Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Österreichischen Stabilitätspakt 2012 - ÖStP 2012

30.

Der Nationalrat hat beschlossen:

Der Abschluss der gegenständlichen Vereinbarung gemäß Art. 15a B-VG wird genehmigt.

Vereinbarung zwischen dem Bund, den Ländern und den Gemeinden über einen Österreichischen Stabilitätspakt 2012 ? ÖStP 2012

Der Bund, vertreten durch die Bundesregierung, und die Länder Burgenland, Kärnten, Niederösterreich, Oberösterreich, Salzburg, Steiermark, Tirol, Vorarlberg und Wien, jeweils vertreten durch den Landeshauptmann, sowie die Gemeinden, vertreten durch den Österreichischen Gemeindebund und den Österreichischen Städtebund,

sind ? gestützt auf das Bundesverfassungsgesetz über Ermächtigungen des Österreichischen Gemeindebundes und des Österreichischen Städtebundes und auf Art. 13 sowie 15a des Bundes-Verfassungsgesetzes ? übereingekommen, die nachstehende Vereinbarung zu schließen:

Artikel 1

Koordination zur Nachhaltigkeit der Haushaltsführung

Bund, Länder und Gemeinden streben bei ihrer Haushaltsführung nachhaltig geordnete Haushalte an und koordinieren ihre Haushaltsführung gemäß Art. 13 B-VG im Hinblick auf dieses Ziel entsprechend dieser Vereinbarung. Sie werden gemeinsam die nachhaltige Einhaltung der Kriterien über die Haushaltsdisziplin insbesondere auf Basis der Art. 121, 126 und Art. 136 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) sicherstellen. Sie setzen dazu die geltenden Regeln des Sekundärrechts wie die Verordnungen zum Stabilitäts- und Wachstumspakt um und stehen im Einklang mit dem Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion.

Artikel 2

System mehrfacher Fiskalregeln

(1) Bund, Länder und Gemeinden vereinbaren zur Umsetzung der Vorgaben des Art. 13 B-VG, des Unionsrechts und des Vertrags über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion ein System mehrfacher Fiskalregeln, die sämtlich bei der jeweiligen Haushaltsführung zu beachten sind.

(2) Dieses System umfasst

a) eine Regel über den jeweils zulässigen Haushaltssaldo nach ESVG (Maastricht-Saldo)
b) eine Regel über den jeweils zulässigen strukturellen Saldo (Schuldenbremse)
c) eine Regel über das jeweils zulässige Ausgabenwachstum (Ausgabenbremse)
d) eine Regel über die Rückführung des jeweiligen öffentlichen Schuldenstandes nach ESVG (Schuldenquotenanpassung)
e) eine Regel über Haftungsobergrenzen
f) Regeln zur Verbesserung der Koordination der Haushaltsführung zwischen Bund, Ländern und Gemeinden, zur mittelfristigen Haushaltsplanung, zur gegenseitigen Information und zur Erhöhung der Transparenz der Haushaltsführung
g) Regeln über Sanktionen und das Sanktionsverfahren bei Abweichungen von einer der vereinbarten Regeln.

Artikel 3

Maastricht-Saldo

(1) Der Bund und die Länder verpflichten sich, in den Jahren 2012 bis 2016 folgende Werte für den Haushaltssaldo nach ESVG (Maastricht-Saldo) nicht zu unterschreiten (in % des nominellen Bruttoinlandsprodukts ? BIP):

2012 2013 2014 2015 2016
Bund -2,47 -1,75 -1,29 -0,58 -0,19
Länder -0,54 -0,44 -0,29 -0,14 +0,01

(2) Der nicht zu unterschreitende Haushaltssaldo nach ESVG (Maastricht-Saldo) verteilt sich auf die einzelnen Länder:

Länder Anteile
2012 2013 2014 2015 2016
Burgenland 1,996 % 1,726 % -0,576 % -0,419 % 0,000 %
Kärnten 8,318 % 8,259 % 9,280 % 8,784 % 5,217 %
Niederösterreich 17,469 % 18,911 % 20,988 % 21,824 % 17,826 %
Oberösterreich 18,360 % 18,653 % 16,770 % 17,526 % 13,478 %
Salzburg 5,942 % 5,731 % 7,716 % 8,658 % 8,696 %
Steiermark 22,603 % 17,622 % 7,201 % 0,650 % 14,348 %
Tirol 4,159 % 3,668 % 6,831 % 8,973 % 11,304 %
Vorarlberg 3,565 % 4,155 % 4,938 % 5,010 % 4,348 %
Wien 17,588 % 21,275 % 26,852 % 28,994 % 24,783 %
Summe 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 % 100,000 %

(3) Die Gemeinden verpflichten sich, in den Jahren 2012 bis 2016 landesweise einen ausgeglichenen Haushaltssaldo nach ESVG (Maastricht-Saldo) zu erzielen.

(4) In den Jahren ab 2017 darf die Summe der Anteile der staatlichen Sektoren am gesamtstaatlichen Maastricht-Saldo die gesamtstaatliche Grenze gemäß dem Protokoll (Nr. 12) über das Verfahren bei einem Übermäßigen Defizit (ABl. der Europäischen Union vom 16.12.2004, C 310/337) nicht unterschreiten, der jeweilige Maastricht-Saldo ist gegebenenfalls im Verhältnis der Defizitanteile zu verbessern.

(5) Unterschreitungen des jeweils zulässigen Maastricht-Saldos bis zu einem Höchstbetrag von 75 Mio. ? beim Bund und einem Höchstbetrag von 45 Mio. ? bei Ländern gemeinsam sowie von Gemeinden im Jahr 2012 von 300 Mio. ?, im Jahr 2013 von 150 Mio. ?, im Jahr 2014 von 100 Mio. ? und im Jahr 2015 von 50 Mio. ? und im Jahr 2016 von 0 Mio. ? gemeinsam sind zulässig, jedoch nur soweit dieser Höchstbetrag nicht schon für das Vorjahr ausgeschöpft wurde. Der Unterschreitungsbetrag ist im Folgejahr auszugleichen. Der Wert für die einzelnen Länder ergibt sich nach der Volkszahl gemäß § 9 Abs. 9 FAG 2008. Für die Gemeinden (landesweise) beträgt der Anteil an der möglichen Unterschreitung:

Gemeinden der Länder Anteil in %
Burgenland 4,11 %
Kärnten 8,58 %
Niederösterreich 23,63 %
Oberösterreich 21,25 %
Salzburg 8,11 %
Steiermark 18,26 %
Tirol 10,54 %
Vorarlberg 5,52 %
Summe 100,00 %

Artikel 4

Struktureller Saldo (Schuldenbremse) (1) Die Haushalte von Bund, Ländern und Gemeinden sind nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union und nach dieser Vereinbarung über den Konjunkturzyklus grundsätzlich auszugleichen oder haben im Überschuss zu sein. Diesem Grundsatz ist für den Gesamtstaat entsprochen, wenn der jährliche strukturelle Haushaltssaldo Österreichs in den Jahren ab 2017 insgesamt -0,45 % des nominellen BIP nicht unterschreitet.

a) Für den Bund ist dem Grundsatz entsprochen, wenn der Anteil des Bundes einschließlich der Sozialversicherung am strukturellen Haushaltssaldo des Gesamtstaates -0,35 % des nominellen BIP nicht unterschreitet (Regelgrenze des Bundes für das strukturelle Defizit).
b) Für Länder und Gemeinden ist dem Grundsatz entsprochen, wenn der Anteil der Länder und der Gemeinden am strukturellen Haushaltssaldo des Gesamtstaates -0,1 % des nominellen BIP nicht unterschreitet (Regelgrenze der Länder und Gemeinden für das strukturelle Defizit).

(2) Bund, Länder und Gemeinden (landesweise) stellen in den Jahren 2012 bis 2016 eine rasche Annäherung an dieses Ziel gemäß Artikel 3 sicher.

a) Dabei gilt, dass der gemäß Artikel 3 zulässige Haushaltssaldo nach ESVG (Maastricht-Saldo) um konjunkturelle Einflüsse und um Einmalmaßnahmen bereinigt wird. Das Ergebnis ist in den Jahren 2012 bis 2016 die für das jeweilige Jahr zulässige Untergrenze für den strukturellen Haushaltssaldo. Es ergeben sich dadurch keine weiteren Verpflichtungen, unbeschadet lit. b.
b) Gemäß dem Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion schlägt die europäische Kommission den zeitlichen Rahmen für die Annäherung an einen ausgeglichenen oder im Überschuss befindlichen gesamtstaatlichen Haushalt vor. Sieht dieser Vorschlag eine schnellere Annäherung an die Regelgrenze für das strukturelle Defizit vor, als sich nach den Bestimmungen dieser Vereinbarung ergibt, ist jedenfalls der sich nach dem Vorschlag der Europäischen Kommission ergebende Anteil am strukturellen Haushaltssaldo verbindlich vereinbart. Allfällige sich daraus ergebende zusätzliche Konsolidierungsverpflichtungen verteilen sich auf die Gebietskörperschaften im Verhältnis der jeweiligen Defizitanteile in den Jahren 2012 ? 2016 nach dieser Vereinbarung.

(3) Diskretionäre Abweichungen von den jeweiligen Anteilen am strukturellen Haushaltssaldo sind ? abgesehen von Abs. 4 ? nur zur Haushaltsverbesserung zulässig.

(4) Im Falle von Naturkatastrophen oder außergewöhnlichen Notsituationen, die sich der Kontrolle des Staates entziehen und die staatliche Finanzlage erheblich beeinträchtigen, können die gemäß Abs. 1 bzw. Artikel 7 zulässigen Grenzen nach Information des Koordinationskomitees für den Bund mit Beschluss des Nationalrates, für die Länder und Gemeinden mit Beschluss des jeweiligen Landtages unterschritten werden. Der jeweilige Beschluss des Nationalrats bzw. Landtags ist jedenfalls mit einem Rückführungsplan zu verbinden. Die Rückführung hat binnen eines nach Maßgabe des Rechts der Europäischen Union angemessenen Zeitraumes zu erfolgen.

Artikel 5

Berechnung des strukturellen bzw. des Maastricht-Saldos

(1) Für die Berechnung und Festlegung des jährlichen gesamtstaatlichen strukturellen Haushaltssaldos wird die von der Europäischen Kommission angewandte Methode verwendet. Für die Ermittlung der jeweiligen strukturellen Haushaltssalden des Bundes, der Länder und der Gemeinden (landesweise) sind in der Folge die jeweiligen Haushaltssalden nach ESVG (Maastricht-Salden) um den jeweiligen anteiligen Konjunktureffekt und um allfällige Einmalmaßnahmen zu bereinigen.

(2) Die (der) Bundesminister(in) für Finanzen hat unter Bedachtnahme auf die einschlägigen unionsrechtlichen Regelungen und die VO gemäß BHG 2013, § 2 Abs. 4 Z 3, gemeinsam mit Ländern und Gemeinden Richtlinien zur näheren Definition und Berechnung des strukturellen Haushaltssaldos Österreichs zu erstellen. Änderungen der Richtlinien sind vom österreichischen Koordinationskomitee zu beschließen. Die darin geregelte Methode ist für die jeweils erforderlichen Berechnungen in Zusammenhang mit den strukturellen Haushaltssalden des Bundes, der Länder und der Gemeinden (landesweise) heranzuziehen. Die (der) Bundesminister(in) für Finanzen hat den Ländern und Gemeinden die jeweiligen Defizitwerte und ihre Berechnung jeweils ehestmöglich mitzuteilen.

(3) Der anteilige Konjunktureffekt wird aus dem gesamtstaatlichen Konjunktureffekt nach den vereinbarten Anteilen an der Untergrenze des noch zulässigen strukturellen Haushaltssaldos des...

Um weiterzulesen

FORDERN SIE IHR PROBEABO AN

VLEX uses login cookies to provide you with a better browsing experience. If you click on 'Accept' or continue browsing this site we consider that you accept our cookie policy. ACCEPT