Bundesgesetz, mit dem die Strafprozeßordnung, das Jugendgerichtsgesetz und das Finanzstrafgesetz geändert werden (Strafprozeßänderungsgesetz 1993)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I Änderungen der Strafprozeßordnung Die Strafprozeßordnung 1975, BGBl. Nr. 631, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 474/1990, wird wie folgt geändert:

  1. § 6 wird wie folgt geändert:

    a)  Folgender neuer Abs. 4 wird eingefügt:

    „(4) Die Frist ist auch gewahrt, wenn ein Rechtsmittel, ein Rechtsbehelf oder eine andere fristgebundene Eingabe rechtzeitig bei dem Gericht eingebracht wird, das darüber zu entscheiden hat."

    b)  Der bisherige Abs. 4 erhält die Absatzbezeichnung „(5)".

    1 a. Im § 8 Abs. 3 hat der erste Satz zu lauten:

    „Soweit sich die Zuständigkeit der Strafgerichte nach den folgenden Bestimmungen nach der Höhe der angedrohten Freiheitsstrafe richtet, ist auch die Zulässigkeit einer Überschreitung der Obergrenze nach den §§ 39 und 313 StGB zu berücksichtigen."

    1 b. Im § 9 Abs. 1 hat die Z 1 zu lauten:

    „1. das Strafverfahren wegen aller Vergehen, für die nur Geldstrafe oder eine Freiheitsstrafe angedroht ist, deren Höchstmaß ein Jahr nicht übersteigt, mit Ausnahme der Vergehen der Nötigung   (§ 105   StGB),   der   gefährlichen Drohung (§ 107 StGB), der fahrlässigen Beeinträchtigung der Umwelt (§ 181 StGB) und des umweltgefährdenden Beseitigens von Abfällen und Betreibens von Anlagen (§ 181 b StGB) sowie mit Ausnahme der den Geschworenengerichten zur Aburteilung zugewiesenen Vergehen."

    1 c. § 12 hat zu lauten:

    „§ 12. Eine Abteilung des Gerichtshofes erster Instanz entscheidet als Ratskammer über Beschwerden gegen Beschlüsse des Untersuchungsrichters, soweit nicht der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist, und in den übrigen vom Gesetz bezeichneten Fällen; sie faßt ihre Beschlüsse in Versammlungen von drei Richtern."

  2.   § 35 Abs. 2 hat zu lauten:

    „(2) Nimmt der Staatsanwalt bei einem Rechtsmittelgericht zu einer Nichtigkeitsbeschwerde, einer Berufung oder einer Beschwerde Stellung, so hat das Rechtsmittelgericht dem Beschuldigten (Angeklagten, Betroffenen) diese Stellungnahme mit dem Bedeuten mitzuteilen, daß er sich binnen einer festzusetzenden angemessenen Frist hiezu äußern könne. Diese Mitteilung kann unterbleiben, wenn der Staatsanwalt sich darauf beschränkt, dem Rechtsmittelbegehren ohne weitere Ausführungen entgegenzutreten, er bloß zugunsten des Beschuldigten Stellung nimmt, oder wenn dem Rechtsmittel des Beschuldigten Folge gegeben wird."

  3.   Dem § 38 wird folgender Abs. 4 angefügt:

    „(4) Der einer strafbaren Handlung Verdächtige ist zu verständigen, sobald gerichtliche Vorerhebungen gegen ihn geführt werden oder die Voruntersuchung eingeleitet wird. Die Verständigung hat den Gegenstand der Anschuldigung und eine Belehrung über  die  wesentlichen  Rechte  im  Verfahren  zu enthalten. Sie kann aufgeschoben werden, solange durch sie der Zweck der Untersuchung gefährdet wäre."

  4.     Nach    dem    § 38   wird   folgender   § 38 a eingefügt:

    „§ 38 a. Ist ein Beschuldigter der Gerichtssprache nicht hinreichend kundig, so ist ihm, nötigenfalls durch die Beistellung eines Dolmetschers, Übersetzungshilfe zu leisten, soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem zur Wahrung seiner Verteidigungsrechte, erforderlich ist. Dies gilt insbesondere für Verhandlungen sowie dann, wenn der Beschuldigte für die Einsicht in die Akten oder anläßlich der Bekanntgabe einer gerichtlichen Verfügung oder eines Antrages des Anklägers Übersetzungshilfe verlangt."

  5. Dem § 39 Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

    „Über dieses Recht ist er spätestens bei der ersten gerichtlichen Vernehmung zu belehren."

  6.   § 41 hat zu lauten:

    „§41. (1) In folgenden Fällen bedarf der Beschuldigte (Angeklagte, Betroffene) eines Verteidigers (notwendige Verteidigung) :

  7.   in der Hauptverhandlung vor dem Geschworenen- oder dem Schöffengericht,

  8.   in der Hauptverhandlung vor dem Einzelrichter, wenn für die Tat, außer in den Fällen der §§ 129 Z 1 bis 3 und 164 Abs. 3 StGB, eine drei Jahre übersteigende Freiheitsstrafe angedroht ist,

  9. Â Â wenn und solange sich der Beschuldigte in Untersuchungshaft befindet,

  10.   zur Ausführung einer Nichtigkeitsbeschwerde und   für   den   Gerichtstag   zur   öffentlichen Verhandlung über eine solche oder über eine Berufung gegen ein Urteil des Geschworenenoder   Schöffengerichts   (§§ 285 a   Z 3,   286 Abs. 4, 294 Abs. 5, 344, 348),

  11.   für die Voruntersuchung und die Hauptverhandlung im Fall der Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 StGB (§§ 429 Abs. 2, 430 Abs. 3, 436, 439 Abs. 1),

  12.   für    die    Hauptverhandlung    im    Fall    der Anordnung der Unterbringung in einer der in den §§ 22 und 23 StGB genannten Anstalten (§439 Abs. 1).

    (2) Ist der Beschuldigte (Angeklagte, Betroffene) außerstande, ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung notwendigen Unterhaltes die Kosten der Verteidigung zu tragen, so hat das Gericht auf Antrag des Beschuldigten zu beschließen, daß diesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessen Kosten der Beschuldigte nicht zu tragen hat, wenn und soweit dies im Interesse der Rechtspflege, vor allem im Interesse einer zweckentsprechenden Verteidigung, erforderlich ist (Verfahrenshilfeverteidiger). Die Beigebung eines Verteidigers ist in diesem Sinn jedenfalls erforderlich:

  13.   in den Fällen des Abs. 1,

  14. Â Â bei schwieriger Sach- oder Rechtslage,

  15.   zur   Erhebung   des   Einspruchs   gegen   die Anklageschrift,

  16.   zur Ausführung angemeldeter Rechtsmittel,

  17.   für den Gerichtstag zur öffentlichen Verhandlung über ein Rechtsmittel,

  18.   wenn der Beschuldigte blind, gehörlos, stumm, auf andere Weise behindert oder der Gerichtssprache nicht hinreichend kundig und deshalb nicht in der Lage ist, sich selbst zweckentsprechend zu verteidigen.

    (3) In den Fällen des Abs. 1 sind der Beschuldigte (Angeklagte,   Betroffene)   und   sein   gesetzlicher Vertreter    aufzufordern,    einen   Verteidiger   zu wählen oder die Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers   nach   Abs. 2   zu   beantragen.   Wählt weder   der   Beschuldigte   noch   sein   gesetzlicher Vertreter für ihn einen Verteidiger, so ist ihm von Amts wegen  ein Verteidiger beizugeben,  dessen Kosten er zu tragen hat (Amtsverteidiger).

    (4)  In den Fällen des Abs. 1 ist dem Beschuldigten, sofern weder er noch sein gesetzlicher Vertreter einen Verteidiger wählt oder die  Beigabe  eines Verfahrenshilfeverteidigers nach Abs. 2 beantragt, auch ohne einen solchen Antrag ein Verfahrenshilfeverteidiger    beizugeben,    wenn    die    sonstigen Voraussetzungen des Abs. 2 vorliegen.

    (5)  Die Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers gilt, wenn nicht aus besonderen Gründen etwas anderes angeordnet wird, für das gesamte weitere Verfahren bis zu dessen rechtskräftigem Abschluß sowie für ein allfälliges Verfahren auf Grund einer zur Wahrung des Gesetzes ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde.

    (6)  Die Bestellung eines Verfahrenshilfe- oder Amtsverteidigers erlischt mit dem Einschreiten eines gewählten Verteidigers (§ 44 Abs. 1).

    (7)   Gegen die Abweisung eines Antrags nach Abs. 2 und gegen die Bestellung eines Verteidigers nach   Abs. 3    ist   die    binnen   vierzehn   Tagen einzubringende Beschwerde zulässig."

  19.   § 42 wird wie folgt geändert:

    a)  Dem Abs. 1 wird folgender Satz angefügt:

    „Dabei hat der Ausschuß Wünschen des Beschuldigten (Angeklagten) zur Auswahl der Person dieses Verteidigers im Einvernehmen mit dem namhaft gemachten Rechtsanwalt nach Möglichkeit zu entsprechen."

    1. Nach dem Abs. 1 werden folgende neue Abs. 2 und 3 eingefügt:

      „(2) Wird über einen Beschuldigten, der noch nicht  durch  einen  Verteidiger vertreten  ist,  die Untersuchungshaft verhängt und ist im Hinblick auf § 181 Abs. 2 Z 1 eine Haftverhandlung durchzuführen, so ist dem Beschuldigten sogleich ein Pflichtverteidiger beizugeben. Dieser ist vom Ausschuß der zuständigen Rechtsanwaltskammer zu bestellen, und zwar nach Möglichkeit aus einer Liste von Rechtsanwälten, die sich zur Übernahme solcher Verteidigungen bereiterklärt haben.

      (3) Solange sich der Beschuldigte in Haft befindet, hat ihn der Pflichtverteidiger, insbesondere bei der erwähnten Haftverhandlung und bei der Ausführung einer allfälligen Beschwerde gegen einen dort ergangenen Beschluß, zu vertreten. Danach hat ohne Verzug der nach § 41 Abs. 2 oder 3 bestellte Verteidiger einzuschreiten; bis dahin bleibt die Bestellung des Pflichtverteidigers aufrecht. Mit dem Einschreiten eines gewählten Verteidigers erlischt die Bestellung des Pflichtverteidigers jedenfalls."

    2. Der bisherige Abs. 2 erhält die Absatzbezeichnung „(4)".

      7 a. Im § 45 Abs. 2 werden im dritten Satz die Worte „die Untersuchung erschwert werden könnte" durch die Worte „der Zweck der Untersuchung gefährdet wäre" ersetzt.

      7 b. Nach dem § 45 wird folgender neuer § 45 a eingefügt:

      „§ 45 a. Wird der Beschuldigte in Haft genommen, so sind dem Staatsanwalt und dem Verteidiger bis zur ersten Haftverhandlung — sofern die Hauptverhandlung früher stattfindet, bis zu dieser — unverzüglich Abschriften (Ablichtungen) aller Aktenstücke, die für die Beurteilung des Tatverdachts oder der Haftgründe von Bedeutung sein können, von Amts wegen unentgeltlich zuzustellen. Der Staatsanwalt und der Verteidiger können beantragen, daß ihnen solche Abschriften auch in weiterer Folge übermittelt werden. § 45 Abs. 2 bleibt unberührt."

      7 c. Der bisherige § 45 a erhält die Bezeichnung „§ 45 b".

  20. Dem § 46 Abs. 3 wird folgender Satz angefügt:

    „In diesen Fällen ist das Verfahren durch Beschluß...

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