Bundesgesetz vom 1. März 1990 über die Unterbringung psychisch Kranker in Krankenanstalten (Unterbringungsgesetz ? UbG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Schutz der Persönlichkeitsrechte

§ 1. (1) Die Persönlichkeitsrechte psychisch Kranker, die in eine Krankenanstalt aufgenommen werden, sind besonders zu schützen. Die Menschenwürde psychisch Kranker ist unter allen Umständen zu achten und zu wahren.

(2) Beschränkungen von Persönlichkeitsrechten sind nur zulässig, soweit sie im Verfassungsrecht, in diesem Bundesgesetz oder in anderen gesetzlichen Vorschriften ausdrücklich vorgesehen sind.

Geltungsbereich

§ 2. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten für Krankenanstalten und Abteilungen für Psychiatrie (im folgenden Anstalt), in denen Personen in einem geschlossenen Bereich angehalten oder sonst Beschränkungen ihrer Bewegungsfreiheit unterworfen werden (im folgenden Unterbringung).

Voraussetzungen der Unterbringung

§ 3. In einer Anstalt darf nur untergebracht werden, wer 1. an einer psychischen Krankheit leidet und im Zusammenhang damit sein Leben oder seine Gesundheit oder das Leben oder die Gesundheit anderer ernstlich und erheblich gefährdet und 2. nicht in anderer Weise, insbesondere außerhalb einer Anstalt, ausreichend ärztlich behandelt oder betreut werden kann.

Unterbringung auf Verlangen

§ 4. (1) Eine Person, bei der die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen, darf auf eigenes Verlangen untergebracht werden, wenn sie den Grund und die Bedeutung der Unterbringung einzusehen und ihren Willen nach dieser Einsicht zu bestimmen vermag.

(2) Das Verlangen muß vor der Aufnahme eigenhändig schriftlich gestellt werden. Dies hat in Gegenwart des mit der Führung der Abteilung betrauten Arztes oder seines Vertreters (im folgenden Abteilungsleiter) sowie eines weiteren Facharztes für Psychiatrie und Neurologie oder für Neurologie und Psychiatrie (im folgenden Facharzt)

zu geschehen.

(3) Das Verlangen kann jederzeit, auch schlüssig widerrufen werden. Auf dieses Recht hat der Abteilungsleiter den Aufnahmewerber vor der Aufnahme hinzuweisen. Ein Verzicht auf das Recht des Widerrufs ist unwirksam.

§ 5. (1) Eine Person, der ein Sachwalter bestellt ist, dessen Wirkungskreis Willenserklärungen zur Unterbringung in einer Anstalt umfaßt, darf auf eigenes Verlangen nur untergebracht werden, wenn auch der Sachwalter zustimmt.

(2) Ein Minderjähriger darf nur untergebracht werden, wenn die Erziehungsberechtigten und,

wenn er mündig ist, auch er selbst die Unterbringung verlangen. Weiters ist die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters erforderlich.

(3) Die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gemäß Abs. 1 und 2 ist eigenhändig schriftlich zu erklären.

(4) Für den Widerruf genügt die Erklärung auch nur einer Person, die nach den Abs. 1 und 2 die Unterbringung verlangen kann oder ihr zuzustimmen hat.

§ 6. (1) Der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt haben den Aufnahmewerber zu untersuchen.

Dieser darf nur aufgenommen werden, wenn nach übereinstimmenden, unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung sowie die Einsichts- und Urteilsfähigkeit (§ 4 Abs. 1) vorliegen.

(2) Das Ergebnis der Untersuchung ist in der Krankengeschichte zu beurkunden; die ärztlichen Zeugnisse sind dieser als Bestandteil anzuschließen.

(3) Der Abteilungsleiter hat den Aufnahmewerber auf die Einrichtung des Patientenanwalts und auf die Möglichkeit der Vertretung durch diesen (§ 14

  1. 3) hinzuweisen.

    § 7. Die Unterbringung auf Verlangen darf nur sechs Wochen, auf erneutes Verlangen aber insgesamt längstens zehn Wochen dauern; für das erneute Verlangen gelten die §§ 3 bis 6 sinngemäß.

    Eine Verlängerung der Unterbringung über diese Fristen hinaus ist nicht zulässig.

    Unterbringung ohne Verlangen

    § 8. Eine Person darf gegen oder ohne ihren Willen nur dann in eine Anstalt gebracht werden,

    wenn ein im öffentlichen Sanitätsdienst stehender Arzt oder ein Polizeiarzt sie untersucht und bescheinigt, daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen. In der Bescheinigung sind im einzelnen die Gründe anzuführen, aus denen der Arzt die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachtet.

    § 9. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind berechtigt und verpflichtet, eine Person, bei der sie aus besonderen Gründen die Voraussetzungen der Unterbringung für gegeben erachten, zur Untersuchung zum Arzt (§ 8) zu bringen oder diesen beizuziehen. Bescheinigt der Arzt das Vorliegen der Voraussetzungen der Unterbringung, so haben die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person in eine Anstalt zu bringen oder dies zu veranlassen.

    Wird eine solche Bescheinigung nicht ausgestellt, so darf die betroffene Person nicht länger angehalten werden.

    (2) Bei Gefahr im Verzug können die Organe des

    öffentlichen Sicherheitsdienstes die betroffene Person auch ohne Untersuchung und Bescheinigung in eine Anstalt bringen.

    (3) Der Arzt und die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes haben unter möglichster Schonung der betroffenen Person vorzugehen und die notwendigen Vorkehrungen zur Abwehr von Gefahren zu treffen. Sie haben, soweit das möglich ist, mit psychiatrischen Einrichtungen außerhalb einer Anstalt zusammenzuarbeiten und erforderlichenfalls den örtlichen Rettungsdienst beizuziehen.

    § 10. (1) Der Abteilungsleiter und ein weiterer Facharzt haben die betroffene Person unverzüglich zu untersuchen. Sie darf nur aufgenommen werden,

    wenn nach übereinstimmenden, unabhängig voneinander erstellten ärztlichen Zeugnissen die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen.

    (2) Das Ergebnis der Untersuchung ist in der Krankengeschichte zu beurkunden; die ärztlichen Zeugnisse sind dieser als Bestandteil anzuschließen.

    (3) Der Abteilungsleiter hat den aufgenommenen Kranken ehestens über die Gründe der Unterbringung zu unterrichten. Er hat ferner unverzüglich den Patientenanwalt (§ 13) und, wenn der Kranke nicht widerspricht, einen Angehörigen sowie auf Verlangen des Kranken auch dessen Rechtsbeistand von der Unterbringung zu verständigen.

    § 11. Der § 10 ist sinngemäß anzuwenden, wenn 1. bei einem sonst in die Anstalt aufgenommenen,

    in seiner Bewegungsfreiheit nicht beschränkten Kranken Grund für die Annahme besteht,

    daß die Voraussetzungen der Unterbringung vorliegen, oder 2. ein auf Verlangen Untergebrachter das Verlangen widerruft oder nach Ablauf von sechs Wochen nicht erneut erklärt oder die zulässige Gesamtdauer der Unterbringung auf Verlangen abgelaufen ist und jeweils Grund für die Annahme besteht, daß die Voraussetzungen der Unterbringung weiterhin vorliegen.

    Zuständigkeit des Gerichtes und Verfahren

    § 12. (1) Zur Besorgung der nach diesem Bundesgesetz...

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