Bundesgesetz vom 7. Juni 1990 über die Ausübung der Psychotherapie (Psychotherapiegesetz)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Psychotherapiegesetz Inhaltsverzeichnis

§ 1 Berufsumschreibung

§ 2 Ausbildung zum Psychotherapeuten

§§ 3, 4, 5 psychotherapeutisches Propädeutikum

§§ 6, 7, 8 psychotherapeutisches Fachspezifikum

§ 9 Bestätigungen

§ 10 Voraussetzungen für die Ausbildung zum Psychotherapeuten

§ 11 Voraussetzungen für die selbständige Ausübung der Psychotherapie

§ 12 Anrechnung

§ 13 Berufsbezeichnung

§§ 14, 15, 16 Berufspflichten des Psychotherapeuten

§§ 17, 18 Psychotherapeutenliste

§ 19 Erlöschen der Berufsberechtigung

§§ 20,21,22 Psychotherapiebeirat

§ 23 Strafbestimmungen

§ 24 Verhältnis zu anderen Vorschriften

§§ 25, 26 Übergangsbestimmungen Artikel I Bundesgesetz über die Ausübung der Psychotherapie

(Psychotherapiegesetz):

Berufsumschreibung

§ 1. (1) Die Ausübung der Psychotherapie im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte,

umfassende, bewußte und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung,

Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern.

(2) Die selbständige Ausübung der Psychotherapie besteht in der eigenverantwortlichen Ausführung der im Abs. 1. umschriebenen Tätigkeiten,

unabhängig davon, ob diese Tätigkeiten freiberuflich oder im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses ausgeübt werden.

Ausbildung zum Psychotherapeuten

§ 2. Die selbständige Ausübung der Psychotherapie setzt die Absolvierung einer allgemeinen und einer besonderen Ausbildung voraus. Sowohl der allgemeine Teil (psychotherapeutisches Propädeutikum)

als auch der besondere Teil (psychotherapeutisches Fachspezifikum) wird durch eine theoretische und praktische Ausbildung vermittelt.

Psychotherapeutisches Propädeutikum

§ 3. (1) Der theoretische Teil hat in einer Gesamtdauer von zumindest 765 Stunden jedenfalls folgende Inhalte zu umfassen:

  1. Grundlagen und Grenzbereiche der Psychotherapie einschließlich der Supervision, insbesondere eine Einführung in die Problemgeschichte und Entwicklung der psychotherapeutischen Schulen, in die tiefenpsychologischen,

    systemischen, lerntheoretischen und kommunikationstheoretischen Konzepte in der Dauer von zumindest 120 Stunden, in die Persönlichkeitstheorien in der Dauer von zumindest 30 Stunden, in die allgemeine Psychologie und die Entwicklungspsychologie in der Dauer von zumindest 60 Stunden, in die Rehabilitation und die Sonder- und Heilpädagogik in der Dauer von zumindest 30 Stunden,

    in die psychologische Diagnostik und Begutachtung in der Dauer von zumindest 60 Stunden und in die psychosozialen Interventionsformen in der Dauer von zumindest 60 Stunden;

  2. Grundlagen der Somatologie und Medizin,

    insbesondere eine Einführung in die medizinische Terminologie in der Dauer von zumindest 30 Stunden, in die klinischen Sonderfächer der Medizin unter besonderer Berücksichtigung der Psychiatrie, der Psychopathologie und der Psychosomatik aller Altersstufen,

    vor allem im Hinblick auf die Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie und die Gerontopsychotherapie in der Dauer von zumindest 120 Stunden, in die Pharmakologie unter besonderer Berücksichtigung der Psychopharmakologie und der psychotropen Wirkung von Pharmaka in der Dauer von zumindest 45 Stunden und in die Erste Hilfe in der Dauer von zumindest 15 Stunden;

  3. Grundlagen der Forschungs- und Wissenschaftsmethodik in der Dauer von zumindest 75 Stunden;

  4. Fragen der Ethik in der Dauer von zumindest 30 Stunden;

  5. Rahmenbedingungen für die Ausübung der Psychotherapie, insbesondere eine Einführung in die institutionellen, gesundheitsrechtlichen und psychosozialen Rahmenbedingungen in der Dauer von zumindest 90 Stunden.

    (2) Der praktische Teil hat in einer Gesamtdauer von zumindest 550 Stunden jedenfalls folgende Inhalte zu umfassen:

  6. Einzel- oder Gruppenselbsterfahrung in der Dauer von zumindest 50 Stunden;

  7. Praktikum im Umgang mit verhaltensgestörten oder leidenden Personen in einer im psychosozialen Feld bestehenden Einrichtung des Gesundheits- oder Sozialwesens unter fachlicher Anleitung und Aufsicht des Leiters dieser Einrichtung oder eines Stellvertreters in der Dauer von zumindest 480 Stunden samt 3. begleitender Teilnahme an einer Praktikumssupervision in der Dauer von zumindest 20 Stunden.

    § 4. (1) Das psychotherapeutische Propädeutikum,

    ausgenommen das Praktikum gemäß § 3

    Abs. 2 Z 2, ist in Lehrveranstaltungen solcher privat-

    oder öffentlich-rechtlicher Einrichtungen einschließlich der Universitätsinstitute und Universitätskliniken zu vermitteln, die nach Anhörung des Psychotherapiebeirates vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung als propädeutische Ausbildungseinrichtungen mit Bescheid anerkannt worden sind.

    (2) Die Träger solcher Einrichtungen haben anläßlich der Anmeldung zur Anerkennung ein detailliertes Ausbildungscurriculum sowie entsprechende Unterlagen über Zahl, Bestellung und Qualifikation des erforderlichen Lehrpersonals vorzulegen.

    (3) Die Anerkennung ist zu erteilen, wenn die Vermittlung der Ausbildungsziele durch Inhalt und Umfang des Ausbildungscurriculums sowie durch die Kenntnisse und Fähigkeiten des Lehrpersonals gewährleistet ist. Sofern die im Abs. 1 genannten Einrichtungen nicht die Vermittlung sämtlicher Ausbildungsziele anbieten können, ist eine entsprechend eingeschränkte Anerkennung zu erteilen.

    (4) Jede anerkannte propädeutische Ausbildungseinrichtung ist in ein beim Bundeskanzleramt geführtes öffentliches Verzeichnis einzutragen. Die Einsichtnahme sowie die Anfertigung von Abschriften ist jedermann gestattet. Für Kopien ist ein vom Bundeskanzler festzusetzender Kostenersatz zu leisten.

    (5) Die Anerkennung ist nach Anhörung des Psychotherapiebeirates vom Bundeskanzler im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Wissenschaft und Forschung jederzeit mit Bescheid zurückzunehmen, wenn hervorkommt, daß sich die für die Anerkennung maßgeblichen Umstände geändert haben oder eine für die Anerkennung erforderliche Voraussetzung schon ursprünglich nicht bestanden hat.

    (6) Die propädeutischen Ausbildungseinrichtungen haben dem Bundeskanzler bis längstens 10. Juli eines jeden Jahres einen schriftlichen Bericht über die vorangegangene Ausbildungstätigkeit jeweils zum Stichtag 1. Juni eines jeden Jahres vorzulegen.

    § 5. (1) Das Praktikum gemäß § 3 Abs. 2 Z 2 ist im Rahmen einer Einrichtung des Gesundheits-

    oder Sozialwesens, die der psychosozialen Versorgung der Bevölkerung dient und der neben dem Leiter noch mindestens zwei weitere fachlich qualifizierte Mitarbeiter angehören, zu absolvieren.

    (2) Der Bundeskanzler hat nach Anhörung des Psychotherapiebeirates eine Liste sämtlicher Einrichtungen,

    in denen das Praktikum gemäß § 3

    Abs. 2 Z 2 absolviert werden kann, zu erstellen und jeweils bis längstens zum Stichtag 1. Juni eines jeden Jahres zu aktualisieren. Die Liste dieser Einrichtungen ist im Bundeskanzleramt aufzulegen. Die Einsichtnahme sowie die Anfertigung von Abschriften ist jedermann gestattet. Für Kopien ist ein vom Bundeskanzler festzusetzender Kostenersatz zu leisten.

    Psychotherapeutisches Fachspezifikum

    § 6. (1) Der theoretische Teil hat in einer Gesamtdauer von zumindest 300 Stunden, wobei zumindest 50 Stunden für eine Schwerpunktbildung in den unter Z 1 bis 3 genannten Bereichen je nach methodenspezifischer Ausrichtung vorzusehen sind,

    jedenfalls folgende Inhalte zu umfassen:

  8. Theorie der gesunden und der psychopathologischen Persönlichkeitsentwicklung in der Dauer von zumindest 60 Stunden;

  9. Methodik und Technik in der Dauer von zumindest 100 Stunden;

  10. Persönlichkeits- und Interaktionstheorien in der Dauer von zumindest 50 Stunden;

  11. psychotherapeutische Literatur in der Dauer von zumindest 40 Stunden.

    (2) Der praktische Teil hat in einer Gesamtdauer von zumindest 1600 Stunden, wobei zumindest 100 Stunden für eine Schwerpunktbildung in den unter Z 1 und 4 genannten Bereichen je nach methodenspezifischer Ausrichtung vorzusehen sind,

    jedenfalls folgende Inhalte zu umfassen:

  12. Lehrtherapie, Lehranalyse, Einzel- oder Gruppenselbsterfahrung in der Dauer von zumindest 200 Stunden;

  13. Erwerb praktischer psychotherapeutischer Kenntnisse und Erfahrungen im Umgang sowohl mit verhaltensgestörten als auch leidenden Personen unter fachlicher...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT