Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG) sowie über Änderungen der Rechtsanwaltsordnung

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I Bundesgesetz über den freien Dienstleistungsverkehr und die Niederlassung von europäischen Rechtsanwälten in Österreich (EuRAG)

  1. Teil Anwendungsbereich

    § 1. Dieses Bundesgesetz regelt die Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs und die Niederlassung zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft in Österreich durch Staatsangehörige der Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der anderen Vertragsstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum,

    die berechtigt sind, als Rechtsanwalt unter einer der in der Anlage zu diesem Bundesgesetz angeführten Bezeichnungen beruflich tätig zu sein (europäische Rechtsanwälte).

  2. Teil Freier Dienstleistungsverkehr Vorübergehende Tätigkeit

    § 2. Europäische Rechtsanwälte dürfen, soweit sie Dienstleistungen im Sinn des Art. 50 EGV erbringen, in Österreich vorübergehend rechtsanwaltliche Tätigkeiten wie ein in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragener Rechtsanwalt erbringen, wobei sie jedoch den sich aus den Bestimmungen dieses Teils ergebenden Beschränkungen unterliegen (dienstleistende europäische Rechtsanwälte).

    Berufsbezeichnung, Nachweis der Berechtigung

    § 3. (1) Dienstleistende europäische Rechtsanwälte haben bei Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs die Berufsbezeichnung, die sie im Staat ihrer Niederlassung (Herkunftsstaat) nach dem dort geltenden Recht zu führen berechtigt sind, zu verwenden und die Berufsorganisation, der sie im Herkunftsstaat angehören, anzugeben.

    (2) Wollen sie in Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs Dienstleistungen vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde in Österreich erbringen, so haben sie auf Verlangen des Gerichtes oder der Verwaltungsbehörde ihre Berechtigung nach § 1 nachzuweisen. Wird dieses Verlangen gestellt, so dürfen sie die Tätigkeit erst ausüben, wenn der Nachweis erbracht ist.

    (3) Im Rahmen ihrer Aufsichtspflicht nach § 7 Abs. 1 kann auch die zuständige Rechtsanwaltskammer von den in Österreich tätigen dienstleistenden europäischen Rechtsanwälten den Nachweis ihrer Berechtigung nach § 1 verlangen.

    Rechte und Pflichten

    § 4. (1) Bei Ausübung einer Tätigkeit, die mit der Vertretung oder Verteidigung eines Mandanten im Bereich der Rechtspflege oder vor Behörden zusammenhängt, haben dienstleistende europäische Rechts-

    anwälte die Stellung eines in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalts, insbesondere dessen Rechte und Pflichten, soweit diese nicht die Zugehörigkeit zu einer Rechtsanwaltskammer oder den Kanzleisitz betreffen. Vor der erstmaligen Ausübung einer derartigen Tätigkeit in Österreich haben sie die zuständige Rechtsanwaltskammer (§ 7  Abs. 1)

    schriftlich zu verständigen.

    (2) Bei der Ausübung sonstiger rechtsanwaltlicher Tätigkeiten haben dienstleistende europäische Rechtsanwälte die in Österreich geltenden Regeln für die Ausübung der Rechtsanwaltschaft soweit einzuhalten,

    als sie von ihnen als dienstleistende Rechtsanwälte beachtet werden können, und nur insoweit,

    als ihre Einhaltung objektiv gerechtfertigt ist, um eine ordnungsgemäße Ausübung der Tätigkeit des Rechtsanwalts sowie die Beachtung der Würde des Berufes und der Unvereinbarkeiten zu gewährleisten.

    Einvernehmensrechtsanwalt

    § 5. (1) In Verfahren, in denen sich die Partei durch einen Rechtsanwalt vertreten lassen oder ein Verteidiger beigezogen werden muss, dürfen dienstleistende europäische Rechtsanwälte als Vertreter oder Verteidiger einer Partei nur im Einvernehmen mit einem in die Liste der Rechtsanwälte einer österreichischen Rechtsanwaltskammer eingetragenen Rechtsanwalt (Einvernehmensrechtsanwalt) handeln.

    Diesem obliegt es, beim dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt darauf hinzuwirken, dass er bei der Vertretung oder Verteidigung die Erfordernisse einer geordneten Rechtspflege beachtet. Zwischen dem Einvernehmensrechtsanwalt und der Partei kommt kein Vertragsverhältnis zustande, sofern die Beteiligten nichts anderes bestimmt haben.

    (2) Das Einvernehmen ist bei der ersten Verfahrenshandlung gegenüber dem Gericht schriftlich nachzuweisen. Ein Widerruf des Einvernehmens ist dem Gericht schriftlich mitzuteilen. Er hat Wirkung nur für die Zukunft. Verfahrenshandlungen, für die der Nachweis des Einvernehmens im Zeitpunkt ihrer Vornahme nicht vorliegt, gelten als nicht von einem Rechtsanwalt vorgenommen. Sowohl die Herstellung als auch ein allfälliger Widerruf des Einvernehmens sind vom Einvernehmensrechtsanwalt schriftlich seiner Rechtsanwaltskammer bekanntzugeben.

    (3) Die Abs. 1 und 2 gelten nicht, wenn der dienstleistende europäische Rechtsanwalt mit Erfolg die im 3. Hauptstück des 3. Teils geregelte Eignungsprüfung abgelegt hat.

    Zustellungen

    § 6. Für Zustellungen in gerichtlichen und behördlichen Verfahren haben dienstleistende europäische Rechtsanwälte bei ihrer ersten Verfahrenshandlung einen im Inland wohnhaften Zustellungsbevollmächtigten namhaft zu machen. Wurde kein Zustellungsbevollmächtigter namhaft gemacht, so gilt in den im § 5 Abs. 1 angeführten Verfahren der Einvernehmensrechtsanwalt als Zustellungsbevollmächtigter. In allen anderen Fällen ist in sinngemäßer Anwendung des § 10 Zustellgesetz, BGBl. Nr. 200/1982, vorzugehen und die Zustellung nach erfolgloser Aufforderung an den dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt durch Hinterlegung beim Gericht oder bei der Behörde vorzunehmen.

    Aufsicht, Disziplinarbehandlung

    § 7. (1) Dienstleistende europäische Rechtsanwälte unterliegen bei Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs der Aufsicht der Rechtsanwaltskammer (§ 23 der Rechtsanwaltsordnung) und der Disziplinarbehandlung durch den Disziplinarrat und die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission in sinngemäßer Anwendung des Disziplinarstatuts für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (DSt),

    BGBl. Nr. 474/1990. Die Zuständigkeit der Rechtsanwaltskammer richtet sich nach dem Ort der inländischen Dienstleistungserbringung, die Zuständigkeit im Disziplinarverfahren nach dem Ort der Begehung des Disziplinarvergehens. Ist jedoch ein Einvernehmensrechtsanwalt bestellt, so richtet sich die Zuständigkeit nach dessen Kammerzugehörigkeit.

    (2) Disziplinarstrafen und einstweilige Maßnahmen, die die Berufsausübung des Rechtsanwalts beschränken, dürfen nur mit Wirksamkeit für das Inland ausgesprochen werden. An die Stelle der Disziplinarstrafe der Streichung von der Liste tritt das Verbot, im Inland Dienstleistungen zu erbringen.

    (3) § 45 DSt gilt nur dann, wenn der Aufenthalt des dienstleistenden europäischen Rechtsanwalts unbekannt oder eine Zustellung an ihn im Ausland nicht innerhalb angemessener Frist möglich ist.

    (4) Maßnahmen der Rechtsanwaltskammer nach § 23 der Rechtsanwaltsordnung betreffend einen dienstleistenden europäischen Rechtsanwalt sowie im Disziplinarverfahren gegen ihn ergehende Einleitungsbeschlüsse,

    Beschlüsse über einstweilige Maßnahmen und Disziplinarerkenntnisse sind der zuständigen Stelle des Herkunftsstaats mitzuteilen.

    Inländische Kanzleieinrichtung

    § 8. In Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs nach den Bestimmungen dieses Teils sind europäische Rechtsanwälte nicht in die Liste einer österreichischen Rechtsanwaltskammer einzutragen.

    Eine inländische Kanzleieinrichtung dürfen sie nur insoweit unterhalten, als dies zur Erbringung der vorübergehenden Dienstleistungen erforderlich ist. Von der Begründung der Kanzleieinrichtung haben sie die Rechtsanwaltskammer schriftlich zu verständigen.

  3. Teil Niederlassung 1. Hauptstück Niederlassung unter der Berufsbezeichnung des Herkunftsstaats Eintragung in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte

    § 9. Europäische Rechtsanwälte dürfen sich in Österreich unter der Berufsbezeichnung des Herkunftsstaats auf Dauer zur Ausübung der Rechtsanwaltschaft mit den sich aus den Bestimmungen dieses Teils ergebenden Beschränkungen niederlassen, wenn sie auf Antrag in die Liste der niedergelassenen europäischen Rechtsanwälte eingetragen werden.

    Antrag

    § 10...

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