Bundesgesetz vom 22. Juni 1955 über das Berufsrecht der Wirtschaftstreuhänder (Wirtschaftstreuhänder-Berufsordnung).

Der Nationalrat hat beschlossen:

ARTIKEL I.

Berufsordnung.

ABSCHNITT I.

Der Beruf der Wirtschaftstreuhänder, Berufsgruppe und Berufsbezeichnung.

§ 1. Der Beruf der Wirtschaftstreuhänder.

Der Beruf der Wirtschaftstreuhänder ist ein freier Beruf und unterliegt nicht den Bestimmungen der Gewerbeordnung. Die Befugnis zu seiner Ausübung wird auf Grund der Bestimmungen dieses Bundesgesetzes erworben.

§ 2. Berufsgruppe und Berufsbezeichnung.

(1) Wirtschaftstreuhänder im Sinne dieses Bundesgesetzes sind die Angehörigen folgender Berufsgruppen:

  1. Wirtschaftsprüfer,

  2. Buchprüfer,

  3. Helfer in Buchführungs- und Steuersachen.

    (2) Die Zugehörigkeit zu den Berufsgruppen richtet sich nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes.

    (3) Übt eine Personengemeinschaft oder eine juristische Person die Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders aus, so gehört sie derjenigen Berufsgruppe an, für die sie die Anerkennung

    (§ 20) erlangt hat.

    (4) Physische Personen haben sich bei Ausübung ihrer Tätigkeit zu bezeichnen:

  4. bei Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer als „Beeideter Wirtschaftsprüfer",

  5. bei Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Buchprüfer als „Beeideter Buchprüfer",

  6. bei Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Helfer in Buchführungs- und Steuersachen als

    „Helfer in Buchführungs- und Steuersachen",

    soweit nicht die Bestimmungen des § 59 Abs. 8

    Anwendung finden oder die Zugehörigkeit nur auf einem Beitritt zur Kammer im Sinne von

    § 32 des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 126/

    1955 beruht.

    Wirtschaftsprüfer und Buchprüfer dürfen zusätzlich die Bezeichnung „Steuerberater" führen.

    (5) Personengemeinschaften und juristische Personen haben sich bei Ausübung ihrer Tätigkeit zu bezeichnen:

  7. bei Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Wirtschaftsprüfer als „Wirtschaftsprüfungsgesellschaft",

  8. bei Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Buchprüfer als „Buchprüfungsgesellschaft",

  9. bei Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Helfer in Buchführungs- und Steuersachen als

    „Buchführungsgesellschaft", soweit nicht die Bestimmungen des § 59 Abs. 8 Anwendung finden.

    Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Buchprüfungsgesellschaften dürfen zusätzlich die Bezeichnung

    „Steuerberatungsgesellschaft" führen.

    ABSCHNITT II.

    Erfordernisse für die Erlangung der Berufsbefugnisse sowie für die Berufsausübung.

    § 3. Allgemeine Erfordernisse.

    Physische Personen, die eine Befugnis zur Ausübung des Berufes als Wirtschaftstreuhänder erwerben wollen, müssen eigenberechtigt sein,

    das für die einzelnen Berufsgruppen vorgeschriebene Mindestalter erreicht haben, besonders vertrauenswürdig sein, geordnete wirtschaftliche Verhältnisse aufweisen, die österreichische Staatsbürgerschaft besitzen und ihren ordentlichen Wohnsitz sowie den Berufssitz in Österreich haben.

    § 4. Mindestalter.

    Bewerber um die Befugnis eines Wirtschaftsprüfers oder eines Buchprüfers müssen das 30. Lebensjahr und Bewerber um die Befugnis eines Helfers in Buchführungs- und Steuersachen das 24. Lebensjahr vollendet haben. Ausnahmen kann in berücksichtigungswürdigen Fällen der Vorstand der Kammer der Wirtschaftstreuhänder gewähren.

    § 5. Besondere Vertrauenswürdigkeit.

    Besondere Vertrauenswürdigkeit liegt insbesondere dann nicht vor, wenn der Berufswerber wegen eines Verbrechens, wegen eines aus Gewinnsucht begangenen Vergehens, einer ebensolchen

    Übertretung oder wegen eines Abgabendeliktes von einem Gerichte rechtskräftig verurteilt worden und die Strafe nicht getilgt ist.

    Gleiches gilt, wenn der Berufswerber wegen Abgabenhinterziehung,

    Bannbruch oder Abgabenhehlerei von einer Finanzbehörde rechtskräftig bestraft worden ist und seit der Rechtskraft der Strafe nicht mehr als fünf Jahre vergangen sind.

    § 6. Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse.

    Geordnete wirtschaftliche Verhältnisse sind insbesondere bei Personen nicht gegeben, über deren Vermögen innerhalb der letzten zehn Jahre schon einmal der Konkurs oder zweimal das Ausgleichsverfahren eröffnet worden ist, sowie bei Personen, gegen die innerhalb der letzten zehn Jahre ein Antrag auf Konkurseröffnung .

    gestellt, der Antrag aber mangels eines hinreichenden Vermögens abgewiesen worden ist; es sei denn, der Konkurs oder das Ausgleichsverfahren ist durch den Konkurs oder das Ausgleichsverfahren eines Dritten verursacht worden,

    oder der Schuldner hatte nur eine Stundung der Forderungen oder einen Nachlaß von Nebengebühren erwirkt.

    § 7. Personengemeinschaften und juristische Personen.

    (1) Personengemeinschaften und juristische Personen, die eine Befugnis zur Ausübung der Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders erwerben wollen, müssen ihren Sitz in Österreich haben,

    sowie den Bestimmungen des § 29 entsprechen.

    Außerdem müssen sämtliche Gesellschafter (Aktionäre),

    Mitglieder des Aufsichtsrates und, soweit eine Gesellschaft gesetzliche Vertreter hat,

    diese die österreichische. Staatsbürgerschaft und ihren ordentlichen Wohnsitz in Österreich haben.

    (2) Wird der Wirtschaftstreuhandberuf durch eine Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien ausgeübt, so müssen die Aktien auf Namen lauten.

    (

    1. Die Bestimmungen der §§ 4 bis 6 finden sinngemäß Anwendung.

    § 8. Besondere Erfordernisse.

    Physische Personen, die eine Befugnis zur Ausübung des Berufes eines Wirtschaftstreuhänders erwerben wollen, müssen außer den allgemeinen Erfordernissen (§§ 3 bis 6) eine entsprechende Vorbildung und Praxis aufweisen, die einschlägige Fachprüfung (Abschnitt IV) bestanden und die für ihre Berufsgruppe vorgeschriebene Berufshaftpflichtversicherung

    (Abschnitt V) abgeschlossen haben. Die Verpflichtung zum Abschluß einer Berufshaftpflichtversicherung trifft auch Personengemeinschaften und juristische Personen, welche die Tätigkeit eines Wirtschaftstreuhänders ausüben.

    § 9. Vorbildung.

    (1) Zur Fachprüfung, deren erfolgreiche Ablegung eine Voraussetzung für die Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers oder Buchprüfers ist, sind nur Personen zuzulassen, die ein in Österreich mit Erfolg abgeschlossenes Hochschulstudium der Handels-, der Wirtschafts-, der Rechts- oder der Staatswissenschaften, der technischen Wissenschaften oder der Land- und Forstwirtschaft nachweisen.

    (2) Als abgeschlossenes Hochschulstudium im Sinne dieses Bundesgesetzes ist auch die Ablegung der Lehramtsprüfung für mittlere kaufmännische Lehranstalten anzusehen.

    (3) Zur Fachprüfung, deren erfolgreiche Ablegung eine Voraussetzung für. die Tätigkeit eines Helfers in Buchführungs- und Steuersachen ist, sind nur Personen zuzulassen, die die Ablegung der Reifeprüfung einer mittleren Lehranstalt nachweisen.

    § 10. Praxis.

    (1) Zur Zulassung zur Fachprüfung, deren erfolgreiche Ablegung eine Voraussetzung für die Tätigkeit eines Wirtschaftsprüfers ist, ist als weitere Voraussetzung der Nachweis entweder einer mindestens drei Jahre langen Tätigkeit als Buchprüfer oder einer mindestens sechs Jahre langen Tätigkeit als Berufsanwärter in der Kanzlei eines Wirtschaftsprüfers oder Buchprüfers und der Nachweis der Durchführung von Buch- und Bilanzprüfungen nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen während dieser Tätigkeit erforderlich.

    Die sechs Jahre lange Tätigkeit als Berufsanwärter in der Kanzlei eines Wirtschaftsprüfers oder Buchprüfers kann bis zur Höchstdauer von drei Jahren durch eine praktische Tätigkeit in Wirtschaft oder Verwaltung, in der sich der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen eines Wirtschaftsprüfers aneignen konnte,

    ersetzt werden.

    (2) Zur Zulassung zur Fachprüfung, deren erfolgreiche Ablegung eine Voraussetzung für die Tätigkeit eines Buchprüfers ist, ist als weitere Voraussetzung der Nachweis entweder einer mindestens drei Jahre langen Tätigkeit als Helfer in Buchführungs- und Steuersachen oder einer mindestens sechs Jahre langen Tätigkeit als Berufsanwärter in der Kanzlei eines Wirtschaftstreuhänders oder als Revisor bei einem genossenschaftlichen Prüfungsverband erforderlich. Die sechs Jahre lange Tätigkeit als Berufsanwärter in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei kann bis zur Höchstdauer von drei Jahren durch eine praktische Tätigkeit in Wirtschaft oder Verwaltung,

    in der sich der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen eines Wirtschaftstreuhänders aneignen konnte, ersetzt werden. Als solche Tätigkeit ist auch eine lehramtliche facheinschlägige Tätigkeit als Hochschulprofessor, Hochschuldozent,

    Hochschulassistent beziehungsweise wissenschaftliche Hilfskraft sowie als Lehrer der Verwendungsgruppe L 1 für kaufmännische Fächer an mittleren Lehranstalten im Ausmaß bis zu drei Jahren anzurechnen.

    (3) Zur Zulassung zur Fachprüfung, deren erfolgreiche Ablegung eine Voraussetzung für die Tätigkeit eines Helfers in Buchführungs- und Steuersachen ist, ist als weitere Voraussetzung eine mindestens drei Jahre lange Tätigkeit als Berufsanwärter in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei erforderlich. Auf die dreijährige Tätigkeit als Berufsanwärter in einer Wirtschaftstreuhandkanzlei kann eine praktische Tätigkeit in Wirtschaft oder Verwaltung, in der sich der Bewerber die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen eines Wirtschaftstreuhänders aneignen konnte, bis zum Höchstausmaß von 11/2 Jahren angerechnet werden.

    ABSCHNITT III.

    Zulassung zur Fachprüfung.

    § 11. Antragstellung.

    (1) Bewerber um Zulassung zur Fachprüfung haben ihren Antrag unter Beischluß der Belege,

    welche die Erfüllung der zur Erlangung der Berufsbefugnisse erforderlichen Voraussetzungen dartun, beim Kammeramt der Kammer der Wirtschaftstreuhänder schriftlich einzubringen. Über den Antrag hat das Kammeramt nach Anhörung eines gemäß § 64 des Handelskammergesetzes,

    BGBl. Nr. 182/1946 in der geltenden Fassung und

    § 29 des Wirtschaftstreuhänder-Kammergesetzes,

    BGBl. Nr. 20/1948, zu bildenden Ausschusses zu entscheiden. Gegen einen Bescheid, mit dem die...

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