Rechtssätze nº G20/70. VfGH. 14-10-1970

ECLIECLI:AT:VFGH:1970:G20.1970
Date14 Octubre 1970
14.10.1970
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 2
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
14.10.1970
Geschäftszahl
G20/70
Sammlungsnummer
6278
Rechtssatz
Art. IX Abs. 3 letzter Satz Jurisdiktionsnorm, JN, RGBl. 110/1895, wird als verfassungswidrig
aufgehoben.
Der VfGH erkennt in ständiger Rechtsprechung, daß er sic h nicht für berechtigt hält, bei der Prüfung der
Frage, ob die Vorschrift, deren Verfassungswidrigkeit oder Gesetz widrigkeit behauptet wird, für die
Entscheidung des Gerichtes präjudiziell ist, das Gericht an eine bestimmte Auslegung zu binden und
damit auf diese Art der gerichtlichen Entscheidung indirekt vorzugreifen. Ein Mangel der Präjudizialität
liegt daher nur dann vor, wenn die zur Prüfung beantragte Bestimmun g ganz offenbar und schon
begrifflich überhaupt nicht als eine Voraussetzung des gerichtlichen Erk. in Betracht kommen kann (vgl.
u. a. Slg. 2713/1954, 4158/1962, 4318/1962, 5357/1966) .
Dieser Gr undsatz gilt aber nicht für die Frage, ob ein angegriffenes Gesetz noch in Geltung steht. Zur
Prüfung bereits aufgehobener oder sonst a ußer Wirksamkeit getretener Bestimmungen ist der VfGH nicht
zuständig (vgl. u. a. Slg. 3853/1960, 4185/1962, 4509/1963, 5610/1957, 5717/1968) . Der VfGH hatte
daher, weil dies seine Zuständigkeit in der Sache selbst und nicht die Legitimation des Gerichtes betrifft,
ohne Bedachtnahme auf die rechtliche Beurteilung der Geltung des Gesetzes durch das antragstellende
Gericht selbst zu entscheiden, ob der letzte Satz des Art. IX Abs. 3 EGJN noch dem Rechtsbestand
angehört.
Ob durch das Wiederinkrafttreten einer österreichischen Verfassungsvorschrift im Jahre 1945 in diesem
Zeitpunkt bestehende einfache Rechtsvorschriften aufgehoben worden sind, hängt vom Inhalt der
Verfassungsvorschrift ab. Nur insoweit darin auch eine Anordnung liegt, die das Weiterbestehen von
Rechtsvorschriften ausschließt, sie also außer Kraft setzt, ist Derogation eingetreten (Slg. 5810/1968,
früher schon Slg. 5630/1967, 5120/1965) . In diesen Erk. hat der VfGH z. B. den Vorschriften der Art. 7,
18 Abs. 1 und 94 B-VG keinen derogatorischen Inhalt beigemessen, sondern hat eine
Verfassungswidrigkeit angenommen, wenn eine gesetzliche Vorschrift einem der genannten
verfassungsgesetzlichen Grundsätze nicht entspricht. Bei Art. IX Abs. 3 letzter Satz EGJN liegt ein Fall
dieser Art vor. Keine Verfassungsbestimmung hat einen die Geltung der angefoc htenen
Gesetzesvorschrift beseitigenden Inhalt.
Über das Vorliegen der inländischen Gerichtsbarkeit haben nach der Vorschrift des {Jurisdiktionsnorm §
42, § 42 Abs. 1 JN} die Gerichte zu entscheiden. Hievon macht Art. IX Abs. 3 EGJN für den Fall eines
Zweifels des Gerichtes ("wenn es zweifelhaft ist") eine Ausnahme, denn die nach dieser Gesetzesstelle
vom Gerichte angeforderte Erklärung des Justizministers ist für das Gericht für die Beurteilung der
Zuständigkeit bindend. Diese Gesetzesvorschrift hat daher nicht die Bedeutung, eine Sachgrundlage für
die gerichtliche Entscheidung zu schaffen, die Erklärung des Justizministers hat vielmehr die Wirkung,
daß durch sie der Bereich der inländischen Gerichtsbarkeit abgegrenzt wird.
Dieser normative Akt ist kein Bescheid i. S. des Verwaltungsverfahrensrechtes, des {Bundes-
Verfassungsgesetz Art 131, Art. 131 Abs. 1 Z 1 B-VG} oder des {Bundes-Verfassun gsgesetz Art 144,
Art. 144 Abs. 1 B-VG}. Der in ihm enthaltene Befehl richtet sich unmittelbar an das Gericht, was allein
schon ei ne Unterstellung unter den Bescheidbegriff ausschließt, denn es werden nicht, was für diese n

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