Bundesgesetz vom 5. März 1986 über die staatsanwaltschaftlichen Behörden (Staatsanwaltschaftsgesetz ? StAG)

Der Nationalrat hat beschlossen:

ARTIKEL I Abschnitt I STAATSANWALTSCHAFTLICHE BEHÖRDEN Aufgaben der staatsanwaltschaftlichen Behörden

§ 1. Die staatsanwaltschaftlichen Behörden sind in Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben zur Wahrung der Interessen des Staates in der Rechtspflege,

vor allem in der Strafrechtspflege, berufen. Sie sind bei der Erfüllung ihrer Aufgaben von den Gerichten unabhängig.

Aufbau der staatsanwaltschaftlichen Behörden

§ 2. (1) Bei jedem in Strafsachen tätigen Gerichtshof erster Instanz besteht eine Staatsanwaltschaft,

bei jedem Gerichtshof zweiter Instanz eine Oberstaatsanwaltschaft und beim Obersten Gerichtshof die Generalprokuratur. Die Staatsanwaltschaften sind den Oberstaatsanwaltschaften und diese sowie die Generalprokuratur dem Bundesminister für Justiz unmittelbar untergeordnet.

(2) Den Staatsanwaltschaften, Oberstaatsanwaltschaften und der Generalprokuratur steht ein Leiter vor. Dieser vertritt die Behörde nach außen,

beaufsichtigt die Tätigkeiten der ihm unterstehenden Organe und erteilt ihnen erforderlichenfalls Weisungen. Er ist im Einzelfall befugt, die Amtsverrichtungen aller ihm untergeordneten Organe selbst zu übernehmen oder mit der Wahrnehmung staatsanwaltschaftlicher Aufgaben aus schwerwiegenden Gründen einen anderen als den nach der Geschäftsverteilung zuständigen Staatsanwalt zu betrauen.

Abschnitt II ORGANE DER STAATSANWALTSCHAFTLICHEN BEHÖRDEN Staatsanwälte

§ 3. (1) Die staatsanwaltschaftlichen Behörden

üben ihre ihnen von den Gesetzen zugewiesene Tätigkeit unbeschadet des § 4 Abs. 1 zweiter Satz durch Staatsanwälte aus.

(2) Die bei den staatsanwaltschaftlichen Behörden ernannten und ständig tätigen Staatsanwälte sind in Erfüllung der Aufgaben dieser Behörden Organe der Rechtspflege. Sie arbeiten selbständig und in eigener Verantwortung im Rahmen der dienstlichen Anweisungen ihrer Vorgesetzten. Die Staatsanwälte sind der Republik Österreich zur Treue verpflichtet und haben die Bundesverfassung sowie alle anderen Gesetze unverbrüchlich zu beachten. Sie haben sich mit voller Kraft und allem Eifer dem Dienst zu widmen und die Pflichten ihres Amtes rasch, gewissenhaft, unparteiisch und uneigennützig zu erfüllen.

(3) Außer den Staatsanwälten können auch Richter und Richteramtsanwärter nach erfolgreicher Ablegung der Richteramtsprüfung, die staatsanwaltschaftlicheh Behörden zur Dienstleistung zugewiesen sind, als deren Organe tätig sein. Mit Ausnahme der §§ 12 bis 28 und 39 beziehen sich die Vorschriften dieses Gesetzes über Staatsanwälte auch auf sie.

Staatsanwaltschaftliche Organe bei den Bezirksgerichten

§ 4. (1) Der Staatsanwaltschaft bei dem in Strafsachen tätigen Gerichtshof erster Instanz obliegt auch die Anklagevertretung vor den Bezirksgerichten im Sprengel dieses Gerichtshofes. Diese Aufgabe kann auch von Bezirksanwälten versehen werden,

die unter Aufsicht und Leitung von Staatsanwälten stehen.

(2) Bezirksanwälte sind Beamte des Fachdienstes oder in gleichartiger Verwendung stehende Vertragsbedienstete.

(3) Ist der Bezirksanwalt verhindert, sich an der Hauptverhandlung zu beteiligen, so kann der Leiter der Staatsanwaltschaft auch eine andere geeignete Person mit deren Zustimmung zum Anklagevertreter bestellen.

(4) Die Staatsanwälte und die Bezirksanwälte sind berechtigt, zur Durchführung ihrer dienstlichen Verrichtungen bei den Bezirksgerichten deren Geschäftsstellen in Anspruch zu nehmen.

Abschnitt III INNERE EINRICHTUNG DER STAATSANWALTSCHAFTLICHEN BEHÖRDEN.

BERICHTE Referate und Gruppen

§ 5. (1) Zum Zwecke der Verteilung der staatsanwaltschaftlichen Geschäfte sind in den staatsanwaltschaftlichen Behörden Referate zu bilden,

denen bestimmte Tätigkeitsbereiche zugewiesen werden und die nach Möglichkeit mit einem, allenfalls auch mehreren Staatsanwälten zu besetzen sind.

(2) Nach Maßgabe der Größe und des Aufgabenbereiches der staatsanwaltschaftlichen Behörde können mehrere Referate zu Gruppen zusammengefaßt werden, die jeweils einem Staatsanwalt (§ 3

Abs. 2) als Gruppenleiter unterstellt werden. Dem Gruppenleiter obliegen die Aufsicht über die ihm unterstellten Staatsanwälte und die Revision ihrer Erledigungen; daneben ist er in der Regel auch mit der Führung eines Referates zu betrauen.

(3) Der Behördenleiter kann einem Staatsanwalt mit dessen Zustimmung bestimmte allgemein umschriebene Geschäfte zur selbständigen Behandlung

übertragen. Dabei ist auf die Bedeutung dieser Geschäfte Bedacht zu nehmen.

(4) Der Verzicht auf die Verfolgung wegen einer dem Schöffen- oder Geschwornengericht zugewiesenen strafbaren Handlung ist jedenfalls einer Revision vorzubehalten.

(5) Gruppenleiter und Staatsanwälte, denen die selbständige Behandlung bestimmter Geschäfte

übertragen wird, müssen über die entsprechende Eignung und Erfahrung verfügen und mindestens zehn Jahre als Staatsanwalt oder Richter tätig gewesen sein.

(6) Die Zusammenfassung von Referaten in Gruppen und die Übertragung bestimmter Geschäfte zur selbständigen Behandlung entbinden den Behördenleiter nicht von seinen Aufsichtspflichten.

Geschäftsverteilung

§ 6. (1) Die Leiter der staatsanwaltschaftlichen Behörden haben die Einteilung der Staatsanwälte auf die einzelnen Referate und Gruppen alljährlich so vorzunehmen, daß eine möglichst gleichmäßige Arbeitsbelastung erreicht wird.

(2) Die Leiter der staatsanwaltschaftlichen Behörden können dabei einen Teil ihrer Befugnisse

(§ 2 Abs. 2) dem Ersten Stellvertreter übertragen,

soweit dies zu ihrer Entlastung notwendig ist.

(3) Die Geschäftsverteilungen der Staatsanwaltschaften sind ehestens — tunlichst vor ihrem Wirksamwerden

— der Oberstaatsanwaltschaft zur Kenntnis zu bringen; aus wichtigen Gründen kann der Leiter der Oberstaatsanwaltschaft anordnen,

daß die Geschäftsverteilung geändert wird.

(4) Die Oberstaatsanwaltschaften und die Generalprokuratur haben ihre Geschäftsverteilung dem Bundesministerium für Justiz zur Kenntnis zu bringen.

(5) Während des Kalenderjahres darf die Geschäftsverteilung nur aus schwerwiegenden Gründen geändert werden.

(6) Im Gebäude jeder staatsanwaltschaftlichen Behörde ist eine Geschäftsverteilungsübersicht anzuschlagen.

Geschäftsstelle

§ 7. Bei den staatsanwaltschaftlichen Behörden wird eine Geschäftsstelle eingerichtet, die mit der erforderlichen Anzahl von Beamten oder Vertragsbediensteten zu besetzen ist.

Berichte

§ 8. (1) Über Strafsachen, die von besonderem

öffentlichen Interesse sind oder bei denen noch nicht hinreichend geklärte Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu beurteilen sind,

haben die Staatsanwaltschaften von sich aus den Oberstaatsanwaltschaften unter Mitteilung der etwa schon getroffenen Verfügungen zu berichten und in diesem Bericht zum beabsichtigten weiteren Vorgehen Stellung zu nehmen. Die Oberstaatsanwaltschaften haben, soweit solche Strafsachen nicht nur von räumlich begrenzter Bedeutung sind, dem Bundesministerium für Justiz zu berichten. Über Strafanzeigen gegen Mitglieder eines allgemeinen Vertretungskörpers ist jedenfalls zu berichten,

wenn ein Zusammenhang mit der politischen Tätigkeit des Mitglieds nicht auszuschließen ist.

(2) Der Bundesminister für Justiz und die Oberstaatsanwaltschaften können in Wahrnehmung ihrer Aufsichts- und Weisungsbefugnisse, insbesondere auch zur Förderung einer einheitlichen Rechtsanwendung, anordnen, daß ihnen über bestimmte Gruppen von Strafsachen und Disziplinarsachen Bericht erstattet werde; sie können auch in einzelnen Fällen Berichte anfordern.

(3) Berichte nach Abs. 1 sind anläßlich der ersten Verfügung zu erstatten, in zweifelhaften Fällen schon vor dieser Verfügung (Anfallsbericht).

Besteht die erste Verfügung in der Anklageerhebung oder in einem Verzicht auf die Verfolgung einer Person, die bereits als Beschuldigter behandelt worden ist, so ist gleichfalls vor der Verfügung zu berichten.

(4) Im übrigen richten sich Zeitpunkt und Art der Berichterstattung nach besonderen Anordnungen.

Die Pflicht zur Berichterstattung über eine beabsichtigte Verfügung steht Anträgen, die wegen Gefahr im Verzug sofort gestellt werden müssen,

nicht entgegen.

Berichtspflicht der staatsanwaltschaftlichen Organe bei den Bezirksgerichten

§ 9. In den im § 8 genannten Fällen haben die staatsanwaltschaftlichen Organe bei den Bezirksgerichten der Staatsanwaltschaft von sich aus Bericht zu erstatten und — außer bei Gefahr im Verzug —

deren...

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