Bundesgesetz vom 14. März 1968 zur Bekämpfung der Tuberkulose (Tuberkulosegesetz)

Der Nationalrat hat beschlossen:

  1. HAUPTSTÜCK Bekämpfung der Tuberkulose 1. ABSCHNITT Allgemeine Maßnahmen Begriffsbestimmungen

    § 1. (1) Als Tuberkulose im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten alle Krankheiten, welche entweder mit Sicherheit oder mit wissenschaftlich begründeter Wahrscheinlichkeit durch das Tuberkelbakterium

    (mycobacterium tuberculosis) beim Menschen verursacht werden.

    (2) Eine ansteckende Tuberkulose im Sinne dieses Bundesgesetzes liegt dann vor, wenn vom Menschen Tuberkelbakterien ausgeschieden werden.

    Behandlungspflicht

    § 2. Personen, die an einer ansteckenden Tuberkulose leiden, sind verpflichtet, sich während der Dauer dieses Zustandes einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen.

    Meldepflicht

    § 3. Meldepflichtig im Sinne dieses Bundesgesetzes sind:

    1. jede Erkrankung an Tuberkulose, die der

      ärztlichen Behandlung oder Überwachung bedarf;

    2. jeder Todesfall, wenn anläßlich der Totenbeschau oder Leichenöffnung festgestellt wurde, daß im Zeitpunkt des Todes eine Erkrankung nach lit. a bestanden hat.

      § 4. (1) Zur Erstattung der Meldung sind verpflichtet:

    3. jeder mit dem Erkrankungs- oder Todesfall befaßte Arzt sowie die ärztlichen Leiter von Instituten, an denen solche

      Ärzte beschäftigt sind;

    4. in Krankenanstalten (§ 2 Abs. 1 Krankenanstaltengesetz,

      BGBl. Nr. 1/1957), Versorgungsanstalten,

      in denen unheilbare Kranke in Erfüllung fürsorgerechtlicher Verpflichtungen untergebracht sind, und in Altersheimen der ärztliche Leiter der Anstalt bzw. der nach besonderen Vorschriften hiezu berufene Vorstand einer Abteilung oder eines Ambulatoriums;

    5. der Totenbeschauer oder der Prosektor;

    6. der Leiter der militärischen Dienststelle, die zur ärztlichen Betreuung von Angehörigen des Bundesheeres (§ 1 des Wehrgesetzes,

      BGBl. Nr. 181/1955) berufen ist.

      (2) Tierärzte, die in Ausübung ihres Berufes begründeten Verdacht auf das Vorliegen von ansteckender Tuberkulose bei Personen in der Umgebung von Tierbeständen hegen, haben dies der Bezirksverwaltungsbehörde zu melden.

      § 5. (1) Die Meldung ist innerhalb von drei Tagen nach Stellung der Diagnose der Bezirksverwaltungsbehörde zu erstatten, sofern sich die zur Meldung verpflichtete Person nicht davon

      überzeugt hat, daß der Erkrankungsfall der Bezirksverwaltungsbehörde bereits gemeldet worden ist.

      (2) Ein Todesfall im Sinne des § 3 lit. b ist von jeder zur Meldung verpflichteten Person zu melden; dies auch dann, wenn bereits eine Meldung

      über den vorangegangenen Krankheitsfall erfolgt ist.

      (3) Durch die vorstehenden Bestimmungen wird eine auf Grund anderer Rechtsvorschriften bestehende Meldepflicht nicht berührt.

      Erhebungen und Untersuchungen

      über das Auftreten der Tuberkulose

      § 6. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat alle zur Feststellung der Krankheit, der Infektionsquelle und des durch den Kranken oder Krankheitsverdächtigen gefährdeten Personsnkreises erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten. Bei den Erhebungen ist mit der durch die Umstände gebotenen Rücksichtnahme vorzugehen.

      (2) Den von der Bezirksverwaltungsbehörde entsendeten Organen ist der Zutritt zum Kranken,

      Krankheitsverdächtigen oder zur Leiche und die Vornahme der für die Ermittlung über die Krankheit, den Krankheitsverdacht oder die Bazillenausscheidung erforderlichen Untersuchungen zu gestatten.

      (3) Um das Vorliegen einer Tuberkulose bei Verstorbenen festzustellen, kann die Bezirksverwaltungsbehörde die Öffnung von Leichen und die Untersuchung von Leichenteilen (sanitätsbehördliche Obduktion) anordnen, wenn der begründete Verdacht einer solchen Erkrankung besteht.

      (4) Die zur Meldung verpflichteten Personen,

      die Kranken und Krankheitsverdächtigen haben auf Befragen über alle mit der Erkrankung im Zusammenhang stehenden Umstände Auskünfte zu erteilen.

      (5) Personen, auf die sich die Erhebungen im Sinne des. Abs. 1 erstrecken, sind verpflichtet,

      sich den erforderlichen zumutbaren ärztlichen Untersuchungen, insbesondere auch Röntgenuntersuchungen,

      Blutabnahmen und Sputumuntersuchungen,

      zu unterziehen und das notwendige Untersuchungsmaterial unter allfälliger Kontrolle zu liefern.

      Ãœberwachung

      § 7. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat die

      Überwachung der Kranken und Krankheitsverdächtigen unverzüglich zu verfügen. Die genannten Personen sind verpflichtet, sich den von der Bezirksverwaltungsbehörde angeordneten Kontrolluntersuchungen zu unterziehen. Von der Vornahme einer Kontrolluntersuchung ist abzusehen,

      wenn der Vorgeladene einen ärztlichen Befund vorlegt, der zur Erreichung des Zweckes der Überwachung ausreichend ist.

      (2) Die Überwachung ist auch nach Abschluß

      einer Heilbehandlung so lange fortzusetzen, bis anzunehmen ist, daß eine Konsolidierung des Prozesses eingetreten ist.

      (3) Die der Überwachung unterliegenden Personen sind verpflichtet, allen ihnen von der Bezirksverwaltungsbehörde erteilten Anweisungen für ein hygienisch einwandfreies Verhalten Folge zu leisten.

      Einrichtungen der Bezirksverwaltungsbehörden

      § 8. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat Vorsorge zu treffen, daß geeignete, dem allgemeinen Stand der medizinischen Wissenschaft entsprechende Einrichtungen zur Untersuchung der Kranken und Krankheitsverdächtigen sowie zu deren Überwachung und Betreuung vorhanden sind.

      (2) Mit den Aufgaben der Untersuchung, Überwachung und Betreuung ist ein Facharzt für Lungenkrankheiten oder, wenn ein solcher nicht zur Verfügung steht, ein anderer fachlich geeigneter Arzt zu betrauen. Dem Arzt ist zur Durchführung seiner Aufgaben entsprechend ausgebildetes Personal zuzuweisen.

      (3) Erweisen sich Maßnahmen gemäß den Abs. 1 und 2 infolge der geringen Anzahl der Kranken oder Krankheitsverdächtigen als nicht erforderlich, sind die Kranken und Krankheitsverdächtigen der nächsten entsprechend ausgestatteten Bezirksverwaltungsbehörde zur Untersuchung,

      Überwachung und Betreuung zu überweisen.

      Pflichten der Bezirksverwaltungsbehörde Â

      § 9. (1) Die Bezirksverwaltungsbehörde hat im Rahmen ihrer Aufgaben (§ 8 Abs. 2) insbesondere folgende Obliegenheiten zu erfüllen:

    7. die Diagnose sicherzustellen;

    8. die Wohn-, Schlaf- und Arbeitsverhältnisse des Tuberkulosekranken ermitteln zu lassen;

    9. den Tuberkulosekranken über die mit seiner Krankheit verbundenen Gefahren für sich und seine Umgebung aufzuklären;

    10. dem Tuberkulosekranken genaue Anweisungen für ein im Hinblick auf seine Krankheit hygienisch einwandfreies Verhalten zu geben;

    11. den Tuberkulosekranken auf die allfällige Notwendigkeit einer Heilbehandlung hinzuweisen und ihm eine solche mit seinem Einverständnis zu vermitteln;

    12. Personen, die einer Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind oder waren, über Schutzmaßnahmen zu belehren.

      (2) Eine Heilbehandlung (kurative ärztliche Tätigkeit) darf im Rahmen der Betreuung nicht stattfinden.

      § 10. Befindet sich der Tuberkulosekranke bereits wegen Tuberkulose in Behandlung eines Arztes, hat sich die Bezirksverwaltungsbehörde mit diesem ins Einvernehmen zu setzen. Im Rahmen dieses Einvernehmens ist insbesondere a) der Befund und das Ergebnis der durch die Bezirksverwaltungsbehörde durchgeführten diagnostischen Untersuchungen (Röntgenaufnahmen,

      Tomographien, bakteriologische Untersuchungen) dem behandelnden Arzt auf dessen Verlangen zur Verfügung zu stellen;

    13. mit dem behandelnden Arzt über geeignete Maßnahmen Rücksprache zu pflegen.

      Pflichten des behandelnden Arztes

      § 11. (1) Der behandelnde Arzt hat der Bezirksverwaltungsbehörde auf Verlangen die von ihm erhobenen Befunde zur Verfügung zu stellen und jene Kranken zu melden, die sich seiner Behandlung oder Überwachung entzogen haben.

      (2) Der ärztliche Leiter einer Krankenanstalt hat bei der Entlassung oder dem Tod eines Kranken, der wegen Tuberkulose im Sinne dieses Bundesgesetzes in Pflege stand, der Bezirksverwaltungsbehörde einen Bericht zu übermitteln,

      der die notwendigen Angaben über Verlauf und Behandlung enthält. Ist der Tuberkulosekranke verstorben, so ist, sofern eine Obduktion vorgenommen wurde, außerdem noch der Obduktionsbefund zu übermitteln.

      Verschwiegenheitspflicht

      § 12. (1) Jedermann hat über die ihm in Ausübung seines Berufes bei Durchführung dieses Bundesgesetzes bekanntgewordenen Umstände der betroffenen Personen, insbesondere ihre persönlichen,

      wirtschaftlichen oder sonstigen Verhältnisse,

      Verschwiegenheit zu bewahren.

      (2) Die Verschwiegenheitspflicht besteht nicht,

      soweit eine Mitteilung nach Art und Inhalt durch Interessen der öffentlichen Gesundheitspflege oder der Rechtspflege gerechtfertigt ist. Die Ver-

      schwiegenheitspflicht besteht auch dann nicht,

      wenn die durch die Mitteilung berührte Person den zur Verschwiegenheit Verpflichteten davon entbunden hat.

      (3) Außer im Falle einer behördlichen Anfrage kann der zur Verschwiegenheit Verpflichtete die Erlassung eines Feststellungsbescheides darüber,

      ob ein öffentliches Interesse an der Offenbarung des Geheimnisses vorliegt, von der Bezirksverwaltungsbehörde verlangen.

      1. ABSCHNITT Maßnahmen gegen uneinsichtige Tuberkulosekranke Belehrung

        § 13. (1) Ergeben die Erhebungen der Bezirksverwaltungsbehörde,

        daß ein an ansteckender Tuberkulose Erkrankter das ihm aufgetragene Verhalten (§ 7 Abs. 3) nicht befolgt oder der Behandlungspflicht gemäß § 2 nicht nachkommt, ist er vorzuladen. Er ist erneut anzuweisen, sich in gesundheitlicher Hinsicht einwandfrei zu verhalten.

        Außerdem ist er darüber zu belehren, daß er in einer Sonderheilanstalt (§ 21) angehalten werden wird, wenn er seine Pflichten weiterhin nicht erfüllen sollte. Über die Belehrung ist eine Niederschrift aufzunehmen und eine Durchschrift dem Tuberkulosekranken nachweislich auszufolgen.

        (2) Befindet sich der Tuberkulosekranke in Anstaltspflege oder ist er aus anderen Gründen gehindert,

        der Ladung Folge zu leisten, so ist er schriftlich im Sinne des Abs. 1 zu belehren; diese Belehrung ist ihm zu eigenen Handen (§ 24 AVG.

        1950) zuzustellen.

        Anhaltung Antrag

        § 14. (1)...

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