Rechtssätze nº E4080/2020 ua. VfGH. 07-10-2021

ECLIECLI:AT:VFGH:2021:E4080.2020
Date07 Octubre 2021
07.10.2021
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 2
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
07.10.2021
Geschäftszahl
E4080/2020 ua
Leitsatz
Verletzung im Recht auf Freiheit und Sic herheit durch Fortsetzung der Schubhaft betreffend einen
afghanischen Staatsange hörigen; mangelha fte Prüfung der Voraussetzungen für eine über sechs Monate
dauernde Anhaltung in Schubhaft insbesondere mangels der Kausalität des Verhaltens während der Haft
für die Nichtdurchführung der Abschiebung
Rechtssatz
Im vorliegenden Fall befand sich der Beschwerdeführer ab 03.12.2019 in Schubhaft und wurde somit
zum Zeitpun kt der Entscheidungen vo m 09.10.20 20 und vom 06.11.2020 jeweils über die vorgesehene
grundsätzliche Höchstdauer von sechs Monaten hinaus in Schubhaft angehalten. Ob seitens der Behörden
angemessene Bemühungen hinsichtlich der Abschiebungsmaßnahmen gesetzt wurden (vgl Art15 Abs6
Rückführungs-RL), kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben. Das BVwG hat zum einen gar nicht
näher geprüft, ob das vom Beschwerdeführer gesetzte Verhalten kausal dafür war, dass der
Beschwerdeführer nicht abgeschoben werden konnte. Zum anderen hat es verkannt, dass das vom
Beschwerdeführer während der Anhaltung gesetzte Verhalten überhaupt nicht kausal für die
Unmöglichkeit der Abschiebung innerhalb der sechs Monate und damit für eine längere Anhaltung nach
§80 Abs4 Z4 FPG gewesen ist: Zum einen betraf die "widerrechtliche Abgängigkeit von etwa drei T agen"
im September 2018 als Minderjähriger einen vor der Schub haft liegenden Zeitraum und damit kein
Verhalten während der Anhaltung. Zum anderen kann den Erkenntnissen nicht entno mmen werden, dass
die Hungerstreiks oder Ordnungswidrigkeiten in der konkreten Situation kausal dafür waren, dass der
Beschwerdeführer nicht abgeschoben werden konnte und deshalb die gegenständliche Schubhaft
verlängert werden musste. Aus den Feststell ungen des BVwG ergibt sich, dass die für 06.10.2020
geplante Flugabschiebung storniert habe werden müssen; weitere Charterflüge seien für November bzw
Dezember 2020 geplant gewesen. Die Abschiebung dürfte daher aus nicht vom Besc hwerdeführer zu
vertretenden Gründen n icht stattgefunden habe n; das BVwG stellte nämlich auch fest, dass "[d]ie
Abschiebung des Besc hwerdeführers [...] umgehend durchgeführt [wird], sobald die gegenwärtigen
Restriktionen im Zusammenhang mit CoVID-19 wieder gelockert werden".
Dem Urteil EuGH 05.06.2014, Rs C-146/14, Ma hdi, folgend, liegt dann eine "mangelnde
Kooperationsbereitschaft" iSd Art15 Abs6 lita Rückführungs-RL vor - und der Ausnahmetatbestand des
§80 Abs4 Z4 FPG ist erfüllt -, "wenn die Prüfung des Verhaltens des Drittstaatsangehörigen während der
Haft ergibt, dass er nicht bei der Durchführung der Abschiebung kooperiert hat und dass diese wegen
dieses Verhaltens wahrscheinlich länger dauern wird als vorgesehen [...]". Indem das B VwG im
vorliegenden Fall je weils das Vorliegen der Vor-aussetzungen für die Fortsetzung der Schubhaft und die
Verhältnismäßigkeit der weiteren Anhaltung festgestellt hat, o hne aber die konkrete Kausalität eines
(während der Anhal tung gesetzten) Verhaltens des B eschwerdeführers für die nichterfolgte Abschiebung
und die dadurch bewirkte Verlängerung der Schubhaft darzulegen, hat es - mangels Erfüll ung des §80
Abs4 Z4 FPG und weil es daher an einer Rechtsgrundlage für die weitere Anhaltung in Schubhaft fehlt -
den Beschwerde führer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Freiheit und Sicherheit
(persönliche Freiheit) verletzt.
European Case Law Identifier

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