Aktionär ist berechtigt,

    in der Generalversammlung Anträge zu stellen, doch kann nur über Anträge, die einen auf der Tagesordnung befindlichen Gegenstand betreffen, in der Generalversammlung, in der sie eingebracht werden, ein Beschluß gefaßt werden.

    (2) Selbständige Anträge (§ 14) sind nebst ihrer Begründung wenigstens am vierzehnten Tage vor der Generalversammlung dem Präsidenten schriftlich zur Kenntnis zu bringen.

    (3) Falls im Sinne des § 10 Abs. 2 die Einberufung einer außerordentlichen Generalversammlung verlangt wird, sind die bezüglichen Anträge gleichzeitig mit diesem Verlangen einzubringen.

    § 18. (1) Zur Wahl von sechs Mitgliedern des Generalrates (§ 22) durch die Generalversammlung können Aktionäre — ausgenommen der Bund — für ein von ihnen vertretenes Grundkapital von 12 1/2 Millionen Schilling je eine Person vorgeschlagen. Soweit derartige Vorschläge nicht erstattet werden, steht das Vorschlagsrecht dem Bund zu. Die Funktionsdauer dieser Mitglieder des Generalrates beträgt fünf Jahre.

    (2) Die Generalversammlung ist bei der Wahl an die ihr nach Abs. 1 erstatteten Vorschläge gebunden.

    § 19. (1) Die Mitglieder des Generalrates (§ 22)

    und die Rechnungsprüfer (§ 37) werden mit relativer Stimmenmehrheit gewählt.

    (2) Das Ergebnis der Wahlen wird durch die von der Generalversammlung zu wählenden Stimmenzähler festgestellt.

    ARTIKEL IV.

    Leitung und Verwaltung der Bank.

    A. Generalrat.

    § 20. Dem Generalrat obliegt die oberste Leitung und Überwachung der gesamten Geschäftsführung und der Verwaltung des gesamten Vermögens der Bank. Das Direktorium der Bank (§§ 32 bis 36) berichtet periodisch und zwar in der Regel monatlich dem Generalrat über die Abwicklung und den Stand der Geschäfte,

    über die Lage des Geld-, Kapital- und Devisenmarktes,

    ...

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