Rechtssätze nº G69/2018. VfGH. 03-10-2018

ECLIECLI:AT:VFGH:2018:G69.2018
Date03 Octubre 2018
03.10.2018
www.ris.bka.gv.at Seite 1 von 2
Gericht
Verfassungsgerichtshof
Entscheidungsdatum
03.10.2018
Geschäftszahl
G69/2018
Leitsatz
Abweisung ei nes Parteiantra gs auf Aufheb ung einer Bestimmung des ABGB betreffend den generellen
Ausschluss von der Annahme an Kinde sstatt gleichgeschlechtlicher Paare nach deren Trennung;
adoptionsbedingtes Erlöschen der familienrechtlichen Beziehungen gegenüber dem leiblichen Elternteil
durch einen Wahlelternteil desselben Geschlechts verfassungskonform dahingehend interpretiert, dass ein
"Wahlvater" an Stelle der leiblichen Mutter und eine "Wahlmutter" an Stelle des leiblichen Vaters tritt
Rechtssatz
Abweisung eines - zulässigen - Parteiantrags auf Aufhebung des §197 Abs3 erster Satz AB GB.
Nach §197 Abs3 erster Satz ABGB erlöschen in jenen Fällen, in denen das Wahlkind nur durch einen
Wahlvater (eine Wahlmutter) angenommen wird, die familienrechtlichen Bezie hungen zum leiblichen
Vater (zur leiblichen Mutter) und zu dessen (deren) Verwandten.
Angesichts der jüngeren Rec htsentwicklung in Bezug a uf familienrechtliche Vorschriften hinsichtlich
gleichgeschlechtlicher Paare ist kein Grund er sichtlich, der es rechtfertigen würde, gleichgeschlechtliche
Paare mit verschiedengeschlechtlichen Paaren hinsichtlich der Möglichkeiten zur Annahme an
Kindesstatt während aufrechter B eziehung gleich zu behandeln, für den Fall der Trennung - als Folge der
Formulierung des §197 Abs3 ABGB - jedoch unterschiedliche Rechts folgen vorzusehen. Auch wenn
durch die Annahme an Kindesstatt ein stabile s Umfeld im Sinn eines beständigen und ausgeglichenen
Zuhauses für das Kind geschaffen werden soll, ist nicht ersichtlich, dass der Umstand der Trennung
gleichgeschlechtlicher Paare - im Gegensatz zur T rennung verschiedengeschlechtlicher Paare - dem
Kindeswohl widersprechen und den generellen Ausschluss der Annahme an Kindesstatt in solchen Fällen
rechtfertigen würde.
In diesem Zusammenhang ist überdies hervorzuheben, dass das geltende Adoptionsrecht Bestimmungen
enthält, die sic herstellen, dass die Annahme an Kindesstatt nur in jenen Fällen bewilligt wird, in denen -
trotz Trennung - ein stabiles Umfeld und die Wahrung des Kindeswohles gewährleistet werden kann. So
bedarf die gerichtliche Bewilligung der Annahme an Kindesstatt gemäß §195 Abs1 Z1 ABGB jedenfalls
der Zustimmung d es leiblichen Elternteils. Dabei ist davon auszugehen, dass diese Zustimmung nur in
jenen Fällen erteilt werden wird, in denen eine gemeinsame Erziehung und Obsorge des Kindes sowie die
rechtliche Institutionalisierun g des Verhältnisses zur bestehenden Bezugsperson von beiden Teilen
gewünscht und gelebt wird. Darüber hinaus haben im Rahmen der Prüfung des Kindeswohles im
Einzelfall d urch das Gericht jedenfalls auch der Aspekt der Trennung und die derzeitigen Verhältnisse
zwischen getrennten Partnern oder Ehegatten Berücksichtigung zu finden.
Eine Auslegung, der zufolge die familienrechtlichen Beziehungen gegenüber jenem leiblichen Elternteil
erlöschen, der durch einen seinem Geschlecht entsprechenden Wahlel ternteil ersetzt wird, führt vor
diesem Hintergrund im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz und Art8 iVm Art14 EMRK zu einem
verfassungswidrigen Ergebnis. Der Wortlaut des §197 Abs3 ABGB lässt es jedoch zu, die Wendung
"durch einen Wahlvater (eine Wahlmutter)" so wie "zum leiblichen Vater (zur leiblichen Mutter)"
verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass im Fall der Einzeladoption durch den (ehemaligen)
gleichgeschlechtlichen Partner des leiblichen Elternteils ein "Wahlvater" an die Stelle der leiblichen
Mutter und eine "Wahlmutter" an die Stelle des leiblichen Vaters tritt. Die Möglichkeit der nicht auf ein
bestimmtes Geschlecht bez ogenen Verdrängung eines Elternteils ist dem ABGB seit dem

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT